Und die Liebe kann natürlich und enthemmt, frei, selbst rauh und roh oder egoistisch aufblühen in ihrer wunderschönen, kannibalischen Fülle. Sie ist raffiniert geglückte Venusfalle, perfekt gestylte Emotion, sie ist in vielen Bereichen zur ein-, ab- und zuschaltbaren Lustmaschine geworden. Zum wichtigsten Stimulator im öffentlichen Leben. Man wird Mister Präsident mit Sex-Appeal, und man verkauft Ziegelsteine nur mehr mit ziegelgeilen Lolitas. Liebe ist endlich vorwiegend Erotik und Sexualität und verspricht auch als solche bei allen Käufen, Verkäufen, Dienstleistungen und Ämtern: da hab mich, da nimm mich, da brauch mich. Das Angebot ist zwar auch männlich, zu neunundneunzigkommaneun aber sehr weiblich. (S. 13)
Meine einsamen, hungrigen Gedanken schälen dann die Wörter ab und finden zerbrochene Buchstabensegmente unter der Schale. Anweisungstrümmer. Ich denke, das gegenseitige Verständnis ist wie der Gesang eines Straßensängers, der verstummt, sobald ihm einige Münzen zugeworfen werden. Es klirrt. Melodien haben wenigstens immer ein wenig Verständnis gefunden. Doch wer durch Reden auf Verständnis hofft, der bleibt allein. Allein wie ein Mensch, den man eben aus dem Gerichtssaal an seinen alten Tisch im Wartesael zurückgebracht hat. Nach einer stockdunklen Buße. Ja, tatsächlich, da war doch auf einmal der ganze Gerichtssaal leer! Wie zum Teufel haben sich die alle davongeschlichen? (S. 50f.)
(c) 1997, Alekto, Klagenfurt.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.