Glarean Magazin

Vier Gedichte von Matthias Berger

Posted in Literatur, Lyrik, Matthias Berger, Neue Lyrik, Schweizer Literatur by Walter Eigenmann on 31. August 2015

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schiebt,
schiebt sich mir zu.

zieht,
zieht,
entzieht sich mir.

schillerndes schieben,
gurgelndes ziehen.

etwas
bedarf meiner nicht,
ferner als ich:
sinai.

dornbusch,
zypresse
und gischt.

riecht doch
nach mir.

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Erste Ode an den Klinikpetrus

Du
wagst ja
keinen Schritt vor die Tür.

Fürchtest
jedes Wellenspiel des Lebens.

Aber dein Herz
ist rein
wie bester kubanischer Tabak!

Nur du,
– nur du –
liebtest
die Multi-
morbide.
Wie hiess sie doch?
Die mit den asiatischen Augen…

Mit deinen Tränen um sie
salbt ER
seine müden Füsse,

und
auf Menschen wie dir
baut ER seine Kirche.

Dein unablässiger Rauch
ist IHM würdig und recht.

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kommunion
(für Paul Celan)

einmal
da traf ich ihn

da mahlte er
das korn des zweifels
das ich
aus den ähren
der gewissheit
geklaubt hatte

dann buk er
das wundbrot
brach es
und gab mir

einmal
da traf ich ihn

da presste er
die trauben der bitternis
die ich
vom weinstock
der gemeinschaft
geschnitten hatte

dann kelterte er
den schmerzwein
nahm den kelch
und gab mir

(Inspiriert von „Einmal“, Paul Celan, Atemwende 1967)

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Zweite Ode an den Klinikpetrus

Ich fürchte den Tod
– sagst du.

Aber
es war doch das Leben,
das dich gegürtet
und dich geführt,
wohin du nicht wolltest!

Den Tod sollst du
nicht fürchten.
Für dich
ist er
ein grobschlächtiger Engel.
Er umfängt dich
mit seinen Flügeln
aus geschlissenem Loden.

Sein Heiligenschein:
Das Glimmen
der stinkenden Zigarre
im zahnlosen Mund.

Furchtlos
wirst du ihm folgen
ins rauchverhangene
Paradies.

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Matthias Berger

Geb. 1961, aufgewachsen bei Bern, Studium der evang.-ref. Theologie in Bern und Nairobi, acht Jahre Gemeinde-Pfarramt, 4 Jahre Psychiatrieseelsorge, seit 2002 Gefängnis- und Spitalseelsorger im Kanton Zürich, schreibt Lyrik, Theaterstücke und Kunstwissenschaftliches, lebt in Zürich

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Klaus Merz: «Unerwarteter Verlauf» (Gedichte)

Posted in Buch-Rezension, Glarean Magazin, Klaus Merz, Literatur, Literatur-Rezensionen, Lyrik, Rezensionen, Susanne Rasser by Walter Eigenmann on 30. Oktober 2014

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Lyrik vom Feinsten

Susanne Rasser

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Klaus Merz - Gedichte - Haymon - CoverIn wenigen Worten alles sagen, aufs Wesentliche konzentriert. Fokussiert. Unaufgeregt. Nah bei sich. Nah an den Menschen. Doch dabei immer auf jenen Abstand bedacht, der Freiraum bietet, der ein Miteinander erst möglich macht.
Dem Schweizer Autor Klaus Merz gelingt genau das. Seit vielen Jahren schon. Und er stellt es mit seinem Lyrikband «Unerwarteter Verlauf» erneut unter Beweis, dass er ein Meister der punktgenauen Schnörkellosigkeit ist.

Literatur - Klaus Merz - Haymon

Klaus Merz (* 1945 in Aarau/CH)

Der aus dem schweizerische Aarau stammende und in Unterkulm lebende Lyriker und Prosaschriftsteller gehört zu den Längst-Etablierten, erhielt zahlreiche Auszeichnungen, zuletzt den Basler Lyrikpreis und den Friedrich-Hölderlin-Preis (beide 2012). Zudem ehrt der Innsbrucker Haymon Verlag seinen Hausautor mit einer Werkausgabe, die seit 2011 im Halbjahresrhythmus erscheint und insgesamt sieben Bände umfassen soll.

