Mit sparsamen Mitteln intensive Wirkung – Zur Werkausgabe von Walter Helmut Fritz
Ein Leben lang hat sich der Dichter Walter Helmut Fritz an dem Einfachen abgearbeitet, das bekanntlich besonders schwer zu machen ist, hat er auf die abhanden kommende Stille gehört und ihr die Klänge seiner Gedichte abgewonnen. Mit den Jahren gelang es ihm mehr und mehr, die besonderen Eigenschaften seiner Verse, die mit Adjektiven wie leise, zurückhaltend ...
Bitte nicht verwechseln - Zwei neue Anthologien widmen sich den Aphorismen der Weltliteratur
Binnen eines halben Jahres erschienen zwei auf den ersten Blick sehr ähnliche Anthologien: beide um die 400 Seiten stark, gebunden, dasselbe Format und nahezu identische Titel. Im September 2008 veröffentlichten Simone Frieling und Dieter Lamping „Aphorismen der Weltliteratur aus 500 Jahren“ (Anaconda Verlag). Im März 2009 folgte Friedemann Spicker mit der zweiten, erweiterten und aktualisierten Auflage seiner erstmals 1999 publizierten Sammlung „Aphorismen der Weltliteratur“ (Reclam)...
Ein Zukunftsroman, dem die Gegenwart hart auf die Pelle rückt – „Der Kryptograph“ von Tobias Hill
Der Steuerfahnderin Anna Moore wird ein besonderer Fall zugeteilt: John Law ist der Erfinder einer elektronischen Währung mit dem Namen Soft Gold. Dadurch ist er zum reichsten Mann der Welt geworden. An ihn heranzukommen ist keineswegs einfach, ganz im Gegenteil, er hüllt sich in einen Mantel der Unnahbarkeit, kaum ein Foto von ihm ist der Öffentlichkeit bekannt. Dennoch...
Die Begehung der Welt auf eigener Route – Ludwig Steinherr auf Kometenjagd
Die Spannung, aus der heraus Gedichte erzeugt werden, ist die Aufladung in den intrapersonalen Fragestellungen. Bei dem einen sind genau jene Begriffe aufgeladen und elektrisieren sich, die bei dem anderen noch links in der Ecke liegen. Dem einen geht es um Gott und die Welt und dem anderen um Ausschaltung des Sinns (des alltäglichen, herkömmlichen, des verallgemeinerten oder überhaupt jeglichen Sinns). Um mehr geht es eigentlich nicht...
Böhm - oder wie er die Welt sieht - Thomas Klupps rasantes Debüt "Paradiso"
Die Erzählung startet unvermittelt in einer alltäglichen Situation: Ein junger Drehbuchstudent, Alex Böhm, steht bei glühender Hitze an einer Tankstelle bei Potsdam und wartet auf seine Mitfahrgelegenheit, die ihn nach München bringen soll. Von dort aus will er am nächsten Morgen mit seiner Freundin Johanna nach Portugal fliegen. Alex entscheidet sich jedoch ganz anders...
Ein Gegenentwurf zum Vernunftmenschen – Michael Kohtes über Glücksspieler und Spielerglück
Im alten Rom wurde geradezu entfesselt der Spielleidenschaft gefrönt. Das Mittelalter verteufelte den Spieler, der dem Zufall verfallen war und damit Gottes Allmacht herausforderte. Und in der Gegenwart werden Spielernaturen zu Süchtigen erklärt. Michael Kohtes' Essay forscht den Glücksspielern und dem Spielerglück nach...
Das Korsett der Glückseligkeit – Lebenszeichen von Johannes Jansen
Abseitig stehende Beobachter haben es in der heutigen Literaturszene nicht leicht. Entweder entscheiden Sie sich dafür, in beinahe gängigem Ton zu schreiben und nehmen dadurch der Dringlichkeit Schärfe, oder sie fallen fast gänzlich aus der öffentlichen Wahrnehmung. Der 1966 in Ost-Berlin geborene Johannes Jansen, aufgewachsen u.a. in Leipzig und Pankow, hat es geschafft, über Jahre kontinuierlich...
Der wilde Europäer - ein lebendiges Porträt Adelbert von Chamissos und seiner Zeit
Die Literaturkritikerin und Autorin Beatrix Langner hat dem ungewöhnlichen Dichter, exzellenten Botaniker, Sprachwissenschaftler und Ethnologen Adelbert von Chamisso eine Biografie gewidmet. Sie beschreibt den Weltreisenden als Menschen, der sich ruhelos zwischen den Grenzen und Kulturen bewegte, als vaterlandslosen "wilden" Europäer...
Unprätentiose Bilanzen - Autobiographische Aufsätze von Andreas Okopenko
Okopenkos autobiografischer Band beginnt mit einer Reminiszenz an die Figur des Vaters, der als hochrangiger ukrainischer Militär, Arzt, Philanthrop und schillernder Ostmitteleuropäer in seiner fast einhundertjährigen Existenz Kriege, Vertreibungen, Grenzverschiebungen und politische Umbrüche er- und überlebte, um schließlich im Moskauer Exil zu sterben...
Gegenwart, die andernorts fehlt – Axel Kutsch wirft einen Blick auf die deutschsprachige Lyrik
Es geht da um viel Pippikram: ob einer einen Freund hat in einer Literaturpreis-Jury (und nur so zu den verliehenen Weihen kommt) und ob einer eine website in schlechter Erinnerung hat, weil er mit seinen Texten dort abgeblitzt ist und er diesen Platz deshalb aus der Ferne und immerhin dann anders betrachtet ...das ist der Stoff aus dem die Lyrikdiskussion heute ist. Eine wirklich fundierte Auseinandersetzung über die Lyrik der Gegenwart loszustoßen gelingt selten...
