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Startseite > Bücher > Dark Romance > Oldigor Verlag > Norma Feye > NACHTWANDERER > Leseproben > Leseprobe 1

Leseprobe 1

NACHTWANDERER

Norma Feye
Roman / Dark Romance

Oldigor Verlag

Taschenbuch, 284 Seiten

Okt. 2014, 13.90 EUR
Bestellen: Jetzt bestellen / auch als eBook erhältlich

Dichter Nebel hängt in den Straßen, jener Nebel, für den London gleichermaßen berühmt wie berüchtigt ist.
Dorian Hershley lenkt das Auto mit größter Vorsicht, denn obwohl der Nebel, der das Licht der Scheinwerfer wie eine weiße Wand reflektiert, für seine feinen Sinne kein Hindernis ist, fühlt er sich unbehaglich.
Hätte sein Herr nicht von ihm gefordert, hinunter in die Hafengegend zu fahren, wäre Dorian niemals auf den Gedanken gekommen, ausgerechnet jetzt hierherzukommen. Aber wenn sein strahlender Herr ihm befiehlt, dann gehorcht Dorian, wie es seit jeher Brauch ist für einen Novizen, der noch nicht einmal einen richtigen Namen hat.
„Links herum.” Die Stimme seines Herrn schwingt irgendwo zwischen leichtem Ärger und Belustigung, und Dorian schämt sich, den Weg nicht allein gefunden zu haben. Schließlich will er seinem Herrn gefallen.
Groß und bedrohlich schält sich schließlich der Umriss eines alten Hauses aus dem weißen Dunst, und Dorian steuert darauf zu. Direkt vor der ausgetretenen Steintreppe, die zu einer großen, dunklen Tür hinaufführt, hält er den Wagen an. Er stellt den Motor ab und beeilt sich, um das Fahrzeug herum zu laufen, um seinem Herrn die Wagentür aufzuhalten.
In respektvollem Abstand steigt er hinter der hochgewachsenen Gestalt seines Meisters die Stufen empor, schafft es aber dennoch, vor diesem die Tür zu erreichen, um sie für ihn zu öffnen.
Ein dunkles Treppenhaus schließt sich gleich hinter der Eingangstür an, nur vom spärlichen Licht einiger trüber Straßenlaternen vor dem Haus beleuchtet. Das Holz der Stufen ist so alt, dass Dorian unweigerlich auf das Ächzen der Treppe wartet, als sein Herr den Fuß darauf setzt. Gleichzeitig weiß er, dass das Holz keinen Laut von sich geben wird, denn immer und überall bewegt sich sein Meister vollkommen geräuschlos. So, wie es alle tun, die wie er sind.
Bis hinauf unter das Dach folgt Dorian seinem Herrn, und dort einen langen Korridor entlang, der vor einer großen Flügeltür mit rötlich schimmernden Glasscheiben endet. Eifrig will er seinem Meister auch diese Tür aufhalten, doch eine schnelle Handbewegung seines Herrn lässt ihn zurückbleiben. Dieser öffnet die Tür eigenhändig und tritt ein. Das Murmeln zahlreicher Stimmen, das schon draußen auf dem Korridor zu hören gewesen ist, verstummt augenblicklich. Die Köpfe aller im Raum Anwesenden wenden sich dem Eingang zu.
Dorian kann das respektvolle, aber auch furchtsame Schweigen deutlich hören. Der Junge lächelt, denn er versteht diese Reaktion sehr wohl.
Es ist nicht nur die imposante Erscheinung seines Herren, mit dem kurzen Haar, das leuchtet wie pures Gold, der Haut, die sich kaum von der Farbe seines Haares unterscheidet und den Augen, die nicht nur die Farbe von Eis haben, sondern auch ebenso kalt wirken. Es ist in erster Linie seine Herrschaft über den mächtigsten und gefährlichsten Zirkel Englands und die kalte Kompromisslosigkeit, mit der er diese erreicht hat.
Schnell, und möglichst ohne aufzufallen, huscht Dorian an seinem Meister vorbei und sucht sich einen Platz abseits der Versammelten.
Viele, die über eine wichtige Position im Zirkel seines Herrn verfügen, sind hier. Ebenso zahlreich sind die Führer anderer mächtiger Zirkel erschienen. Dorian erkennt Herren aus Liverpool, Leeds und Birmingham. Weiter aus dem Norden die Herren aus Glasgow und Aberdeen, und noch einige andere, die er aber nicht genau zuordnen kann. Sie alle sind mit mehreren Vertrauten angereist, wie es sich für einen Zirkelherren gehört.
Fast erscheint es wie Spott und Hohn, dass ausgerechnet sein Herr, der der mächtigste unter ihnen ist, mit nur einem Begleiter, und dann auch noch einem noch namenlosen Schüler, erschienen ist. Dorian weiß, dass es auch genau das sein soll.
Unbehaglich zieht er sich noch ein wenig weiter in die Ecke zurück, die er sich als Platz ausgesucht hat.
„Guten Abend, meine Freunde”, grüßt sein Herr mit weicher Stimme, die in der herrschenden Stille trotz ihrer Sanftheit bedrohlich klingt.
„Beridumár.”
Dorian kann die Beklemmung spüren, mit der die anderen Zirkelherren den Namen seines Meisters aussprechen.
Beridumár lächelt zufrieden. Seine Bestätigung als uneingeschränkter Herr über alle Zirkel Englands kann er in der unterschwelligen Furcht der Anwesenden spüren, die wie ein dünner Nebel den Raum erfüllt.
Langsam nimmt Beridumár auf dem einzigen noch freien Stuhl am Kopfende des langen Tisches Platz, an dem die Zirkelherren sitzen. Im düsteren Licht einiger Kerzen sind ihre Gesichter noch gut zu sehen, während all ihre Begleiter, die schweigend entlang der Wände stehen, nur dunkle Schemen sind. Es würde ihm keine Mühe machen, auch sie deutlich zu sehen, doch dafür sind sie ihm zu uninteressant. Er richtet seine Aufmerksamkeit auf die Männer und wenigen Frauen, die am Tisch vor ihm sitzen und ihn in abwartendem Schweigen anschauen. Sie alle kennen den Grund ihrer Versammlung, somit kann er sich lange Vorreden sparen.
„In wenigen Tagen”, beginnt er unvermittelt, „ist es wieder einmal so weit, über den Status von Ancharfúlia zu verhandeln. Ich halte die Zeit für gekommen, die Bedeutung dieses Landes für die Assúralach’avúr vollkommen neu zu definieren.”
Das erstaunte Murmeln, das seinen Worten folgt, hat Beridumár bereits erwartet. Er macht eine angemessene Pause, dann fährt er fort: „Lange genug ist uns verboten gewesen, dort so zu leben, wie es unsere Art ist.”
Es ist schließlich der Zirkelherr aus Glasgow, der als Erster seine Überraschung überwindet. „Was schwebt dir vor?” Mehr wagt er nicht zu sagen.
„Ich werde Ancharfúlia für uns öffnen.“
Herrschte bis jetzt schon Stille, so wird aus ihr bei diesen Worten abgrundtiefes Schweigen. Erstaunen, Unglaube und Fassungslosigkeit ergreifen die Anwesenden wie eine Flutwelle.
„Wir werden bei den Verhandlungen lediglich den Grundstein für diese Entwicklung legen können“, räumt Beridumár lächelnd ein, amüsiert von den verschiedenen Emotionen, die auf ihn einströmen. „Danach muss sich alles andere über die Zeit entwickeln. Es ist nur noch eine Frage weniger Monate, maximal eines Jahres, bis der Pachái des großen Schutzhauses Linnassúr stirbt, denn er ist alt und schwach. Wer immer an seine Stelle tritt, hält das Schicksal aller anderen Häuser – und damit auch das des Landes selbst – in Händen. Gelingt es uns, die Nachfolge so zu manipulieren, dass der neue Pachái uns wohlgesonnen ist, ist in spätestens vierzig Jahren, bei den nächsten Verhandlungen, der Weg nach Ancharfúlia frei.”
„Die besten Aussichten auf die Nachfolge hat Fiona Finnaghan”, sagt der Zirkelherr aus Liverpool, „und es ist kein Geheimnis, dass sie uns verabscheut.”
„Auch, wenn sie die besten Aussichten hat”, meint Beridumár, „gibt es immer Wege, diese zu ändern.”
„Wie soll das geschehen?”, will der Zirkelherr aus Manchester wissen.
Als sei diese Frage ein Stichwort gewesen, öffnet sich die große Flügeltür und ein Mann tritt ein. Kaum, dass die Anwesenden ihn erkennen, senkt sich unbehagliches, furchtsames Schweigen über den Raum.