Fazit-Rezensionen_Glarean Magazin

Der Schweizer Autor Klaus Merz stellt es mit seinem Lyrikband «Unerwarteter Verlauf» erneut unter Beweis, dass er ein Meister der punktgenauen Schnörkellosigkeit ist.

Klaus Merz gehört zu den bedächtigen, sehr gesetzten Autoren. Das Laute, Aufgebauschte ist seine Sache nicht. Und weil das Sich-Vergewissern etwas mit Gewissen zu tun hat, schaut er sehr genau hin, sortiert mit Bedacht und setzt auf ein menschliches Maß.
Merz gewährt uns mit seiner Lyrik Einblick in eine Welt, die frei ist von Trubel, Kraftmeierei und Trendgeschrei:
Wir drücken die Stirn / ans Fensterglas und / spenden leise Applaus.

Klaus Merz: Unerwarteter Verlauf – Gedichte, mit Vignetten von Heinz Egger, 80 Seiten, Haymon Verlag, ISBN 978-3-7099-7093-5

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Susanne Rasser - Glarean MagazinSusanne Rasser

Geb. 1965, lebt als Autorin von Lyrik, Erzählungen und Drehbüchern in Rauris/A

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Clara Paul (Hrsg): «Gedichte, die glücklich machen»

Posted in Bernd Giehl, Buch-Rezension, Clara Paul, Glarean Magazin, Literatur, Literatur-Rezensionen, Lyrik, Rezensionen by Walter Eigenmann on 29. März 2014

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Lyrik – von einer gewissen Leichtigkeit

Bernd Giehl

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Gedichte die glücklich machen - Insel Verlag - CoverNein, ich werde jetzt nicht in die Diskussion einsteigen, was «Glück» eigentlich ist. Und wie man es findet. Wenn ich mich darauf einließe, müsste ich entweder einen philosophischen Aufsatz von mindestens 20 Seiten schreiben, oder ich würde auf dem Niveau der Ratgeberliteratur landen.
Dennoch, die Frage ist nicht von der Hand zu weisen: Gibt es «Gedichte, die glücklich machen?» Der Titel des Buches erinnert mich an ein anderes Buch, ebenfalls aus dem Insel-Verlag mit dem schlichten Titel «Die Romantherapie – 253 Bücher für ein besseres Leben» (6. Auflage 2013) Dort kann der geneigte Leser Tipps zur Bekämpfung jeder Art von Leiden finden, die man sich zuziehen kann, seien es Zahnschmerzen oder eine unerwiderte Liebe. Das Buch enthält Kurzfassungen von Romanen, die angeblich einen besseren Umgang mit jeder Art von negativen Gefühlen ermöglichen sollen. Wenn’s hilft…
Womöglich muss man den Titel also mit einem Augenzwinkern lesen. Und im übrigen ist das Wort «Glück» natürlich auch ungemein verkaufsfördernd, denn wer, bitte, braucht schon «Anleitungen zum Unglücklich sein»? Das können wir doch ganz allein und ohne Anleitung durch einen anderen. Was ja noch nicht heißt, dass die anderen nicht gern das ihre dazu tun. – Mein Gott, sind wir heute wieder misanthropisch. Also schnell mal einen Blick in die «Gedichte, die glücklich machen» werfen.
Eingeleitet wird der Band von einem Gedicht von Joachim Ringelnatz: «Morgenwonne: Ich bin so knallvergnügt erwacht. / Ich klatsche meine Hüften. / Das Wasser lockt. Die Seife lacht, Es dürstet mich nach Lüften. // Ein schmuckes Laken macht einen Knicks / Und gratuliert mir zum Baden. / Zwei schwarze Schuhe in blankem Wichs / Betiteln mich ‚Euer Gnaden‘. // Aus meiner tiefsten Seele zieht / Mit Nasenflügelbeben / Ein ungeheurer Appetit / nach Frühstück und nach Leben.»
So einfach is das Glück also zu finden. Nur muss man dazu auch bereit sein. Ein gelungener Einstieg, wie ich finde. Leicht, frech, ironisch; warum nicht.

