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Andrea Winkler: Drei, vier Töne, nicht mehr.

Elf Rufe Wien: Zsolnay Verlag, 2010.
159 S.; geb.; EUR 14,90.
ISBN 978-3-552-05500-1.

Link zur Leseprobe

Die chromatische Tonskala besteht aus zwölf Tönen. Elf Zwischenräume bilden den Abstand zwischen den zwölf Tönen. Zwölf Klangereignisse, elf Tonabstände, zwölf Begegnungen, elf Rufe. Elf Versuche, zwei verklungene Töne zueinander in Beziehung zu setzen, das Intervall dieser Begegnung zu bestimmen, scheitern. Nur nacheinander – ein Anstimmen des zweiten erst nach Verklingen des ersten – lassen die Töne sich formen.

Elfmal setzt Andrea Winkler an, die Erinnerung an einen geliebten Menschen wachzurufen, sich und ihn vor dem Vergessen zu bewahren, und elfmal ist es nur die Leere, das Intervall zwischen den Tönen, der Abstand zwischen zwei Menschen, den sie wachruft als Reflex auf die Einsamkeit, die nur schwer zu ertragen ist. Der Verlust des geliebten Menschen, dem sie sich zunächst zaghaft, distanziert, dann immer unmittelbarer annähert, ist der Verlust der Zugehörigkeit, der Verlust der geschützten Heimstatt, die sie mit ihrem Geliebten bezogen hat und die durch einen Einbruch zerstört worden ist, ebenso wie das Vertrauen ineinander.
"Einen Abschied auf der Schwelle, der nicht stattfand, ein Leben das seither durch Ritzen schimmert, zwei, die fliehen, und immer woandershin, zurück, die Treppe hinauf, aufs Fensterbrett, hinter die Ziegel, die Grenze zum Schein." (S. 72.)
Der Erschütterung dieser Verletzung baut sie ein Floß aus einer überaus bilderreichen, musikalisch-rhythmischen Sprache, die in ihrem Umkreisen dieser beiden Menschen einen Sog entwickelt, und der sich die dicht gesponnene Motivik nicht entziehen kann. Episode für Episode werden Motive, Bilder, Metaphern weitergereicht, angereichert, dicht vernetzt und am Ende in einer großen Stretta enggeführt. Andrea Winkler weist nicht nur jedem Kapitel eine Hintergrundfarbe zu und stellt einen Satz, aus der Mitte der Episode entnommen, als Incipit den jeweiligen Kapiteln voran, sie entwickelt eine immanente Dramaturgie, die Inhaltliches über Formales abbildet, und manche subtil verborgene literarische Bezüge offenlegt. Nur die letzte Episode klingt ohne eine Wiederholung dieser Introduktion aus.

In der titelgebenden zweiten Episode formt die Ich-Erzählerin den geliebten Menschen zum Löwen, zum Kettenzerreißer, der nur von oben herab, aus dem Fenster, auf sie blicken kann, dessen Kraft sie sich jedoch nicht entziehen kann. Immer wieder werden dieselben Motive umkreist, immer wieder werden sie neu beleuchtet, neu belichtet, weitergeführt, zusammengeführt, eine Zusammenführung, die die Welt kleiner, den Blick enger macht. Der Löwe wird zu Stein, die eine rosengesäumte Freitreppe in ihr Palais Hinauflaufende verschwindet hinter Stoffen und Figuren, Wellen und Schatten. Beide, der Löwe aus Stein und die Figur aus wehenden Stoffen streben, auf derselben Brücke stehend, in die jeweils andere Richtung. Woandershin. Nachdem sie in der fünfte Episode erstmals den Verlust direkt benennen kann und sie ihn als auf dem Fensterbrett sitzend, mit dem Rücken zu ihr, erlebt, bleibt am Ende nur mehr die Erinnerung, das Bild einer Schaukel. Das Buch, in dem er sie gelesen hat, verschwindet am Ende genauso wie der Brief, den sie nie bekommen hat, ganz langsam, gefaltet zu einem Blatt, "mit gelben und orangen Mänteln (falls es zu regnen beginnt)". (S. 159)

Es sind kleine Gesten, Bewegungen, die Andrea Winkler mit sprachlicher Präzision zu beschreiben vermag. Dabei ist ihre Sprache wandelbar, bilderreich und anschmiegsam. Was bleibt? "für M ein Gruß von M" (S. 103), "nichts als ein Bild für mich, um den an sich zu erinnern, der mich gar nicht gemeint hat" (S. 117), "nichts als ein Ton, ein Klang, ein Wirbel zwischen Zug und Schiff" (S. 123).

 

Eva Stöckler
18. März 2010

Originalbeitrag

Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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