Auch Dorian in seiner Ecke kriecht unwillkürlich ein wenig in sich zusammen.
Wenn alle Versammelten Beridumár Respekt entgegenbringen, wenngleich dieser auf Furcht gegründet ist, so betrachten sie den Neuankömmling mit nackter Angst.
Tométonet.
Beridumárs finsterer Schatten.
Besser kann man die Konstellation zwischen den beiden Männern kaum beschreiben. So golden strahlend, wie Beridumár erscheint, so dunkel und schwarz ist Tométonet.
Die Zirkelherren beginnen zu ahnen, welchen Plan Beridumár verfolgt.
Tométonet ist sein Vertrauter, seine rechte Hand – und sein Henker. Wie viele er schon auf Geheiß Beridumárs getötet hat, weiß niemand zu sagen.
Lautlos, wie sein fafóil-Name es schon beschreibt, stellt sich Beridumárs finsterer Diener hinter dessen Stuhl.
„Ist deine Frage damit beantwortet?”, erkundigt sich Beridumár.
Der Zirkelherr nickt stumm.
„Nach Fiona Finnaghan ist es Chantal de Vry, die die besten Chancen auf die Position des Pachái hat”, erklärt Beridumár, amüsiert über die plötzliche Angst in den Gesichtern der Versammelten. „Sie lebt zwar unter den Assúralach’fénum, eigentlich gehört sie jedoch zu uns.”
Wieder ertönt erstauntes Murmeln.
„Und davon weiß niemand dort?”, wundert sich der Zirkelherr aus Aberdeen. „Unter unserer Art ist es schwer, solch ein Geheimnis zu hüten.”
„Wenn es gelungen ist”, fragt der Herr aus Leeds, „diese Frau zur Pachái des Hauses Linnassúr zu machen, wie geht dein Plan dann weiter?”
Beridumár lächelt hintergründig. „Linnassúr ist das Schutzhaus Ancharfúlias“, erinnert er die Anwesenden lächelnd, „und sein Pachái hat Einfluss auf die Wahl der Pachaél aller anderen Häuser. Wenn in vierzig Jahren die nächsten Verhandlungen über Ancharfúlia anstehen, wird Chantal de Vry dafür gesorgt haben, dass so viele Pachaél auf unserer Seite sind, dass das Tabu nicht länger bestehen kann.”
„Wie willst du solche Pachaél finden?“, erkundigt sich jemand. „Die Dunklen Häuser Ancharfúlias sind doch viel zu begierig darauf, das Tabu zu erhalten.“
„Oh, wir bringen sie mit den Jahren ins Land“, erklärt Beridumár geduldig. „Wenn das wachsame Auge des Schutzhauses immer mehr einschlummert, wird das kein Problem mehr sein.“
„Und auch dafür wird Chantal de Vry sorgen?“, erkundigt sich der Herr aus Leeds.
Beridumár nickt nur.
„Ein großer Plan“, räumt der Herr aus Leeds ein.
„Aber du zweifelst an seinem Gelingen?”, erkundigt sich Beridumár.
Der Zirkelherr von Leeds schweigt, doch sein Gesicht und seine Emotionen verraten ihn, so sehr er sich auch bemüht, seine Gedanken zu verbergen.
Beridumárs Geste ist leicht, fast spielerisch, als wolle er nur eine lästige Fliege verscheuchen, dennoch ist ihre Bedeutung folgenschwer.
Ein ersticktes Geräusch klingt dumpf durch den Raum, dann sinkt der Herr von Leeds stumm vornüber auf den Tisch. Ein kleines, dunkles Loch prangt in seiner Schläfe.
Mit Unbehagen schauen alle zu Tométonet, der gerade eine Pistole mit Schalldämpfer wieder unter seiner Jacke verschwinden lässt.
Einige Männer aus der Abordnung von Leeds lösen sich von ihren Plätzen entlang der Wände, doch ein einziger Blick von Tométonet reicht aus, sie schreckensbleich wieder zurückweichen zu lassen.
Beridumár erhebt sich unverhofft von seinem Stuhl.
„Ihr seid nun informiert, meine Freunde”, sagt er abschließend, „und könnt euch entsprechend vorbereiten. Übermorgen werde ich zu den Verhandlungen reisen.”
Dorian springt auf und beeilt sich, seinem Herrn die Tür zu öffnen. Als nach Beridumár auch Tométonet an ihm vorbei hinaus auf den Korridor geht, meint er, tatsächlich einen kalten Lufthauch zu spüren, der dem dunklen Mann folgt.

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