Die Sonne steht dem Palazzo Farnese immer im Rücken, ihr Licht trifft die Gesichtsfassade nie
ist sie deshalb dermaßen blass geblieben?
denke ich mir
so überaus mager an Farben?
(wäre es durchaus vorstellbar, dass die Masse der Steine deshalb verschwindend ist, durchsichtig fast)
ist es letztlich nur das von den Seiten auf die Piazza hereinfließende Licht, welches
(von der Wasserfläche der beiden badewannenförmigen Brunnen gebrochen
muschelige Monstren
[den hellen Menschen und den Pfastersteinen])
auf das Gebäude zurückgeworfen die streng regelmäßig gegliederte Fassade in zarte, einander eng verwandte Farben taucht
(eine lasierende Schicht, die sich ockern über die Steine legt, die auf den Mauerteilen zwischen den Fenstern des obersten Stockwerkes sich sogar aufschwingt zu unterschiedlich ausgeformten, rotbraunen Mustern
[als gelte es, die ansonsten einwandfreie Ordnung des Gebäudes dort zu durchbrechen])
als fände sich solcherart auf den Mauerteilen zwischen den Fenstern der obersten Etage
(in diesem beinahe blinden Spiegel)
gedämpft das eigentlich viel buntere, laute Getriebe der Piazza wieder
bald wird von dem, was ich mit allen meinen Augen gesehen habe
(der Anflug von Farbe bleibt flüchtig)
nichts mehr übrig sein
alles nur Oberfläche
denke ich mir
(nur für den Tag geborgt)
in einen Sessel des Café Farnese gefläzt, beinahe gelähmt, nach einigen Tagen Aufenthalts
(ergriffen von einer nicht mehr zu befriedigenden Ungenügsamkeit, knurrender Unlust
alles nur Oberfläche
und einer immer weiter aufquellenden Müdigkeit)
kein Blick mehr für das Herzzerreißende
nur für das Ekelhafte, das Unergründbare der Dinge, deren endlose
(ineinander verspannten)
Oberflächen
die man alle erst mal kennen muss(!)
denke ich mir weiter
erst wenn man die Oberfläche der Dinge kennengelernt hat, kann man sich aufmachen, um herauszufinden, was darunter sein mag
(das ist auch alles nur geborgt)
doch die Oberfläche der Dinge ist unerschöpflich
es hält mich nicht länger im Sitz, ich zahle, als wäre ich in Eile, verlasse den Garten des Cafés
(S. 56-58)
© edition laurin, Innsbruck