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Leseprobe: Bernhard Moshammer - Die Zukunft wird kein Honiglecken.

„Sie heißt Nadja.“
„Wie bitte?“
„Sie heißt Nadja und ist achtzehn. Sie ist übrigens schwanger. Aber nicht von mir. Das ist also kein Problem, wir werden das Kind bekommen. Ach ja, eigentlich wollte ich dich fragen, ob du dir vorstellen könntest, dass Nadja bei uns wohnt. Also dann. Später. Nur vorübergehend. Mit dem Baby und so.“
„Das ist ein Witz, oder? Anselm? Sag, dass das ein Witz ist.“
Anselm schüttelt den Kopf. Deine Mutter steht plötzlich vor euch, ihr habt sie beide nicht reinkommen gehört.
„Du hast also eine Freundin, junger Mann. Und sie kriegt ein Kind? Hab ich das richtig verstanden?“
„Oma, lass mich -“
„Nein nein nein, ich will nur klarstellen, ob ich das richtig verstanden habe: Sie ist also schwanger, und du – obwohl du nicht der Vater des Kindes bist – willst dich um die beiden kümmern, ja? Sie ernähren. Womit willst du das tun, wenn ich fragen darf? Ich meine, hast du einen Plan? Hast du Geld, stimmts'? Oder täusche ich mich da etwa? Sag einmal, bist du von allen guten Geistern verlassen? Du bist ja selbst noch ein Kind – ein dummes, hirnloses noch dazu! Um Gotteschristihimmelswillen, bist du noch bei Trost?! Das Leben ist doch keine deutsche Fernsehserie, Bub!“
„Oma, du -“
„Du hälst jetzt deinen Mund und schminkst dir deine Hirngespinste gleich wieder ab, verstanden?“
„Oida, was willst du denn -“
„Sag ja nicht Oida zu mir! Und was willst du denn? Mit deiner Familie hier einziehen? Schämst du dich nicht, so etwas überhaupt zu denken, geschweige denn uns allen und vor allem deiner mehr oder weniger behinderten Mutter anzutun?“
„Mutter?“, versuchst du Einspruch zu erheben.
„Nein, hier muss endlich jemand ein Machtwort sprechen – und nachdem der Mann weg ist und du nicht fähig bist, so etwas zu tun, muss ich das wohl übernehmen.“
„Mutter!“
Anselm winkt ab und macht sich daran, den Raum zu verlassen.
„Wage es ja nicht, junger Mann! Du bleibst schön hier stehen!“
„Du hast mir überhaupt nichts zu sagen, alte Frau ...“
„Anselm!“, brüllst du. Dann brüllt der Kleine im Arm deines Vaters. „Was ist denn hier los, verdammt noch mal“, sagt der streng.
„Das willst du nicht wissen, glaub mir“, sagt deine Mutter.
„Doch.“

Für einen kurzen Moment schweigen alle. Du denkst: Nichts sagen. Bitte.

„Jetzt sag schon.“
„Dein Enkelsohn hat eine achtzehnjährige schwangere Freundin, mit der er gerne bei uns einziehen möchte.“
Dein Vater lacht ungläubig. „Das ist nicht dein Ernst, Amsel.“
„Ich heiße Anselm, Freak! A.N.S.E.L.M. – wie schwierig ist das denn! Das gibt’s ja nicht …“

Du atmest ein, weißt aber nicht mehr, was du sagen sollst. Vielleicht solltest du nichts sagen und alle – deine gesamte Familie – einfach umbringen! Ach, hättest du nur eine Pistole zur Hand, irgendetwas zum Abschlachten und Ruhigstellen von Familien!

„Du, pass auf, wie du mit mir redest – ich warne dich. So groß und alt kannst du gar nicht werden, dass ich dir nicht eine Ohrfeige verpasse.“
„Gratuliere, Opa. Das ist ja nett. Und du pass auf, dass du nicht eine retour kriegst, okay?“
Und dann passiert's. Dein Vater schlägt Anselm ins Gesicht. Anselm rammt seinen Großvater, der immer noch den weinenden Jura im Arm hält, gegen den Türstock. Jura entgleitet diesem und rutscht nach unten, dreht sich beinahe einmal um sich selbst und landet hart, Schulter voran, auf dem Parkett. Deine Mutter kreischt und schlägt die Hände vors Gesicht. Anselm steht da wie angeschraubt. Dein Vater hebt den Kleinen hoch. Du sitzt nur da und weinst leise.
„So, das war's, junger Mann. Du kannst deine Sachen packen und zu deinem Vater ziehen – augenblicklich!“
„Super. Das mach ich“, sagt Anselm und drängt sich durch die Tür.

(S. 49-52)


© 2012 Milena Verlag, Wien.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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