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Leseprobe: Fritz Lehner - "Hotel Metropol."

(...) Gar nicht so schlecht, meine ersten Tagebuchseiten. Ich habe sie einfach liegen lassen, ein Blatt war noch eingespannt. Ideal wäre es nicht gewesen, wenn sie jemand gelesen hätte, aber auf die Idee kommt hier ja keiner, weil sie ausschauen wie meine anderen Protokollseiten und der Schreibtisch davon fast übergeht. Und die Lotte hat am Morgen ohnehin nur einen Kopf, um ihre Blumen zu gießen, daran herumzuzupfen und dann ihre Viertelstunde vor dem Spiegel. Manchmal denke ich, sie hat etwas mit dem Politzer, weil sie in diesem Jahr schon den dritten oder vierten Lippenstift hat, einer mehr rot als der andere, wie das Blut an der Fensterwand, das ich nicht abwaschen lasse, damit meine Kundschaft glaubt, bei mir geht es auch so hoch her wie beim Bruno in seinem Zimmer. Wenigstens sind heute die Türen zu ihm hinüber nicht offen, damit ich ihn nicht sehen muss. Lotte hat mir gesagt, dass er unterwegs ist, um von einem leer stehenden Hotelzimmer einen Bilderrahmen zu holen für das Papier von seiner Auszeichnung, damit er es sich an die Wand hängen kann. Soll er.

Wie sie zu mir herschaut, die flotte Lotte. Ein aufrechtes Mädel, das muss ich schon sagen, und aufmerksam. Nur dass ich jetzt nicht ein Schädlingsgeständnis in die Maschine tippe, sondern mein Tagebuch, das entgeht ihr. Wenn die wüsste, neugierig wie sie ist. Aber bei mir kommt sie halt auf keine abwegigen Gedanken. Viel lieber wäre sie wahrscheinlich die Sekretärin bei einem, der zupackt, beim Verhören und natürlich auch bei ihr. Es muss ja nicht gleich der Bruno sein, aber wenn der arbeitet und die Türen zu sind, sehe ich, wie sie auf ihrem Sessel mit ihrem spitzen Hintern hin und her rutscht, weil sie am liebsten drüben sein möchte und zuschauen. Die Schreierei allein ist ihr zu wenig. Schluss, ich muss mein Tagewerk verrichten, der alte Landmann ist dran. Bibelwürmer sind kein Vergnügen, aber Knochenarbeit muss auch sein.
(...)
Ein normales Tagebuch ist mir zu wenig. Wozu, ich weiß doch, was ich so erlebe, und wer ich bin und wie ich und was. Man kennt sich ja. So wie ich meine Zukunft kenne. In zwei bis drei Jahren gewinnen oder verlieren wir den Krieg, und ich werde ganz oben sein oder wieder ein Niemand. Schwierigkeiten mit den neuen Herren erwarte ich nicht, weil ich immer den Gesetzen gehorchend gehandelt habe, treu bis aufs Äußerste, mit kleinen Ausnahmen, die zu vernachlässigen sind. Abgesehen davon, es wird keine neuen Herren geben, wir sind und bleiben sie. Alles andere wäre ungerecht, nachdem wir schon so viel geopfert haben, das kann kein Herrgott wollen, falls es ihn überhaupt gibt.
(S. 13ff)

© 2005 Seifert Verlag, Wien.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

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