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Die Phantasie des Autors trägt über 1600 Seiten – Thomas Pynchons „Gegen den Tag“

Presseschau vom 23. April 2008

© Die Berliner Literaturkritik, 23.04.08

 

BERLIN (BLK) – Trotz 1600 Seiten schaffe es Thomas Pynchon mit „Gegen den Tag“, den Leser bei der Stange zu halten, behauptet die „NZZ“, die auch zwei Biografien zu Emil Cioran bespricht. Jürgen Todenhöfers Sachbuch „Warum tötest du, Zaid?“ rage aus der Fülle der bisher erschienenen Bücher zum Irak-Krieg heraus, findet die „FAZ“. Und die „SZ“ lobt Gedichte von Raphael Urweider und eine Neuübersetzung eines Romans des Literaturnobelpreisträgers William Faulkner.

„Frankfurter Allgemeine Zeitung“

Die „FAZ“ bespricht Jürgen Todenhöfers Sachbuch „Warum tötest du, Zaid?“. Diese Studie rage aus der Fülle der bisher erschienenen Bücher zum Irak-Krieg heraus. Das Verhältnis zwischen Orient und Okzident erscheine in einer neuen Optik, Klischees und „Gewissheiten bornierter Leitartikel werden über den Haufen geworfen“, meint der Rezensent. Zwar habe man einiges von dem, was Todenhöfer schreibe, ab und an schon gelesen, doch durch die Konzentration der Fakten werde man förmlich in die Zusammenhänge gezwungen. Genötigt werde man, historische, politische und gesellschaftliche Fakten wahrzunehmen. Damit breche der Autor mit der „hochmanipulativen“ Art der Fernsehberichterstattung. Darin liege die „subversive Kraft“ dieses Buches, meint die „FAZ“.

Laut der „FAZ“ schwelgt Charif Majdalani in seinem Debüt „Das Haus in den Orangengärten“ in Erinnerungen „an einen verschwundenen Orient“. Der Autor, Literaturprofessor in Beirut, bediene nicht die westlichen Vorstellungen eines untergegangenen Morgenlandes mit seinen Farben, Düften und Stimmungen. Erzählt werde die Geschichte einer Familie beginnend um „die vorletzte Jahrhundertwende“. Im Mittelpunkt des Romans stehe ein Haus mit einem angrenzenden Orangenhain. Ein Familienclan wohne darin und mit diesem wachsen auch das Haus und der Hain. Der Zerfall dieser Orte stehe als Gleichnis für „familiäre Intrigen und Clan-Fehden“. Leider verliere sich der Autor im letzten Teil der Geschichte „in immer neuen Familienanekdoten“, meint der Kritiker. Allgemein neige die libanesische Gegenwartsliteratur „zum melancholisch sanften Herumstochern in alten Erinnerungen“.

Neue Zürcher Zeitung“

Das „Opus magnum“ Thomas Pynchons rezensiert die „NZZ“. Was unterscheide ein Kultbuch von einem Kultbuch, frage man sich, wenn man Harry Potter mit „Gegen den Tag“ vergleiche. Letzteres verlege man der Sache wegen, ein Gewinn ist nicht zu erwirtschaften. Beginnend mit der Weltausstellung 1893 in Chicago sei der Grundtenor des Buches der „Wissenschaftsglaube, Technologien, die dem kommenden Weltkrieg den Boden bereiten, anarchische und revolutionäre Strömungen“, schreibt Angela Schader von der „NZZ“. Pynchon ziehe „historische Linien“ vom Arbeitskampf der Bergleute in Colorado bis zum Massaker von Ludlow. Dabei werde ein „Chaos der Handlung“ inszeniert und in „kaum durchschaubare Sinnzusammenhänge“ eingebunden. Trotz gelegentlicher Erschöpfungssymptome trage die „Sprachkraft“ wie die „Phantasie des Autors“ über die 1596 Seiten, meint die „NZZ“.

Zwei Porträts des rumänischen Philosophen und Aphoristikers Emil Cioran (1911-1995) bespricht die „NZZ“. Patrice Bollon schildere dessen Bedeutung für die französische Literatur nach dem Zweiten Weltkrieg. Er bette Cioran in zahlreiche historische Fakten ein. Dessen außergewöhnlicher Still stelle ihn als einsame Größe im „französischen Literaturbetrieb“ dar. Bernd Mattheus versuche in der „Präsentation der verschiedenen Positionen Ciorans“ eine „Antwort auf das Dilemma“ seiner Biografie zu finden. Dabei ziehe er publizierte Texte zu rate, in denen Cioran als „extremer Skeptiker und misstrauischer Anti-Utopist erscheint“. Beiden Biografien sei die Schlussfolgerung zu Eigen, dass der Melancholie Ciorans persönliche Dispositionen zu Grunde liegen.

