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Marlen Haushofer: Wir töten Stella

Wir töten Stella
Es liest: Elisabeth Schwarz
2 CDs
Spielzeit: 212 Min
ISBN 3-89903-226-8
Hamburg: Hörbuch Hamburg Verlag Margrit Osterwold 2005

Die Wand
gekürzte Fassung
Es liest: Elisabeth Schwarz
2 CDs
Spielzeit: 140 Min
ISBN 3-89903-196-2
Hamburg: Hörbuch Hamburg Verlag Margrit Osterwold 2005

Albert Einstein hat einmal gesagt: "Gott würfelt nicht", und damit unübertroffen elegant formuliert, dass der Kosmos, so wie er ihn begreift, auf Gesetzmäßigkeiten aufgebaut ist und nicht auf Zufällen. Dort, wo Marlen Haushofer Gott ist, würfelt auch sie nicht. In ihrer Schöpfung, der Novelle "Wir töten Stella", lässt sie auf knapp fünfzig Seiten einen perfekten literarischen Kosmos entstehen, auch wenn dieser mehr dem Fegefeuer entsprungen scheint als dem Paradies.

Am Anfang der Geschichte steht Anna am Fenster. Sie steht oft am Fenster und blickt in den Garten hinaus. Anna ist eine etwas farblose Hausfrau und Mutter, nicht mehr ganz jung. Ihre Gedanken beginnen zu schweifen wie so oft. Doch Gedanken sind nicht frei. Dämonen schleichen sich ein, Erinnerungen an Stella. Ein Vogelkind lärmt im Garten, es ist aus dem Nest gefallen und unterbricht Annas morbide Gedanken mit seinem Schrei nach Leben. Doch Anna kann dem Vogel nicht helfen. Es ist ihr unmöglich. Sie vermochte auch Stella nicht zu helfen, und nun ist Stella tot. Ihr Tod war, wie schon der Titel sagt, ein gewaltsamer. Sie wurde ermordet, wenn auch nicht nach den Buchstaben des Gesetzes.

Mit diesen Paukenschlägen beginnt Annas Beichte und sie ist ohne Aussicht auf Absolution. Dabei lässt uns uns Marlen Haushofer stilsicher wie immer das halbe Jahrhundert, das die Novelle nun schon auf dem Buckel hat, vergessen. Die Geschichte einer zerrütteten Mittelstandsfamilie war in den resopalverschandelten, prae-feministischen 1950er Jahren heftig umstritten und wirkt auch heute noch überraschend kontroversiell - nicht zuletzt, weil eine ganz gewöhnliche und daher sozusagen politisch völlig unkorrekte Hausfrau und Mutter Hauptperson ist.

Die Hörbuchfassung von "Wir töten Stella" ist sehr schlicht gehalten, sie kommt dankenswerterweise ohne "atmosphärischen" Hintergrundton aus. Der Text soll sich selbst genug sein und ist es auch. Es braucht nur eine Stimme, diese ist allerdings alles entscheidend.

Elisabeth Schwarz verfügt fraglos über eine wunderbare, wandelbare Stimme, die es versteht, Nuancen hörbar zu machen. Eine Stimme, die einen auch zu fesseln vermag, die ideale Stimme für Anna ist sie allerdings nicht, dafür müsste sie eine Spur gewöhnlicher sein, weniger kultiviert, weniger souverän, denn Anna ist feige geworden im Joch der Jahre, von mehr als nur einem Hauch Selbstmitleid umweht.
Im selben Jahr liest Elisabeth Schwarz auch Haushofers berühmtestes Buch "Die Wand" für Hoerbuch Hamburg (in gekürzter Fassung) und hier atmet sie der weiblichen Hauptfigur echtes Leben ein. Die Schauspielerin legt mit ihrer glasklaren Stimme die tiefen Risse frei, die die Seele der Protagonistin erfährt, als sie eines Morgens in einer abgeschiedenen Jagdhütte in den Bergen aufwacht und abgeschnitten ist von der übrigen Welt durch eine unüberwindliche Wand: der einzige Mensch im blühenden Paradies, zum Aussterben verurteilt.

Zurück zu Anna, sie steht immer noch am Fenster und benennt nun Schuldige für ihr Unglück - allen voran den Ehemann, einen Patriarchen, wie er im Buche steht. Er hat ihren Willen gebrochen und ihre Seele vergiftet. Dann ist da die Tochter, die dem Vater zu ähnlich ist, als dass sie sie lieben könnte. Annas Hoffnungsstrahl ist Sohn Wolfgang, in dem sie sich als junges Mädchen gespiegelt sieht, sensibel und liebevoll.

Als die junge Stella in die Familie kommt, löst sie eine Katastrophe aus. Sie wird zum Katalysator, der das Unglück der Familie und die klebrigen Lügen offenbart.
Anna sieht tatenlos zu, wie ihr Mann Stella verführt und wie er sie bald darauf wie alle seine Geliebten wieder fallen lässt. Sie sieht Stellas Verzweiflung und weiß, dass der tödliche Unfall, der dann geschah, kein tragisches Unglück war. Aber so wie sie das Vogelkind im Garten seinem Schicksal überlässt, ist sie auch bereit, Stellas Tod unter den Teppich zu kehren - mit einer Mischung aus Abscheu, Selbstmitleid, Hoffnungslosigkeit und vor allem aus Angst davor, das labile Gleichgewicht der Kräfte zu gefährden.
Doch ihr Herzenssohn ist nun alt genug, um zu begreifen, was geschah, er erkennnt auch Annas Anteil an Schuld im Lügengespinst und beschließt die Familie zu verlassen.
Zum Schluss steht Anna immer noch an ihrem Fenster mit Blick auf den Garten, der Vogel ist mittlerweile verstummt, das Leben zu ihren Füßen in Scherben.



Siehe auch: Marlen Haushofer: Die Wand, gelesen von Julia Stemberger

Anne Zauner
24. Juli 2006

Originalbeitrag

Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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