Wer ist das eigentlich, der Vater ...; kenne ich ihn wirklich? Das hat sich als Frage eingeschlichen, seit sie ihn gesehen hat, so schmal, wie zerbrochen in den weißen Tüchern des Bettes. Und doch eigentlich nicht zerbrochen, eher sogar konzentriert auf wenige, wesentliche Linien. Wie ein Zeichner das tun würde, dem es nicht um die vordergründige Genauigkeit geht, sondern um das Inbild. Ja, er hat sich verdichtet, der Vater, auf das, was er für sich als das Wesentliche erkannt hat. Was zählen da die Phasen seiner Entwicklung, gegen die sie sich hat zur Wehr setzen müssen? (S. 36)
Für Augenblicke sieht Liesa wieder die Bilder, die um ihr Marschieren gewesen sind: Wimpeln, Fahnen, Uniformen; viel Buntes und Windbewegtes. Es ist ihr aber jetzt, als würde sie aus einer Geisterbahn hinaus ins Helle gestoßen. Sie kann noch nichts erkennen, noch nicht. Ihr Kamerad der Lagerfeuer in der zu groß gewordenen Uniform schaut unbeweglich vor sich hin. Die Stadt unten, ein verwischtes Dächergekritzel, durch Ruinenfelder aufgerissen, sie deckt sich zu mit Abenddunst. Früher wären ihr eine Menge Gedichte und Liedzeilen dazu eingefallen; jetzt will nichts Gereimtes mehr in ihren Kopf und mit Genugtuung stellt sie fest, daß der Abendstille ihr Glockenklang abhanden gekommen ist. (S. 69f.)
(c) 1997, Grosser, Linz.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.