Einen anderen Ton, wenn auch ähnlich frech hat Wolf Biermanns «Lied vom donnernden Leben: Das kann doch nicht alles gewesen sein / Das bißchen Sonntag und Kinderschrein /das muß doch noch irgendwo hin gehn / hin gehn // Die Überstunden, das bißchen Kies / und aabns inner Glotze das Paradies / da in kann ich doch keinen Sinn sehn / Sinn sehn… / Das soll nun alles gewesn sein / Das bißchen Fußball und Führerschein / das war nun das donnernde Leebn / Leebn. // Ich will noch ‘n bißchen was Blaues sehn / und will noch paar eckige Runden drehn / und dann erst den Löffel abgebn / eebn.»
Das Gefühl kennt man. Nicht dass es glücklich macht. Aber vielleicht hilft’s ja, wenn man weiß, dass andere es teilen.

So könnte ich fortfahren. Viele Gedichte sind dabei, die ich kenne. Natürlich dürfen Hermann Hesses «Stufen» nicht fehlen, ebensowenig Joseph von Eichendorffs «Mondnacht» («…und meine Seele spannte / Weit ihre Flügel aus».) Ebensowenig Rilkes schönes Gedicht aus dem «Mönchischen Leben»: «Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen».
Natürlich vermisse ich auch das eine oder andere Gedicht, das ich – wäre ich der Herausgeber – ganz sicher mit in die Sammlung hineingepackt hätte (z.B. «Du Nachbar Gott» vom schon erwähnten Rainer Maria Rilke, oder das eine oder andere Gedicht von Sarah Kirsch – bei der nächsten Ausgabe bitte unbedingt an «Im Juni» denken, und der «Meropsvogel» darf auch auf keinen Fall noch einmal fehlen) – aber wie gesagt: Sie haben mich ja nicht gefragt, und das haben Sie jetzt davon!
Aber Scherz beiseite: Wahrscheinlich hat jeder, der Gedichte liebt, seine ganz eigenen Gedichte, die ihm (oder ihr – ich bitte um Verzeihung, wenn ich das nicht immer mitschreibe), die also der verehrten Leserin oder dem geschätzten Leser ein Lächeln auf die Lippen zaubern.

Fazit-Rezensionen_Glarean Magazin

Nach längerem Lesen in Clara Pauls Buch “Gedichte, die glücklich machen” muss ich meiner Skepsis, ob es so etwas wie Gedichte gibt, die (mich) glücklich machen, also doch Lebewohl sagen. Und so sage auch ich «Vielen Dank» – an wen auch immer: Die Dichter, die diese schönen Gedichte geschrieben haben; die Situationen, aus denen heraus sie entstanden, die Umstände, die sie ermöglichten – oder die sonderbaren Gehirne, die vielleicht nicht immer alltagstauglich waren, dafür aber wunderschöne kleine und große Kunstwerke hervorgebracht haben.

Natürlich haben all die ausgewählten Gedichte eine gewisse Leichtigkeit. Und natürlich kann man von einen solchen Band keine schwer verrätselten oder hermetischen Gedichte erwarten. Manche Namen setzen einen aber dennoch – oder gerade deswegen – in Erstaunen: Paul Celan z.B. oder Rose Ausländer. Und manche Autoren, die man zwar dem Namen nach kannte, von denen man aber noch wenig gelesen hat, lassen den Wunsch aufkommen, sich noch einmal etwas intensiver mit ihnen zu beschäftigen. So jedenfalls ging es mir mit den Gedichten von Hans Magnus Enzensberger, die in diesem Band abgedruckt sind. Schön, wie er in «Empfänger unbekannt – Retour a l’expediteur» das Glück der einfachen Dinge beschreibt: «Vielen Dank für die Wolken. Vielen Dank für das Wohltemperierte Klavier / und, warum nicht, für die warmen Winterstiefel. / Vielen Dank für mein sonderbares Gehirn… Vielen Dank für die vier Jahreszeiten, / für die Zahl e und das Koffein, und natürlich für die Erdbeeren auf dem Teller, / gemalt von Chardin, sowie für den Schlaf / für den Schlaf ganz besonders, / und, damit ich es nicht vergesse, für den Anfang und das Ende / und die paar Minuten dazwischen / inständigen Dank, / meinetwegen auch für die Wühlmäuse draußen im Garten.»