Selbstironisches Lästermaul – neue Geschichten von Joseph von Westphalen
„Am Rande des Literaturbetriebs, abseits der Tröge der Kulturförderung und des Preisvergabegemauschels lungert der Lohnschreiber herum und findet sein Auskommen.“ Und er erkennt, weil ihm die Hochkultur vergällt ist: „Wer für Geld schreibt, bekommt keine Literaturpreise. Wer keine Literaturpreise bekommt, muß für Geld schreiben.“ Naheliegend, dass ein Autor mit derart unambitioniertem Berufsverständnis prädestiniert ist...
In Wien liegt meine Seele begraben... Neuauflage eines Tagebuchs von Hilde Spiel
Auch Heimat will gelernt sein – das ist die bitter-wehmütige Lektion für Hilde Spiel, als sie 1946 nach Wien reist. Zum ersten Mal kehrt sie heim, nachdem sie 1936 ins Londoner Exil flüchtete: als Kriegs-Korrespondentin des "New Statesman" und in britischer Militäruniform. Nun müsse sie alles von neuem lernen, erkennt die Fünfunddreißigjährige, überwältigt von der Übermacht des fremd Vertrauten: vom kalten, muffigen Steingeruch der Wiener Stiegenhäuser...
Überdosis Eleganz - "Hôtel des Étrangers" versammelt Gedichte von Joachim Sartorius
Viele gute Gedichte zu kennen, solche sogar mit editorischem Enthusiasmus und literarischer Kompetenz ans Licht der Öffentlichkeit zu heben, kann für einen Lyriker mitunter auch hilfreich sein, um selber Brauchbares zustande zu bringen. Immerhin hat sich Joachim Sartorius schon als Herausgeber der deutschen Werkausgaben von Malcolm Lowry und William C. Williams sowie mehrerer Poesie-Anthologien verdient gemacht...
Akrobat schööön - dem Reiz von 100 Gedichten auf der Spur
Akrobat schöööön - wer bei diesen Worten den in ein wurstähnliches Kostüm gekleideten Charlie Rivel vor sich sieht, wie er in der Manege einem "Freiwilligen" einen Plastikfisch über den Kopf schlägt, sollte aus aktuellem Anlass umdenken, präsentiert doch der Poetenladen, nahezu zeitgleich mit der 7. Ausgabe seines Literaturmagazins, eine Neuerscheinung, die es auf sprachwandlerischem Gebiet...
Memoiren als Einübung in die seltene Kunst der Demut – Franz Schuh interviewt sich selbst
Der bekennende TV-Konsument, Trash-Fan, virtuose Kulturkritiker (und was sonst noch an Prädikaten zutrifft) hat mit dieser Autobiografie lange auf sich warten lassen. Und da es sich um keinen Geringeren als Franz Schuh handelt, verweigert er sich der kanonischen Form des chronologischen Erzählens samt dem obsoleten Wahrhaftigkeitsanspruch, um auf originelle, wenngleich nicht neue Art mit seiner Person bekannt zu machen...
Offene Hand bei offenem Auge – Gedichte von Markus Waldura
Landschaft, offene Hand – das klingt einladend, klingt (auch seine geistige Landschaft) anbietend, klingt zugleich jedoch auch (Interesse und Augenmerk) einfordernd. Dabei macht es Waldura dem Leser zunächst und zumeist leicht, ihm in seine Gedichte zu folgen, denn auf den ersten Blick handelt es sich bei vielen Gedichten des Bandes um Naturbetrachtungen, um...
Ob der liebe Gott tatsächlich lieb ist? – fragt nicht nur Walter Wippersberg
„Den Gott, an den ich nicht glaube, gibt es natürlich.“ So beginnt Walter Wippersberg sein Buch über den biblischen Gott, von dem behauptet wird, er habe den Himmel und die Erde sowie die Menschen erschaffen. Von den Schöpfungsmythen abgesehen, beginnt die Geschichte, mit dem Aramäer Abraham, der in der mittleren Bronzezeit als Nomade im südlichen Mesopotamien gelebt hat...
Es macht Gänsehaut und bleibt in uns vorhanden – neue Gedichte von Jan Erik Vold
Der 1939 geborene Jan Erik Vold ist in Norwegen eine Institution – beinahe das lyrische Gewissen der Nation. Er spart nicht mit Kritik was die Gesellschaft und auch den Literaturbetrieb angeht, nimmt nirgends ein Blatt vor den Mund (wie hier so mancher: aus Angst es sich mit der nächsten Literaturpreisjury zu versauen). Sein Werk ist mit zwanzig, teils umfangreichen Gedichtbänden...
Geprügelte Sprache und schlechte Gedichte – Norbert Sternmut sucht „Fadenwürde“
Der Titel ist eine assoziative Verknüpfung von Bob Dylans Song „Dignity“ und dem Gedicht „Fadensonnen“ von Paul Celan. Norbert Sternmut will es so verstanden wissen: „Die Würde am Faden, am seidenen womöglich – auch am roten.“ Da wär es doch gewesen: Die Würde am Faden – aber „Fadenwürde“? Das Bild sucht nach Inhalt und findet nichts Brauchbares...
Zum 25. Todestag von Truman S. Capote – Gedenken an einen Schonungslosen
Mit seinen Berichten und Reportagen aus der Parallelwelt der Gutbetuchten hat sich Truman Capote ebenso viele Freunde wie Feinde gemacht. Er verstand es wie kein anderer, den Schönen und Reichen lange genug den Honig um den Bart zu schmieren, um an die gewünschten Informationen zu gelangen. Und zugleich nahm er kein Blatt vor den Mund, wenn es anschließend darum ging, diese bestmöglich zu verwerten...
weitere Beiträge: