Hedwig steht mit einem Journalisten beim Auto. [...]
HEDWIG: 1946 is es schon losgangen. Da ham's ma schon die Hälfte vom Haus weggnommen. Obwohl i erst vier Jahr später zum Bauen anfgangen hab. Des müssen S'Ihnen vorstellen.
JOURNALIST: (versteht es nicht) Wie?
HEDWIG: Mein Ehemann war ja vermißt. Im Weltkrieg. 1945 hat er elftausend Schilling geerbt. Die elftausend Schilling wollt i haben, um den Grund zu kaufen. I hab des Geld kriegt, aber dafür hat des Pflegschaftsgericht meinen Mann als Hälfteeigentümer ins Grundbuch eingetragen. Als Hälfteeigentümer der gesamten Liegenschaft! I hab dann des Haus gebaut, im Schweiße meines Angesichts, und mein Mann, der keinen Finger grührt hat, der kriegt die Hälfte. Is des gerecht?
JOURNALIST: Weiß ich nicht.
Der Fotograf sieht die neugierige Frau Krautschneider, richtet lässig mit einer Hand die Kamera auf sie und fotografiert sie, sofort verschwindet sie, macht das Fenster zu. HEDWIG: Also bitte! Ein Toter bekommt die Hälfte eines Hauses, das überhaupt noch nicht existiert! Wenn sie doch wenigstens gwartet hätten, bis i fertig war mit dem Bau. Dann hätten sie gsehn, daß des Haus im Jahre 55 natürlich schon viel mehr wert war als zweiundzwanzigtausend Schilling! (Schreit plötzlich zum Haus:) Schalt endlich die Negermusik aus! (S. 36)
HERMANN: Viele Jahre schon, (betont) M u t t e r, trag i diese beiden Briefe mit mir herum. Gfunden hab i sie, um genau zu sein, im Jahr 1955, da war ich 12 Jahre alt. (Er läßt die letzten Fetzen fallen.) Seitdem bist du gstorben für mi. (Plötzlich beginnt er zu brüllen:) Mein Vater, dein Ehemann, hat seinen Kopf hinghalten fürs Vaterland, is verreckt irgendwo da draußen im russischen Winter, und du, du bist währenddessen mit dem Freind im Bett gelegen und hast ihn betrogen, schamlos betrogen! Mit einem Polacken, noch dazu! - Robert! Robert! Mit zwölf Jahren war mit schon klar, warum du meinen angeblichen Bruder Robert lieber hast als mi! Weil dir mein Vater wurscht war, weil du den Feind, den Polacken vorgezogen hast! Und so hast du auch seinen polnischen Bastard mir vorgezogen! Immer! Immer! (S. 102)
(c) 1998, Haymon, Innsbruck.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.