Nach längerem Lesen in diesem Buch muss ich meiner Skepsis, ob es so etwas wie Gedichte gibt, die (mich) glücklich machen, also doch Lebewohl sagen. Und so sage auch ich «Vielen Dank» an wen auch immer: Die Dichter, die diese schönen Gedichte geschrieben haben; die Situationen, aus denen heraus sie entstanden, die Umstände, die sie ermöglichten – oder die sonderbaren Gehirne, die vielleicht nicht immer alltagstauglich waren, dafür aber wunderschöne kleine und große Kunstwerke hervorgebracht haben. ■

Clara Paul (Hrsg): Gedichte, die glücklich machen, Lyrik-Anthologie, 186 Seiten, Insel-Suhrkamp-Verlag, ISBN 978-3-458-35997-5

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Weitere Literatur-Rezensionen im Glarean Magazin

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Nico Bleutge: «Verdecktes Gelände» (Gedichte)

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Moderne Lyrik – mit Voraussetzungen

Bernd Giehl

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Nico Bleutge_Verdecktes Gelände_CoverWer schreibt heute eigentlich noch Naturgedichte? Ich muss gestehen: Ich bin nicht auf dem Laufenden. Jedes Jahr erscheinen so viele Lyrikbände, da kann man schon mal den Überblick verlieren – Sarah Kirsch fällt mir ein oder Wulf Kirsten, aber sonst? Gibt es auch noch jüngere Autoren, die die Natur zu ihrem Gegenstand wählen? Ich habe ein wenig im 25. Jahrbuch der Lyrik (S. Fischer 2007) geblättert. Ein paar habe ich im Teil von 1998 gefunden (Jürgen Becker, Friederike Mayröcker). Sonst: nicht viel. Naturlyrik scheint gerade nicht «in» zu sein. Dabei vereint dieser Band doch die Gedichte unterschiedlichster Autoren aus den Jahren 1979-2006.

Viele Gedichte Nico Bleutges handeln vom Erleben der Natur. Aber es ist keine idyllische Natur, sondern eine eher fremdartige, vom Menschen unter seine Herrschaft gezwungene, die Bleutge beschreibt:
«am ufer ankommen, wach/ unter dem schwelgeruch der flure, ruß-/ wasser, wandernder austritt, der sog/ lief langsam in sich zurück. keller / die nachhallten, gänge, einfach überwölbt, / von feuchte durchzogen, sie zeigte sich vorne, / bewegte sich im hintergrund, kaltluft drang nach, / infiltrierte die stufen, moos, die rohe verflechtung/ löste sich aus dem raum, löste sich auf im gehen/das schon innen war, wände verschwammen, zellen/ wuchsen in die gänge ein, porig, vertraut/ mit den fugen, ließen sie, ringsum verlängert / pflanzen austreiben, wuchernde blattformen/ führten tiefer ins ufer hinab.»

Nico Bleutge

Nico Bleutge (geb. 1972)

Bleutges Technik ist die der Überblendung. Bilder schieben sich ineinander. Da ist zum einen das Bild eines Bach- oder Seeufers und zum anderen das Bild eines alten bemoosten Kellergewölbes oder Kellergangs, und beide werden bis zur Ununterscheidbarkeit vermischt. An anderen Stellen beschreibt Bleutge nur Natur, aber er geht so nah heran, dass das Bild verschwimmt:
«wasser im sinn haben, steine, / das rundumlaufende licht/ auf den schichten des piers// meeresbeweglichkeit, kurzes/ sprühen, austausch von wärme/ und gewicht, denken an//
Witterung, kiemen, brüchiges/, holz, das sich ablöst, gleich/ wieder angesaugt wird//
von den pfosten am pier./ fischsilber, mölekulares/ glänzen, rohglas, zersplittert//
und doch aufgenommen, vermischt/ mit der entfernung zum hafen/ die masse durchdringt sich,  wasser//
in wasser, ein drängen so eins/ in sich, so unterschieden/ wie die steine, die gleiten, leicht//
ihre schuppen verlieren, sinken/ versenken zinkweiße strömung/ aus spannung und klang//
die nicht nachläßt/ sich formt/ im gedanken an flutwechsel, / dämmerungsdichte am hafen.»
Natur wie fotografiert vom Makroobjektiv. Der Pointillismus fällt mir ein, eine Strömung, die sich Ende des 19. Jahrhunderts aus dem Impressionismus entwickelte, und dessen Bilder man nur erkennen kann, wenn man Abstand nimmt.
Aber keine Regel ohne Ausnahme. Es gibt auch andere Gedichte, die fast schon verständlich sind beim ersten Lesen. Gedichte, von denen man den Eindruck hat, man könne ihren Inhalt in eigenen Worten wiedergeben.(«die augen meiner Mutter waren hinter glas», S.36, «und manchmal nachts da geht der atem leise, S.40) Das sind dann keine Gedichte über die Natur, sondern über das eigene Bewusstsein.

