Wir befinden uns im Zeitalter des Homo communicans, Kommunikation ist Mittel und Zweck. Sie thront einsam an oberster Stelle. In der globalisierten Welt ist sie Schmiermittel für reibungslosen Austausch von Waren, Personen und Ideen. Sie ist Hauptbeschäftigung in der Freizeit. Kommuniziert werden muss alles, was stattgefunden haben will. Die Begebenheit wird mitgeteilt, erst dadurch ist sie wahr, wird sie nicht mitgeteilt, ist sie nicht. Der Informationsfluss bedeutet Überflutungen, die furchtbar und furchtbar ausfallen. Homo Sapiens, der denkende Mensch, ist ein Auslaufmodell. Homo communicans, der kommunizierende, der sich mitteilende Mensch, tritt die Nachfolge an. Das Denken wird vom Mitteilen ersetzt.
(S. 16f)
Wien entspricht all seinen Klischees. Es jammert und raunzt, am liebsten über das, was nicht zu ändern ist. Es gilt als ausgesprochen guter Koch, hat sich aus den Nachbarländern eine ansehnliche Rezeptsammlung zusammenstibitzt, Wien tischt deshalb so schmackhaft auf, weil es ungesund kocht, sich nicht um Diät Haltende schert, bei jedem zweiten Gericht kommt der berühmte Butterklotz zum Einsatz, den man deutlich herausschmeckt. Wien hat getrunken, man sieht es ihm an, nie ist es ganz bei der Sache, immer stolpert es über die eigenen Beine, was es, wie jedes Missgeschick, abfällig kommentiert. Wien ist nicht sonderlich gut auf sich zu sprechen. Wien stinkt, was es mit einer herzhaften Portion Charme wettmacht, die wie ein Schlagobersgupf direkt auf den Kopf geklatscht ist, es tropft und ölt die Haare ein, hinterlässt eine Gleitspur, auf der Wien selbst und alle, die in seinem Schatten stehen, ausrutschen können. Es entspricht tatsächlich all seinen Klischees, ohne Ausnahme, früher einmal mag manches falsch oder halbwahr gewesen sein, was man sich so über die Hauptstadt erzählte, mittlerweile jedoch muss es aufgeholt, sich ins Zeug gelegt haben, den Gerüchten zu entsprechen. Wien hat einen Ruf zu verlieren. Es ist übergewichtig, wenig verwunderlich, schließlich muss das mit falscher Liebe Zubereitete vorgekostet werden, ob auch ja die richtige Dosis Gift enthalten ist, dass man es gerade nicht bemerkt, dass es langsam ins Grab schickt, nur nichts überstürzen.
(S. 131f)
Traum: Eine Vergnügungsanlage Holzbahnen mit seltsamen eigenhändig zusammengeschraubten Gefährten rutscht man über die Bahnen um persönliche Bestnoten zu toppen verfügbare Mädchen unnatürlich hübsch filmreif geschminkt alle in einheitlichen schwarzen Kleidern wer sich ihr Umgarnen leisten kann von dem lassen sie so bald nicht mehr ab mein Einkauf besteht hauptsächlich aus einer Tonne Bier das aufgedunsene Fleischlaibchen an der Kassa verlangt nach meinem Ausweis die Frau will mich beleidigen nehme ich an und es ihr übel Sie wollen mich beleidigen sage ich Haare schneiden zuerst zahlt es sich nicht aus dann sich für sein Strubbelnest schämen und nicht mehr zum Friseur gehen können Dosierung erhöhen sagt ein Facharzt zur Schwester Geldtasche weg im Photoautomat ein verärgertes Gesicht sie beim abendlichen Hunger verloren über die Straße zum Inder oder gestohlen worden am Würstelstand im Supermarkt Milch und Brot für in der Früh halten Sie ihn fest schnallen Sie ihn an Versuchsreihe fortsetzen dem Probandenkörper wird nun Luzidin zugeführt schlucken Sie das schluck das hinunter Stromstöße Elektroschocks Interpunktion.
(S. 385)
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