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Leseprobe: Frederic Morton - "Wetterleuchten"

"Redl wurde zu einem Symbol für Verfall; für die Unausweichlichkeit der Degeneration einer so alten Monarchie. Würden die Habsburger, seit Jahrhunderten Souveräne des Heiligen Römischen Reiches, jemals imstande sein, ihr Land in eine moderne Großmacht zu verwandeln? Serbien, ihr Gegner, war klein und widerspenstig, in ihm pulsierte die jugendliche Leidenschaft des Nationalismus. Bis jetzt hatte es, angesichts der Warnungen Österreichs, noch klein beigegeben, wenn auch zögernd und verspätet. Aber es steckte nie für sehr lange zurück. Gegen Ende Juni brachte Serbien Griechenland und Montenegro, seine Verbündeten im Vorjahressieg über die Türkei, dazu, gemeinsam mit ihm eine Umverteilung der türkischen Landgewinne auf Kosten des vierten Verbündeten, Bulgariens zu verlangen. Da Bulgarien ein Verbündeter Habsburgs war, protestierte Wien in Belgrad - vergeblich. Die serbischen Truppen und die seiner Verbündeten, denen sich auch noch Rumänien angeschlossen hatte, konzentrierten sich an den Grenzen Bulgariens. In Wien gelang es General Conrad wieder einmal, die Warnungen des Thronfolgers in den Wind zu schlagen. Der Generalstabschef wurde bevollmächtigt, die Armee in Alarmzustand zu versetzen. Reservisten wurden einberufen. Wiens Süd- und Ostbahnhof füllten sich mit Müttern, die ihre Söhne zum Abschied umarmten - in ihren ungewohnten Uniformen sahen sie wie Fremde aus.
Das Wetter wurde unangenehm. Noch war es Frühling, aber ein Vorbote hochsommerlicher Hitze senkte sich bereits über die Stadt. Die Polizisten schwitzten, nicht zuletzt wegen Redl. Um der Mißstimmung angesichts der Redl-Affäre entgegenzuwirken, hatte sich der Polizeipräsident ein sehr österreichisches Mittel ausgedacht. Er entschied, die Moral seiner Männer durch das Glitzern ihrer Kopfbedeckungen zu heben. Statt der leichten Sommerkappen mußten die Polizisten die schweren, aber glänzenden Metallhelme der Winterzeit tragen. (S. 76f.)

Das Zentrum der Macht hat sich verschoben: weg von den Kronen und Staatskanzleien hin zu den Büros der Stabschefs. Unbeholfen versuchten Diplomaten, ihre Kollegen auf der anderen Seite in einen Frieden hineinzubluffen. Präzise ließ jeder Stabschef seinen Mobilmachungsapparat anlaufen. Unvermeidlich beschleunigte die eigene Mobilmachung die der anderen.
Nun war die Unterordnung der Stabschefs unter die Staatschefs nur noch nominell. Nun bezogen die Stabschefs ihr wahres Vorrecht aus einer zwar inoffiziellen, aber gewaltigen Macht. Über Nacht wurde diese Macht sichtbar. Überall in Europa stürmte sie durch die Straßen. (S. 271f.)

(c) 1998, Deuticke, Wien.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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