Fazit-Rezensionen_Glarean Magazin

Die Gedichte Nico Bleutges handeln vom Erleben der Natur. Aber es ist keine idyllische Natur, sondern eine eher fremdartige, vom Menschen unter seine Herrschaft gezwungene, die Bleutge beschreibt. Komplexe Sprachgebilde, die gewisse Kenntnisse der modernen Literatur voraussetzen.

Gedichte, so habe ich es schon mehrfach behauptet, sagen nicht unmittelbar, was sie meinen, sondern sie sprechen in Bildern, und manchmal stellen sie ihre Leser auch vor Rätsel. So betrachtet sind diese Gedichte durchaus lesenswert. Allerdings sollte man schon eine Ahnung von moderner Lyrik haben, ehe man sich mit ihnen befasst… ▀

Nico Bleutge: Verdecktes Gelände, Lyrik, C.H. Beck Verlag, 68 Seiten, ISBN 978-3406646782

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Literatur-Wettbewerbe 2013

Posted in Ausschreibung, Kurzprosa, Literatur, Literatur-Ausschreibungen, Literaturwettbewerbe, Lyrik by Walter Eigenmann on 2. Februar 2013

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10. Marburger Kurzdramen-Wettbewerb

Kurze Theater-Texte für maximal fünf Personen

Theater GegenStand 2013Die Marburger Theaterbühne «GegenStand» schreibt erneut ihren Kurzdramen-Wettbewerb aus. Gesucht sind ca. 30-minütige Theatertexte für eine maximal fünfköpfige Besetzung. Die drei bestplazierten Arbeiten werden im Rahmen des Marburger Kurzdramen-Festivals im Dezember 2013 uraufgeführt. Einsende-Schluss ist am 1. Mai 2013, die weiteren Details finden sich hier. ■

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Zum 40. Todesjahr von Brigitte Reimann

Literarische Texte zur Dichterin Brigitte Reimann gesucht

Autorenverein PelikanAnlässlich des 40. Todesjahres der Burger Dichterin Brigitte Reimann lädt der Autorenverein Pelikan zur Einsendung von Zuschriften zu Leben und Werk Reimanns ein. Die einzureichenden Texte sind formal ungebunden: möglich sind Lyrik, Kurzprosa, Briefe, Skizzen und Erzählungen, die ausgewählten Texte werden in Lesungen vorgestellt und in einer Anthologie publiziert. Einsende-Schluss ist am 30. Mai 2013, weitere Einzelheiten gibt es hier. ■

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Lyrik-Wettbewerb des «Literaturpodiums»

Gesucht: Gedichte zum Thema «Elemente»

LiteraturpodiumDie Literaturplattform Literaturpodium sucht im Rahmen eines Gedichtwettbewerbes deutschsprachige lyrische Werke zur Thematik «Elemente». Auf literarische Qualität wird besonders Wert gelegt, wobei Klassische Poesie ebenso möglich ist wie surreale Formen. Einsende-Schluss ist am 31. März 2013, die Details sind hier zu lesen. ■

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Weitere Literatur-Wettbewerbe im Glarean Magazin

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Internationaler Athmer Lyrik-Wettbewerb 2013

Posted in Ausschreibung, Literatur, Literatur-Ausschreibungen, Literaturwettbewerbe, Lyrik by Walter Eigenmann on 4. November 2012

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Gedichte zum Thema «Hinter der Tür»

Der deutsche Hersteller von Dichtungssystemen Athmer will die technisch-kulturelle Doppeldeutigkeit des Begriffs «Dichtung» mit der Förderung literarischer Projekte unterstreichen und schreibt darum einen Lyrikwettbewerb aus. Teilnahmeberechtigt sind alle Autoren und Autorinnen, «denen zum Thema “Hinter der Tür” Ernstes oder Komisches, Leidenschaftliches oder Skurriles, Satirisches oder Handwerkliches in lyrischer Form einfällt». Der Preis ist mit insgesamt 1’750 Euro dotiert. Einsende-Schluss ist am 31. März 2013, die weiteren Details finden sich hier. ■

