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![]() Ausschnitt aus "¡HARLOWE" von Klaus-Peter Walter
Ist 'ne große Stadt, dieses Berlin! Vor ein paar Jahren besorgte ich mir eine Lizenz und mietete in der Boxleitener Straße beim Alex ein billiges Hinterhof-Büro. In den mondlosen Nächten der Vorweihnachtszeit kann ich von hier aus die Giftmüllhalden an der östlichen Peripherie strahlen sehen, und manchmal trägt der Wind entferntes Wolfsgeheul herüber. Aber die Wölfe – oder ein paar degenerierte Vampire – sind das geringste Problem. Das Problem ist das Parelleluniversum hinter den Spiegeln. Dort ist der Tod nichts Endgültiges, und von dort kommen sie manchmal, um Ärger zu machen. Dann werde ich gerufen. Gestatten: ¡Harlowe. Einfach ¡Harlowe. Cislaterale und translaterale Ermittlungen. ![]() Im Advent lauern an jeder Ecke diese Santaclaudetten. Die stellen sich vor dich, reißen den roten Mantel auf und sind darunter völlig nackt bis auf den Gürtel mit der Sammelbüchse um den Bauch. »Steck mir was in den Schlitz für arme Berliner Kinder«, bitten sie. Oder für »Berliner Aidskranke« oder »mittellose Banker«. Egal. »Hab kein Kleingeld«, behaupte ich immer. »Kann ich dir bargeldlos was in den Schlitz schieben?« Die Cleveren fragen »Master oder Visa?«, die weniger Cleveren rufen »alte Sau« oder so etwas. Hübsch anzusehen sind die meisten. Große Stadt, dieses Berlin! Sagte ich schon, dass ich Weihnachten hasse? Am 23. Dezember frischte ich gerade einige Grundkenntnisse im „Handbuch der Nekrophilie“ auf, als ich bei einem beiläufigen Blick in meine Kristallkugel auf dem Schreibtisch jemand die Treppe zu meinem Büro heraufstampfen sah! Ich nahm höflichkeitshalber die Füße von der Schreibplatte und zerrte aus dem Papierkorb eine Morgenpost heraus, der man ihr Alter noch nicht allzu sehr ansah. Mit eingezogenen Schultern trat eine hünenhafte Gestalt mit Schlapphut, Sonnenbrille und Cape, alles in Schwarz, ein und richtete sich auf. »Bist du ¡Harlowe?«, raunzte eine tiefe Stimme, in der etwas irritierend Weibliches lag. »In persona non grata«, gab ich zurück. »Wer will’n das wissen?« Die Gestalt riss sich schwungvoll das Cape auf und warf den Schlapphut vor mich auf den Schreibtisch. Es war tatsächlich eine Frau, obwohl sie’s auf den ersten Blick ganz gut verbergen konnte. Sie hatte, von einem geflochtenen quietschgelben Zopf über dem rechten Ohr abgesehen, eine spiegelblanke Glatze. Unter dem Cape trug sie ohne was drunter eine ärmellose Weste ohne Knöpfe. Zugehalten wurde die in Nabelhöhe von einer riesigen silbernen Fledermausfigur. Gab einen tollen Ausblick auf eine bombenfeste, im Sonnenstudio ledrig vergrillte Silikonabteilung frei und auf Bizepse, dicker als mein Oberschenkel – ich habe nur noch einen, aber das ist eine andere Geschichte. Als sie die Sonnenbrille abnahm, erkannte ich Yellow Plischke. Ehemaliger Wrestling-Champion im Schwergewicht. Eine Anabolika-Bombe und die hässlichste Frau westlich des Ural. Hatte aber doch noch Arian Katschiragan geheiratet. Genau, den armenischen Paten. Obwohl er bei der Hochzeit mindestens fünfhundert Jahre alt war, brachte er gerade noch ein Kind mit ihr zuwege, erlebte die Geburt allerdings nicht mehr. Angeblich Herzinfarkt, aber wahrscheinlich hatte Plischke ihn beim Sex einfach versehentlich zerquetscht. Jetzt besaß die trauernde Witwe das LUPANAR, den teuersten Nachtclub-Puff Berlins. Im Grunewald, in einer hochedlen Gründerzeitvilla. Dort geht die Post ab, alles was Recht ist! Haben Sie schon mal das „Trio Trivaga“ gesehen? Sollten Sie unbedingt tun! Altindische Sexualakrobatik mit zwei Männern und einer Frau. Ein irres Ding! Die kommen rein in orientalischer Kleidung, machen ein bisschen Bauchtanz zur Einleitung und so, und machen sich dabei ganz gemütlich nackig. Dann legt sich der eine Kerl bequem auf dem Rücken. Nachdem die Frau für Paarungsbereitschaft gesorgt hat, lässt sie sich auf ihm nieder und rastet fest ein. Der andere Kerl besteigt sie dann gut eingefettet durchs Hinterzimmer. Nun beginnt sich die Frau auf Finger- und Zehenspitzen rechtsherum um den Untermann herumzubewegen und der Obermann bewegt sich in genau der entgegengesetzten Richtung. Dabei werden die Drei immer schneller. Schließlich trennen sie sich und die Kerle zeigen dem Publikum, dass ihr Orgasmus echt ist. Trommelwirbel, Tusch, Hurra! Die Drei sind natürlich total bodygebuildet wie Yellow Plischke, sonst ginge das gar nicht. Weitere Leseproben[Zurück zum Buch] |
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