„Es gibt nicht nur Fisch und Fleisch, sondern mehrere Sorten von Fleisch, Marie“, sagte Sigi am selben Abend zu seinem Mädchen.
„Was soll das heißen?“
„Du hast mir einmal gesagt, ich müsse mich entscheiden, ob ich Fisch oder Fleisch sein will, und ich habe gedacht, ich hätte mich entschieden, als ich zu dir zur SAJ kam, aber jetzt bin ich nicht mehr sicher.“
„Worin?“
„Worin? Falsch gefragt. Ich weiß nicht genau, wohin ich gehöre, ich weiß vorläufig nur, dass mich die Nazis abstoßen, die Kommunisten bieten vielleicht die besseren Lösungen an, aber da bin ich mir auch nicht sicher … Ich weiß es einfach noch nicht.“
„Mein Vater ist Sozi!“
„Ja, ja, das verstehe ich ganz gut. Weißt du, als mich mein erster Schullehrer gefragt hat, ob mein Vater Deutschnationaler sei, nur weil ich Siegfried heiße, habe ich geantwortet, nein, er ist Hilfskellner. Da hat mich die ganze Klasse ausgelacht. Aber dir muss ich jetzt dasselbe sagen und zwar allen Ernstes, mein Vater ist ein früh gealteter [sic], trauriger, jedermann gegenüber stets serviler Hilfskellner. Ich weiß nicht, was ich bin, Fisch oder Fleisch, welcher Fisch oder welches Fleisch.“
„Das ist ja sehr schön, wie du das sagst, aber was willst du eigentlich?“
„Hab ich ja eben versucht zu erklären, das weiß ich nicht. Ich sehne mich aber danach zu erfahren, wohin ich gehöre.“
(S. 70)
© 2011 Picus Verlag, Wien.