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Weitere Literatur-Wettbewerbe im Glarean Magazin

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Literatur-Wettbewerbe 2013 für junge Autorinnen und Autoren

Posted in Ausschreibung, Kurzprosa, Literatur, Literatur-Ausschreibungen, Literaturwettbewerbe, Lyrik by Walter Eigenmann on 16. Oktober 2012

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Internationaler Lyrik-Wettbewerb Castello di Duino 2013

«Die Zukunft… ein Ort auf dieser Welt»

So lautet das Thema des 9. italienischen bzw. mehrsprachigen Lyrikwettbewerbes «Castello di Duino». AutorInnen bis zum Alter von 30 Jahren sind eingeladen, ein  unveröffentlichtes und bisher unprämiertes Gedicht einzusenden, wobei  man an einer oder mehreren angebotenen Sektionen teilnehmen kann. Einsende-Schluss ist am 15. Dezember 2012, die weiteren Einzelheiten finden sich hier. ■

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Internationaler Othmar-Seidner-Jungautorenpreis 2013

Lyrik von jugendlichen Autorinnen & Autoren

Die österreichische «Gesellschaft der Lyrikfreunde» offeriert auch im nächsten Jahr ihren «Othmar-Seidner-Jungautorenpreis», der sich an jugendliche Schreibende im Alter von 17 bis 21 Jahren richtet. Es können maximal vier Gedichte von je 25 Zeilen eingesandt werden. Einsende-Schluss ist am 30. November 2012, die weiteren Details sind hier. ■

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Internationaler Walter-Kempowski-Literaturpreis 2013

Kurzprosa zum Thema «Besser geht’s nicht»

Dieser Literatur-Wettbewerb der «Hamburger Autorenvereinigung» richtet sich an deutschsprachig Schreibende mit Jahrgängen ab 1962. Eingesandt werden können literarisch geschlossene Kurzgeschichten und Erzählungen mit einer Länge von max. fünf A4-Seiten. Einsende-Schluss ist am 28. Februar 2013, weitere Einzelheiten sind hier zu erfahren. ■

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Schreibwettbewerb des Thuner Literaturfestivals 2013

Beiträge aus allen literarischen Genres gesucht

Der literarische Schweizer Förderverein «Literaare» schreibt im Rahmen seines «8. Thuner Literaturfestivals» einen Wettbewerb aus, bei dem ausdrücklich alle lyrischen und prosaischen Genres zugelassen sind. Die prämierten Texte werden von den Verfasser/innen im Rahmen von Lesungen am Festival vorgestellt. Einsende-Schluss ist am 31. Oktober 2012, weitere Einzelheiten finden sich hier. ■

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Weitere Literatur-Wettbewerbe im Glarean Magazin

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Lyrik von Werner K. Bliß

Posted in Bild-Meditation, Christoph Meckel, Literatur, Lyrik, Neue Lyrik, Werner K. Bliß by Walter Eigenmann on 3. Oktober 2012

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Drei Textminiaturen zur
Ausstellung Christoph Meckel
Zeichnungen und Grafiken,
Georg Scholz Haus Waldkirch / BRD

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am grashang
sagst du
mitten im winter
sagst du
kommt keine
flocke zu uns
denn das hornvieh
sagst du
am horizont
sehnt den sommer
während
der maulwurf
zimmertüren
in kindheiten
öffnet
eiszapfen wärmt

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Christoph Meckel: Clarisse, Ausstellung 2012 im Georg-Scholz-Haus Waldkirch/D (Foto: Roland Krieg)

dein gesicht
clarisse
dein lächeln
clarisse
schaukelt durch
dein haar

öffnet
bilder
augenherzen
zähmen elefantenzähne

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zurückschaukeln
in kindheitstage
ungefragt
halten
engel
hände
über sie

seitenblicke
handzarte
wärme
inmitten
verspäteter winter

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Werner K. Bliß

Geb. 1950, Pädagoge, zahlreiche Lyrik-Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften, Online-Portalen und Anthologien, lebt in Hausach/D

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Internationaler Silberberg-Lyrikpreis 2013

Posted in Eckhard Erxleben, Literatur, Literatur-Ausschreibungen, Literaturwettbewerbe, Lyrik by Walter Eigenmann on 3. Mai 2012

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Gedichte gesucht zur «Heimat»-Thematik