„Süddeutsche Zeitung“

Der Roman „Licht im August“ des Literaturnobelpreisträgers (1949) William Faulkner (1897-1962) ist jetzt in neuer Übersetzung erschienen. In „Light in August“, 1932 erschienen, bringe die ländliche Umgebung Menschen hervor, „die durch ihre Hilflosigkeit berühren und durch ihre Rücksichtslosigkeit erschrecken“, informiert die „SZ“. Die Figuren scheitern im Lauf der Erzählung noch einmal und „gewinnen daraus den Umriss tragischer, mythischer Größe“, „Licht im August“ erhelle eine dunkle Vorwelt. Der Rezensent lobt die Neuübersetzung von Helmut Frielinghaus und Susanne Höbel als „korrekt und sehr gut lesbar“.

Das Buch „Neue deutsche Mädchen“ beginne mit einer vielversprechenden Attacke, meint die „SZ“. Jana Hensel und Elisabeth Raeder, beide um die 30, beschwerten sich über Alice Schwarzer und deren angestaubte Frauenbewegung, die keine Ahnung von den Bedürfnissen der weiblichen Erwerbstätigen habe. Mit ihren eigenen Geschichten wollten die Autorinnen zwei Lebensläufe präsentieren, die der Schwarzer-Feminismus aus den Augen verloren hat. Das Thema Arbeit komme allerdings seltener vor, vielmehr drehe sich viel um die Liebe. Das Buch bleibe merkwürdig „standpunktlos und geschichtsvergessen“, mit neuem Feminismus habe es nicht viel zu tun, bemängelt die Rezensentin.

Joachim Ehlers berichte in einer Biografie vom Leben Heinrichs des Löwen (1129-1195), schreibt die „SZ“. Wer das Buch mit Gewinn und Genuss lesen wolle, sollte gewisse Kenntnisse – etwa ein Grundverständnis des Lehnswesens und der hochmittelalterlichen Kirchenverfassung – mitbringen. Ehlers pflege einen sachlichen Schreibstil, der „auf Farbigkeit weitgehend verzichtet“. Wer sich davon nicht abschrecken lasse, könne der mehrere hundert Seiten starken Biografie durchaus einiges abgewinnen. Die Person Heinrichs des Löwen sei die Mühe in jedem Fall wert.

Die „SZ“ bespricht Gedichte des 1972 in Bern geborenen Raphael Urweider. „Alle deine Namen“ bestehe aus drei Zyklen: Der erste, nur acht Gedichte umfassende Jahreszeiten-Zyklus hänge etwas in der Luft, der zweite hingegen umfasse 26 Gedichte, die 26 Frauen gewidmet seien. Ein wahrer „Reigen, findet der Rezensent, und ein „wagemutiges Unterfangen überdies“. Urweiders Verse blieben immer spielerisch, „quasi locker in den Hüften“. Sie umfassten ihren „Gegenstand aber mit festem Griff“. Der dritte und letzte Zyklus trage den Titel „Selbstversuch“, eine Hommage an allerlei hochprozentige Alkoholika. Dass diese Gedichte nach dem Frauen-Zyklus nicht läppisch wirke, sei Urweiders Verdienst, dem es in einem assoziativen, stark rhythmisierten Stil gelinge, „den Geist dieser Wässerchen aufleuchten zu lassen“. (sat/wip)

Literaturangaben:
BOLLON, PATRICE: Cioran. Der Ketzer. Übersetzt aus dem Französischen von Ferdinand Leopold. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2006. 362 S., 24,80 €.
EHLERS, JOACHIM: Heinrich der Löwe. Eine Biographie. Siedler Verlag, München 2008. 496 S., 24,95 €.
FAULKNER, WILLIAM: Licht im August. Roman. Aus dem Amerikanischen von Helmut Frielinghaus und Susanne Höbel. Mit einem Nachwort von Paul Ingendaay. Rowohlt Verlag, Reinbek 2008. 480 S., 19,90 €.
HENSEL, JANA / RAETHER, ELISABETH: Neue deutsche Mädchen. Rowohlt Verlag, Reinbek 2008. 206 S., 16,90 €.
MAJDALANI, CHARIF: Das Haus in den Orangengärten. Roman. Übersetzt aus dem Französischen von Gennaro Ghirardelli. Albrecht Knaus Verlag, München 2008. 352 S., 19,95 €.
MATTHEUS, BERND: Cioran. Portrait eines radikalen Skeptikers. Verlag Matthes & Seitz, Berlin 2007. 367 S., 28,90 €.
PYNCHON, THOMAS: Gegen den Tag. Übersetzt aus dem Amerikanischen von Nikolaus Stingl und Dirk van Gunsteren. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2008. 1596 S., 29,90 €.
TODENHÖFER, JÜRGEN: Warum tötest du Zaid. C. Bertelsmann Verlag, München 2008. 235 S., 68 Farb- u. S/W- Abb. auf Tafeln, 19,95 €.
URWEIDER, RAPHAEL: Alle deine Namen. Gedichte von Sucht und Sehnsucht. DuMont Literaturverlag, Köln 2008. 56 S., 12,90 €.

Presseschau vom 22. April 2008

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