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Andreas Renoldner: Lavendel vom Col de l' Homme Mort.

Zwölf Briefe an Petrarca.
Klagenfurt-Wien: Kitab 2008.
228 Seiten; brosch.; 16 Euro.
ISBN 978-3-902585-09-7.

Link zur Leseprobe

Ein Wiener Autor packt die Satteltaschen seines Fahrrads: Liegematte, Schlafsack, Biwaksack, ein wenig Kleidung, Fahrradwerkzeug, Ausweise, Waschzeug. Auch Schreibzeug und Francesco Petrarcas "Canzoniere" sind eingepackt. Die Beziehung mit seiner langjährigen Partnerin ist eben schmerzhaft in die Brüche gegangen, der Autor sucht Abstand und tritt in die Pedale, um seinen Problemen zu entfliehen. Sein Ziel: Der Mont Ventoux in Südfrankreich, den Petrarca vor 700 Jahren bestiegen hat.

Während er grüne Täler entlang radelt, steile Alpenpässe hinauftritt, hässliche Industriezonen durchquert, Wind und Wetter und zu wenig Abstand haltenden Autos trotzt, reflektiert der als Ich-Erzähler auftretende Autor, der mit Andreas Renoldner einiges gemein hat, über sein Leben und das von Petrarca. Zwölf Tage seiner Fahrradreise durch Italien, die Schweiz und Frankreich werden in "Lavendel vom Col de l'Homme Mort", so der Titel von Andreas Renoldners zehntem Roman, beschrieben, jeden Tag formuliert der Autor einen Brief an Petrarca, in dem er sich mit dessen Biografie und Werk auseinandersetzt.

Der Autor, das wird von Anfang an klar, steht seinem berühmten Kollegen kritisch gegenüber, weil beide grundverschieden sind. Im Gegensatz zum ausgezeichneten poeta laureatus ist sein Autorendasein ein ständiger Kampf ums materielle Überleben. Weil er sich für zu viele andere Dinge interessiert, ist er mit der Schriftstellerei nur "beschränkt weit gekommen": "Weil ich nicht alle meine Lebensenergie und Zeit darauf verwendet habe, sehr viele für die Literaturszene wesentliche Menschen persönlich kennen zu lernen und mir unter ihnen ausreichend Freunde zu machen." Petrarca dagegen wirft er vor, dass er ein Meister der Selbstvermarktung und ein Opportunist ersten Ranges gewesen sei.

"Wie sie sehen, habe ich mich mit vielen Erscheinungen und Fertigkeiten dieser Welt vertraut gemacht, habe Altgriechisch erlernt und Platon übersetzt, Schafe geschlachtet und aus dem Fleisch sogar Pasteten erzeugt. Ich habe Medizin studiert und später Schnecken im Salatbeet ermordet oder den Schafmist aus dem Stall geschaufelt. Ich kann Kleinkinder wickeln, füttern und in den Schlaf singen, habe reinen Landbirnmost hergestellt und mit einem Bankdirektor einen Abend lang über virtuelles Geld philosophiert, ihn also nach der Wirklichkeit seiner Wirklichkeit befragt.", schreibt er an den Älteren.

Der Autor ist ein Praktiker, im Leben wie auch im Schreiben. Petrarca hält er vor, ein weltfremder Mensch und weltfremder Dichter gewesen zu sein, dessen Literatur bloße Konstruktion geblieben sei. Unerklärlich bleibt für ihn, wie Petrarca in den Dienst der katholischen Kirche habe treten können, zugleich aber zwei uneheliche Kinder gezeugt und eine Frau verehrt habe. 366 Liebesgedichte hat er für Laura, so ihr Name, geschrieben. Mit Humor und einer gehörigen Dosis Gesellschafts-, Zivilisations- und Kirchenkritik erklärt der in den Süden radelnde Autor seinem ungleich bekannteren literarischen Vorfahren in den Briefen die heutige Welt.

Je näher er seinem Ziel kommt, desto mehr Zweifel hat er, ob Petrarca den Mont Ventoux wirklich bestiegen hat. Als der Autor den Gipfel des kahlen Bergs erreicht, bleibt er nur kurz, weil es kalt ist und neblig und ein schwerer Sturm aufzieht. Es bleibt ihm nicht Zeit, über Gott und die Welt zu sinnen wie Petrarca, der, als er vom Gipfel auf die grandiose Umgebung schaute, zur Einsicht kam: "Die Menschen bestaunen die Welt und vergessen darüber sich selbst." Sein Gipfelerlebnis ist nüchterner und unspektakulärer: "Ob ich glücklich bin, weiß ich nicht. Irgendwie zufrieden vielleicht. Ein Ziel erreicht. In mich selber überraschend kurzer Zeit. Ohne Probleme. Kein großer Gipfelsieg und Überwindung von Gefahren. Nicht sehr abenteuerlich. Aber doch ein Erfolg."

Andreas Renoldner hat ein Buch in schlichtem, bescheidenem, ungekünsteltem Gewand geschrieben, einen Roman, dessen Stil Petrarca konterkariert. Ein Buch, das alles andere als gelehrig daherkommt, aber viel zu sagen hat: Philosophie über die Hintertreppe.

 

Peter Landerl
23. April 2008


Originalbeitrag

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