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Birgit Schwaner: Held.Lady.Mops.

Improvisation.
Wien: Klever Verlag, 2010.
92 Seiten, brosch.; Euro 15,90.
ISBN 978-3-902665-19-5.

Link zur Leseprobe

Improvisationen sind in der Musik, insbesondere im Jazz, sehr beliebt. Man denke etwa an die großartigen Free-Jazz-Musiker Derek Bailey oder John Coltrane. Die ad hoc entstehende Improvisation entzieht sich dabei jeder starren Regel oder Korrektur.
Doch wie funktioniert eine Improvisation in der geschriebenen Sprache? Widerspricht diese nicht dem Wesen der Improvisation? Wird ein Buch vor der Veröffentlichung nicht lektoriert und formatiert, was dem ad-hoc-Charakter der Improvisation entschieden entgegensteht? Genau diese Frage stellt Birgit Schwaners Prosa "Held. Lady. Mops", deren Untertitel sie als "Improvisation" bezeichnet. Erschienen ist das Buch im Wiener Klever Verlag.

Die gebürtige Deutsche, Jahrgang 1960, lebt seit 1984 in Wien. Neben Prosa hat sie Biografien herausgebracht, beispielsweise über die Wittgenstein-Familie. In diesem Jahr erscheint von ihr "Prinz Eugen – Porträt des Strategen als Kunstmäzen".
Wie in ihren Sachbüchern erzählt Schwaner auch in "Held. Lady. Mops" Versatzstücke einer Biografie, nämlich die des österreichischen Paschas, Sir und Freiherrn Carl Rudolf Slatin (1857- 1932). Im Alter von 17 Jahren fuhr er als Buchhandelsgehilfe nach Kairo, kurze Zeit später wurde er Regionalgouverneur im Sudan, wo er im Zuge der Mahdi-Aufstände für 12 Jahre in Gefangenschaft kam. Nachdem er befreit wurde, erschien 1896 seine Autobiografie "Feuer und Schwert in Sudan", die Schwaner geschickt in ihrer eigenen Prosa verarbeitet.

Schwaners Text spielt hauptsächlich im Juli 1874 auf der Überfahrt von Triest nach Alexandria. Im Mittelpunkt steht die Geschichte der Lady Patricia, die ihren Mann, den Meerestierforscher Heinrich von Beuchel, nach Kairo begleitet. Sie reisen, streng getrennt von den anderen Passagieren, in der 1. Klasse. Doch auf dem Schiff befindet sich auch der 17-jährige Carl Rudolf Slatin, der sich in der Prosa vervielfältigt und drei weitere Persönlichkeiten annimmt: Kratin, Platin und Schlatin. Zwischen Slatin und Lady Patricia gibt es eine erotische Spannung, doch Lady Patricia verwehrt sich einer Annäherung, zumal während der Seereise ihr Mann über Bord fällt, von einem Hai angegriffen wird und an den Folgen seiner Verletzungen stirbt.

Diese nicht-lineare erzählte Prosa besteht aus drei Kapiteln. Schwaner bzw. ein Autorinnen-Ich bedient sich zahlreicher Assoziationen und Gedankensprünge; klug kommentiert sie das Geschehen in Klammern oder in Absätzen, scheut aber auch vor Kalauern und albernen Wortspielen nicht zurück, wie zum Beispiel: "Keine Frage. (Keine Frage heißt keine Antwort)".
Zugegeben, der Stil ist zunächst etwas schwierig, doch er erweist sich beim Weiterlesen als raffiniert und gewitzt. Denn mit ihrem Stil gelingt es der Autorin, das gerade Geschriebene zu reflektieren und dem Text eine selbstironische Note zu geben. Das erinnert mitunter an "Jacques der Fatalist und sein Herr" von Denis Diderot, in dem der allwissende Erzähler selbstironisch die Geschichte kommentiert. – Dies macht noch keine Improvisation, doch Schwaner geht auf meisterhafte Weise weiter als der Erzähler Diderot: Sie korrigiert nicht das gerade eben Geschriebene an der gleichen Stelle, sondern versieht es anschließend mit einem Kommentar und geht sogar so weit, dass sie Passagen noch einmal anders erzählt.
Ist nun diese Prosa eine reine Improvisation, wie der Jazz sie kennt? Dies wohl eher nicht – vergleichbar zum Jazz gibt jedoch die Slatin-Biografie den Grundrhythmus vor, den Schwaner – wie ein Saxophonist – kommentiert, ironisiert, leitet oder noch einmal wiederholt.

Birgit Schwaner ist mit dieser furiosen Prosa auch ein spannender Diskussionsansatz gelungen, wie Literatur neu gestaltet werden kann. Gespannt erwarten wir ihre nächste Improvisation!

Angelo Algieri
31. Mai 2010

Originalbeitrag

Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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