• Lustvolle Lesestoerung

    Im Sommer 1980, also nur zwei Jahre vor dem Summer of Pop, bin ich in die BRD eingewandert. Deutsch lernen: Kein Problem. Als Kind ist man anpassungsfaehig. Deutsch lesen: Keine Zeit. Jules Verne, James Fenimore Cooper, Robert Lewis Stevenson verspeiste ich im Comic-Format – ohne die Sprechblasen zu lesen. (Meine Lieblingscomics waren Die blauen Panther und Leutnant Blueberry.) Im Comic-Antiquariat wurde ich bald auch auf Maennermagazine aufmerksam. Playboy vom Vorjahr: Billiger als im Laden; Retro-Aesthetik lernte ich spaeter schaetzen. Selbst Kreuzwortraetsel interessierten mich nur dann, wenn vorne pralle Bildchen leuchteten, ich konnte sowas bisweilen nur heimlich geniessen und so verbrachte ich einmal die Sommerferien auf Pellworm im Graben. weiterlesen »

  • Globalisierungskritik, wie weiter? Antwort #20

    Ob Heiligendamm tatsaechlich einen gravierenden Einschnitt darstellt, erscheint fraglich – und ist vielleicht auch gar nicht so wichtig. Die Ereignisse um den G8-Gipfel stellen eher eine weitere, relativ konsequent verfolgte Etappe in der Modernisierung und Professionalisierung der Proteste dar. Mit Blick auf eine gewisse Konkurrenzsituation zwischen etablierten und Protest-Medien, die bisher stets um die Errichtung einer alternativen Oeffentlichkeit bemueht waren, scheint es an der Zeit, die bisherigen Strategien zur Aufmerksamkeitsgewinnung vor Ort bzw. in den Medien zu ueberdenken. weiterlesen »

  • Ein Dosenfisch stuerzt sich lachend ins offene Meer

    Vier Tage ist es her, da habe ich mich von allem verabschiedet was mein bisheriges Leben ausgemacht hat. Was bleibt einem, wenn man alles hinter sich laesst? Nicht viel, nur der Koffer und natuerlich man selbst. Nur ist das Selbst hier irgendwie anders. Es bleiben Erinnerungen, verklaert zwar, aber festgehalten, in Fotodateien auf dem Laptop. Doch wie wenig, wie unzureichend ist das. Es gibt hier keine Strassenecken, die mir bekannt sind. Ich habe hier kein Zimmer in dem meine Moebel stehen. Keines meiner Bilder haengt hier an den Waenden und fluestert mir etwas zu. Und vor allem gibt es hier keine vertrauten Gesichter. Es ist ein Neuanfang. Bei Null. Es ist Super! weiterlesen »

  • Asien veraendert alles

    Fuer alle, die es noch nicht wussten: Nicht nur die Chinesen sind auf dem Vormarsch, um die Welt zu veraendern, sondern auch Chinesinnen, Koreanerinnen, Vietnamesinnen, Malaysierinnen, Indonesierinnen und Kambodschanerinnen. Daran erinnerte waehrend der ansonsten eher Wirtschaftslastigen Asien-Pazifik-Wochen ein neu lanciertes “Asien Women’s Film Festival” mit aktuellen Filmproduktionen zu globalen Fragen, gesellschaftlichen Transformations- prozessen und dem taeglichen Ueberleben – aus der Perspektive von Frauen aus Asien. Und die von der kuenstlerischen Leiterin des Festivals Sun-ju Choi ausgesprochen klug ausgewaehlten Filme haben deutlich gezeigt: Ein Umdenken ueber Asien ist angesagt. weiterlesen »

  • Weltbuergerlichkeit

    Nach 100 Seiten: Ryszard Kapuscinskis Buch “Notizen eines Weltbuergers” machen mich zunehmend zwiespaeltiger. War ich anfangs noch angeregt und erfreut ueber die an erlebten Einzelheiten reichen Kleinerzaehlungen aus Weltteilen hinter dem US/EU-Limes; so wird dieser Genuss zunehmend ueberlagert von ueberraschend einfaeltigen und unhintergruendigen Denkfiguren, mit denen er diese vielen Erfahrungen in – oft dichotom, linear-progressiv oder linear-dissiminativ gedachte – Theorieansaetze ueberfuehrt. weiterlesen »

  • Wettbewerb: T-Shirt fuer Kultur-Moped, zweite Runde!

    An dieser Stelle wuerde ich gerne den Gewinner des Wettbewerbs T-Shirt fuer Kultur-Moped bekannt geben (besten Dank nochmal fuer die Erinnerung, dass im Ruhrgebiet Dinge, deren Bezeichnung einem nicht einfaellt, “Mopeds” sind, das ist zwar lustig, langt aber nicht und war ganz ueberhaupt sowieso zu spaet!). Derjenige bekaeme feierlich sein T-Shirt ausgehaendigt, ab dem heutigen Tage wuerde jeder diesen neuen, lebendigen, runden, einfach nur griffigen Begriff benutzen, der unselige “Kulturschaffende” wuerde offiziell mit Wirksamkeit des heutigen Datums abgeschafft und an seiner Statt das neue Kultur-Moped am Zenit des Kulturbetriebes erstrahlen. So hatte ich mir das gedacht. weiterlesen »

  • Die Zukunft anschnorren

    Das alte kapitalistische Sprichwort Zeit ist Geld ist nie zutreffender gewesen als heute. Allerdings ist die Zeit, von der da die Rede ist, die zukuenftige und nicht die jetzige. In unserer postmodernen Zeit ist es die Zukunft, die zaehlt. Sie ist allerdings keine, die wir uns selbst durch Hoffnungen und Kaempfe geschaffen haben, sondern eine Zukunft des Konsums, in der wir erst konsumieren und spaeter den Preis dafuer bezahlen. weiterlesen »

  • Ich kann nicht lesen

    Mein Name ist Magdalena und ich kann nicht lesen. Ich kann keine Noten lesen, um genau zu sein. So wuerde ich mich vorstellen, wenn es die anonymen Noten-Analphabeten gaebe. Sie werden sich jetzt sicher denken, ist doch nicht schlimm, wer kann schon Noten lesen?. Nun ja, die anderen 150 Leute, mit denen ich im Chor singe, koennen es zum Beispiel. Seit einem Jahr bin ich schon dabei; aufgenommen wurde ich vom Dirigenten nur unter dem Vorbehalt, dass ich am Noten lesen noch arbeite. Gesagt, nichts getan. Ich schummle mich einfach durch die Proben und hoffe, dass niemand meinen Analphabetismus entdeckt. weiterlesen »

  • Wir sind blind

    Oder sollte es heissen: Wir sollten blind werden? Marcus Steinweg, Deutschlands juengster Philosophie-Star und Berliner Gazette-Autor spricht von der Wahrheitsberuehrung, also davon, dass man die Wahrheit zwar nicht greifen und besitzen, wohl aber ertasten kann, mit dem feinsten uns zur Verfuegung stehenden Sensorium: dem Tastsinn. Was anderes sagt er damit, als dass wir blind seien? Also nicht sehen koennen, was auch gut ist, denn: seeing is believing. Und glauben ist doch gestern, Mittelalter, da soll es ja zumindest hin, heute wollen wir Wahrheit. Wir, die wir blind sind und nicht glauben wollen. weiterlesen »

  • Globalisierungskritik, wie weiter? Antwort #19

    Grosse Teile der Medien und der offiziellen Politik wurden die letzten Jahre nicht muede zu betonen, die globalisierungs- kritische Bewegung laufe aus: die grossen Schlachten waeren laengst geschlagen (und verloren), die grossen Buecher waeren laengst geschrieben (und wieder vergessen), das Establishment habe (wieder einmal) den laengeren Atem gehabt. Der ehemals naive, weil zu radikale Protest, so wurde suggeriert, wurde institutionalisiert und pragmatisiert – und siehe an, diese jungen Menschen sind keine solchen Wirrkoepfe, zum Teil sagen die ganz schlaue Sachen und das mit den unterbezahlten Praktika ist wirklich eine Sauerei. weiterlesen »

  • Tommy im Jugoland

    Tommy will Ingenieur werden. Und das geht besser, wenn man vorher noch ein bisschen Krieg gespielt und frueh aufzustehen gelernt hat. Zumindest, wenn es nach seinen Eltern geht. Wenn es nach Tommy geht, geht das mit dem Disziplinlernen so: Man wird UN-Soldat und “Runter geht’s ins Jugoland / Schnappst dir dort ein Weib / Rein mit deinem dicken, fetten, grossen Schwanz / Bis sie schliesslich schreit.” weiterlesen »

  • Zurueck zu Anna

    Tolstoj war mir schon laenger als schwierige Lektuere bekannt. Traurigerweise nicht zuletzt dank der Klitschko-Brueder in der Milchschnitte-Werbung. Wie schoen, dass man da manchmal falsch liegt und echt ueberrascht wird: so im Rahmen eines meiner Seminare an der Uni. In der Seminarankuendigung war ich von 1200 Seiten eher weniger begeistert, wurde aber komplett ueberrascht: Wir lasen Anna Karenina und ich war nach kurzer Zeit Feuer und Flamme. Ein Roman, den man geradezu verschlingt und gar nicht mehr weglegen will. weiterlesen »