Als sie gemeinsam den Sheriff im Fernsehen sahen, der Kreisky lächelnd ein großes politisches Vorbild nannte, dem er sich nicht zuletzt darin verwandt fühle, dass auch Kreisky die abwegigsten und verletzendsten Vorhaltungen gemacht worden seien, man denke nur an die im Grunde doch zutiefst antisemitische Mär vom jüdischen Selbsthass, warf Paul einen Hausschuh gegen den Bildschirm. "Jetzt spiel dich nicht auf", fauchte Nora, "wenn du so leidest, dann schau nach Sachsen."
Die Herkunft der alten Aufnahmen war gar kein Thema gewesen. Plötzlich waren die Bilder da, zwei konkurrierende Tageszeitungen rühmten sich gleichermaßen, sie als erste gebracht zu haben, doch woher sie eigentlich kamen, blieb ungefragt. Die Partei, für die Josef Tolomei arbeitete, gab sich moralisch zutiefst empört, doch wenn man genau hinhörte, waren es vor allem die Jugendorganisationen und einige jüngere, als rebellisch bekannte Abgeordnete. Der Minister, dessen Sprecher Tolomei war, äußerte sich gar nicht. Es fiel auch nicht in sein Fachgebiet, und er hatte zur Zeit viel in Brüssel zu tun. Der Bundeskanzler erklärte, sich nicht in die Belange anderer Parteien einmischen zu wollen, betonte aber, dass nirgends Platz für rassistisches und antisemitisches Gedankengut sein dürfe. Der Bundespräsident rief bei der Eröffnung einer Gartenbaumesse ohne konkreten Bezug dazu auf, dass jeder sich seiner Vergangenheit stellen müsse, und fügte rätselhafterweise hinzu: "Ein jeder kehre vor seiner eigenen Tür."
(S. 236 - 237)