Schließlich werden wir fast ausschließlich in Zimmern geboren, unsere erste Welt erfahren wir in der Geographie eines Kabinetts, nicht wenige Kinder bekommen Schreianflälle, wenn sie zum ersten Mal unter den freien Himmel getragen werden, denn das Blau ist ihnen zu hoch, bisher war die Zimmerdecke der Himmel und bleibt dies auch für viele bis zur Todesstunde. So sind wir hineingeschaffen in eine Klaustrophobie, Geschöpfe des Gemeindebaus oder der Bauernküche, dünnhäutige Wesen, die oft nich unterscheiden können: ãBin ich in meinem Zimmer oder in meinem Kopf? Wo beginnt der Raum und wo endet der Kopf?Ò Der Innenraum des Kopfes und der Außenraum der Welt verschwimmen milchig ineinander. Deshalb brauchen wir auch die Unterwäsche, sonst sterben wir an der unkontrollierten Transpiration, der unablässige Ausfluß von Angstschweiß würde uns innerhalb kürzester Zeit verdörren lassen. (S. 97f.)
Statt zu fliegen, verschrieb ich mich also dem Wandern. Statt der Auflösung meines schweren Menschnnamens in der leichtsinnigen Himmelsluft sollt ich innerhalb der Schwerkraft die Schwerkraft überwinden und dazu keine anderen Hilfsmittel zu Rate ziehen können als die von Ihnen entwickelten phyikalisch-seismologischen [sic] Maschinen, ergänzt mit den notwendigen chronometrischen Applikationen. Aber nur der Geburtshilfe-Apparat hat tatsächlich nie versagt und war mir immer klaglos zu Diensten, während ich alle anderen Untersuchungen nur unter Verwendung ganz anderer Sinne als den von IHnen vorgeschriebenen zu einem gedeihlichen Ende bringen konnte. Die maschinellen Erkenntnisse und das erlesene Wissen Ihrer Apparate hatte ich jeweils schon längst überholt. Soie glaubten im Laufe der Jahre immer wieder und nicht ohne Stolz, ich würde nur mit Hilfe Ihrer Apparate in der Welt überleben könne, die Sie niemals betreten hatten. Sie waren überzeugt, daß die Leichtigkeit meiner Fortbewegung und die Geschwindigkeit der jeweiligen Wetternamen in meinem und schließlich Ihrem Gedächntnis das angebliche Glück der Stewardessen in ihrem leichten Leben bald bei weitem übertreffen könnte. Aber in Wirklichkeit waren mir Ihre geliebten Apparate in der Fremde eher hinderlich, sie vermochten mit all ihrer technischen Raffinesse die Geographie keineswegs zu verändern, das Wetter blieb unbeeindruckt, und neuerfundene Städte wollten und wollten nicht gedeiehen. Während ein Flugzeug nach dem anderen über meinen Kopf und die Köpfe meiner Kinder hinwegflog, war ich ohne Zuhause und bangte vorerst noch um den Verstand Ihrer Apparate, die ich doch ohne Ihr Zutun so ins Herz geschlossen hatte. Zuletzt hielt ich mir die Ohren zu, nicht vor dem Flugzeuglärm, sondern um das falsche Ticken nicht zu hören und die irrigen Namen, die Sie mir hatten einreden wollen. (S. 154f.)
(c) 1997 Wieser Verlag, Klagenfurt, Salzburg.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.