Mit Schoenberg in Kalifornien
Arnold Schoenberg habe ich in USA öfter gesehen als in Europa, aber auch da nicht sehr oft. Ich war einige Male bei ihm, und hin und wieder trafen wir uns bei gemeinsamen Freunden, meistens im Hause on Alma Mahler. Beim ersten Besuch bei ihm zu Hause war er zunächst nicht gerade herzlich. Wir waren zuerst allein. Er wollte wissen, wie es mir in den Konzentrationslagern in Frankreich ergangen war. Auf einmal sagte er: "Sie werden natürlich jetzt anfangen, englisch zu schreiben." Ich erklärte ihm, daß ich zu alte sei, die Sprache zu wechseln. "sie können doch englisch sprechen", sagte er. "Ich habe schon in meiner Jugend Englisch gelernt. Zu Beginn sogar in einer Berlitz School", sagte ich. "Ich konnte Zeitungen lesen und die entlische Belletristik im Original. In der Emigration habe ich schon in Paris mich im Sprechen geübt. Aber das heißt noch lange nicht, daß ich schreiben könnte." - "Ich schreibe alles englisch", sagte er, "Sie müssen das auch tun." Ich meinte, daß ich wahrscheinlich mit der Zeit es so weit bringen würde, einen Artikel in englischer Sprache zu schreiben, aber sicherlich nie einen Roman. "Warum nicht?" sagte er. ER wollte keinen Unterschied sehen. "Wenn man einen Artikel schreiben kann, kann man auch einen Roman schreiben." Ich versuchte, ihm den Unterschied klar zu machen. Ohne Erfolg. Er insistierte, und zwar nicht ohne Strenge. Als ich ihm noch einmal erklärte, ich sei zu alt, um die Sprache zu wechseln, führte er natülich das berühmte Besipiel des Polen Joseph Conrad hat seine Heimat verlassen als sehr junger Mann, der Seemann werden wollte. Das ist er geworden, ehe er Schriftsteller wurde. ER hat nie etwas in polnischer Sprache geschrieben. Er ist eben in englischer Sprache Schriftsteller geworden. Schoenberg wollte auch diesen Unterschied nicht einsehen. Als ich ihm sagte: "Herr Schoenberg, Sie sind Komponist. Die Noten, die Sie schriebe, haben nicht deutsch gesprochen, undie Noten, die Sie jetzt schreiben, sprechen nicht englisch. Was sie englisch schreiben, ist nicht Literatur und will es nicht sein." Das genügte noch immer nicht, obowhl er etwas nachdenklich wurde. Ich fragte ihn, wie er die vielen schönen Palmen empfindet, an denen wir in Kalifornien im Auto verbeifahren. "Für mich", sagte ich ihm, "ist eine Palme noch lange kein Baum. Ich glaube, ich werde jahrelang hier wohnen müssen, bis ich soweit bin. Vorläufig is für mich eine Reihe von Palmenbäumen eine sehr schöne Kulisse." - "Sie sind doch kein Maler", sagte er. "Was gehen Sie die Palmen an?" Jetzt wurde ich etwas streng und sagte zu ihm: "Herr Schoenberg, nehmen wir an, ich wäre kein Schriftsteller, sondern ein Pianist. Und Sie verlangen von mir, daß ich Geiger werde. Wäre das nicht zu spät verlangt?" Das hat er endlich eingesehen. (S. 348f.)
© 1999, Aufbau, Berlin.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.