4. DYLAN
Deine Götter sind auch nur Idioten.
Die Bedeutung eines Songs hat nie etwas mit der Intention des Schreibers zu tun. Sie ist immer pure Interpretation und jede Interpretation ist von Natur aus ein äußerst zweifelhaftes Unterfangen. (S. 39)
Sie schaut mir in die Augen und ich weiß, ich sollte sie jetzt küssen, sie umarmen, mein Herz weit, weit aufmachen und sie in mich hineinziehen, die Welt für einen Augenblick anhalten und einen kleinen Kokon um uns weben, der sich anfühlt wie ein Lovesong von Van Morrison und jedem Sturm trotzen könnte. Aber ich tu's nicht. Ich tu es einfach nicht. Fragt mich nicht, warum, aber ich schaue sie nur an und sage: Ich glaube, Terrorismus ist die aktuellste Form von Rock'n'Roll. (S. 71)
Ich bin wirklich der Meinung, dass dieser kulturelle Zustand Selbstmordattentäter heranzüchtet. All diese jungen Leute werden sich rächen, davon bin ich überzeugt. Sie werden irgendwann das Spiel durchschauen, die wunden Punkte im System eruieren und zuschlagen. Sie werden uns alle hassen, weil wir ihnen nicht erklärt haben, dass sie ausgenutzt werden. Sie werden uns anklagen, an den Pranger stellen, uns der Lüge und der Mittäterschaft beschuldigen, und das zurecht.
Wo war ich? Ach ja, Christina Stürmer. Also, Sarah liebt dieses Mädchen. In ihrem Zimmer hängen Posters von ihr, und alles, was sie macht, sagt oder singt, ist cool. Sicher, ich bin fünfunddreißig, aber ich kann mir nicht helfen, Iggy war cooler. Er ist es immer noch. (S. 102-103)
Zu Hause gehe ich hinauf in Sarahs Zimmer. Sie schläft. [...] Der Polsterabdruck auf ihrer Wange zeichnet einen Baum in ihr Gesicht. Im Ohr verwurzelt, streckt er seine Äste bis in ihr Auge. Ich streiche mit der hand darüber. Sie wacht auf.
"Was ist, Cornelius?"
"Nichts, ich sitze nur so da."
"Geht's dir nicht gut?"
"Ist schon okay."
"Warum schläfst du nicht?"
"Weiß nicht, kann nicht. Willst du bei mir schlafen heut Nacht?"
"Nein."
(S. 114)
© 2009 Milena Verlag, Wien.