Urs Widmer: Ein Leben als Zwerg (Roman) |
Urs Widmer: Ein Leben als Zwerg |
Inhaltsangabe:Ich heiße Vigolette alt. Ich bin ein Zwerg. Ich bin acht Zentimeter groß und aus Gummi. Hinten, so etwa im Kreuz, hatte ich einmal ein rundes Etwas aus Metall, und wenn mir jemand, ein Mensch mit seinen Riesenkräften, auf den Gummibauch drückte, pfiff es. Pfiff ich. Das Metallding ist aber längst von mir gefallen, und ich pfeife nicht mehr. (Seite 7)
Mit diesen Worten beginnt Urs Widmer seinen Roman "Ein Leben als Zwerg". Zwerge kommen ohne jedes Wissen zur Welt. Aber wir haben ein Riesenhirn – Millionen Zellen auf zwei drei Kubikzentimetern – und ein absolutes Gedächtnis. Wir vergessen nichts. Nie. So lernen wir rasend schnell [...] Wir hören zu, wenn die Menschen reden, wie, was. Sie sagen einmal Löffel oder Gabel oder Individuationsprozess, und wir haben es in unserem Wortschatz. Wissen sehr bald auch, was gemeint ist. Heute spreche ich fließend Portugiesisch, anders als der groß gewordene Bub, obwohl er das genau gleiche Angebot wie ich hatte. Zwei drei Reisen mit ihm nach Lissabon und durchs Alentejo reichten mir. Mir dröhnt der Kopf vor Jammer, wenn er der Putzfrau, die aus Galizien stammt, klarmachen will, dass sie seine am Boden liegenden Bücher liegenlassen soll. Was für ein Gestammel. Ich brülle dann, akzentfrei, "Teria a bondade de deixar ficar esses livros todos aí no chão, por favor?" vom Regel herunter. Aber natürlich hören sie mich nicht. (Seite 23f)
Dass Zwerge lebendig sind, merken die Menschen nicht, denn sobald sie einen Blick auf einen Zwerg werfen, erstarrt dieser. Wenn Zwerge allerdings unbeobachtet sind, klettern sie flink herum oder rücken in "Zottelkolonnen" zur Erforschung ihrer Umwelt aus. Das geschieht vor allem nachts, wenn die Menschen schlafen. Dann droht den Zwergen allerdings Gefahr von Haustieren, etwa von Hunden und Katzen oder von dem Fenek, den Papi einmal mit nach Hause brachte. Kein Zwerg hat je getan, was Uti [...] tat. Stundenlang auf die Tasten der Schreibmaschine einschlagen, das Papier aus der Walze reißen, es zerknüllen, ein neues einspannen. (Seite 136)
Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
Zwerge werden weder geboren noch sterben sie, aber sie zerbröseln im Lauf der Zeit. Vigolette sah schon recht mitgenommen aus, als er einen anderen Zwerg wiedersah, der auch einmal zu den Spielsachen von Uti und Nana gehört hatte und inzwischen im Obergeschoss lebte: Dunkelblöe. Die beiden immer noch wissbegierigen Zwerge entdeckten das Fernsehen und zappten sich nachts, wenn Uti, Isabelle und das Kind schliefen, durch die Kanäle, wobei sie darauf achteten, den Ton leise zu halten, um die Menschen nicht aufzuwecken. |
Buchbesprechung:
In dem skurrilen Roman "Ein Leben als Zwerg" lässt Urs Widmer einen Gummi-Zwerg als Ich-Erzähler zu Wort kommen. Der erinnert sich, wie er von Uti – einer Figur, die leicht als Urs Widmer zu erkennen ist – in einem Spielzeugladen ausgesucht wurde. Als Uti größer geworden war, begleitete er ihn auf seinen Reisen, und in den letzten Jahren stand er auf einem Regalbrett in Utis Arbeitszimmer und sah dem älter werdenden Schriftsteller bei der Arbeit zu –
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2008
Urs Widmer (Kurzbiografie) |