Einen internationalen Lyrik-Wettbewerb schreiben der altmärkische Schriftsteller Eckhard Erxleben in Zusammenarbeit mit der Interessengemeinschaft deutschsprachiger Autoren (IgdA) aus. Eingesandt werden können Gedichte, wobei das Thema «Heimat» lautet: «Es geht darum, den altehrwürdigen Begriff Heimat wieder mit neuer junger poetischer Energie aufzuladen. In den eingesandten Gedichten soll literarisch Heimat gesucht werden in der von uns bewohnten Landschaft, in der Liebe zu Menschen, im Respekt vor der Natur und letztendlich in der eigenen Seele.» Einsende-Schluss ist am 31. Dezember 2012, die weiteren Einzelheiten finden sich hier. ■

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Brigitte Fuchs: «salto wortale»

Posted in Brigitte Fuchs, Buch-Rezension, Günter Nawe, Literatur, Literatur-Rezensionen, Lyrik, Rezensionen by Walter Eigenmann on 2. August 2011

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NIELÄUFTEINWURMSTURM

Günter Nawe

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.«Als sich das ROTWEINROT und das
WEISSWEINWEISS näher kamen,
sah die Welt plötzlich ganz rosé aus»

Von dieser und anderer, fantastisch vielfältiger Art sind die Sprachspiele der Brigitte Fuchs. Und so liegt – um es vorwegzunehmen – ein höchst amüsantes, ein sehr intelligentes und sehr schönes Buch vor mir, das jede Empfehlung wert ist. Was die Lyrikerin Brigitte Fuchs hier bietet, ist sprachliche Equilibristik der besonderen Art. Sie spielt mit den Wörtern, schüttelt sie sich zu recht, findet poetische Wortbilder, schlägt gewagte Salti und Kapriolen. Sie schreibt Sinn und vermeintlich Unsinn – doch lasse man sich nicht täuschen. Alles, was wir in diesem Buch sehen und lesen, ist begründet in der Lust an der Sprache und hat einen höchst poetischen Wert.
Ihre Lyrik ist – so hat Brigitte Fuchs es einmal selbst formuliert – «Arbeit an der Aussage, am Klang, am Rhythmus, an der Form». Ein hoher Anspruch, dem die Schweizer Lyrikerin in jeder Zeile, in jedem Bild gerecht wird. Für die Sprachartistin gehören «Genauigkeit des Denkens und das genaue Hinsehen wesentlich zum Handwerk des Schreibens». Und so ist das, was hier so leichtfüßig herkommt, harte Arbeit und pefektes Handwerk.

Witzige Wortvirtuosin: Brigitte Fuchs

Geboren in Widnau im St. Galler Rheintal lebt die Lyrikerin heute im Kanton Aargau. Die gelernte Lehrerin ist nicht nur nur als Dichterin, sondern auch gestalterisch tätig. Ihren Arbeiten merkt man dies an. Dafür hat sie bereits zahlreiche Literaturpreise erhalten. Die Bücher der Brigitte Fuchs – zum Beispiel: «Herzschlagzeilen», «Das Blaue vom Himmel oder ich leben jetzt» und «Solange ihr Knie wippt» – sind längst über den Status eines Geheimtipps hinaus. Und das sollte auch für den Band «salto wortale» gelten.
Die Sprachkünstlerin Brigitte Fuchs konfrontiert den Leser mit oft sehr ungewohnten visuellen und verbalen Überraschungen. Seien es Wortcollagen, Sprachbilder, Gedichte oder Schüttelreime.
Da gibt es das Sprachbild «KONKRET», das mit der Zeile NIELÄUFTEINWURMSTURM endet.
Da sagt

«…der Seiltänzer zu seiner Frau: >Du müsstest wissen, dass für mich ein Seitensprung nicht in Frage kommt!<

Oder man lese das «Sonett» – wenn man so will: ein wunderbares Liebesgedicht, in dem der Liebste aufgefordert wird, ein Sonett zu schreiben. Worauf er dichtet:

«…Sonette sind was Bittersüsses, Feines, / für Mädchen, die längst Frauen sind, mein Kind! / Sonette sind die Länge deines Beines – / denkst du denn, dass ich dafür Worte find?»

Manchmal «jandelt» es richtig schön. So, wenn Brigitte Fuchs ihrem großen Kollegen Ernst Jandl folgendes Gedicht widmet:

Oh Schandl

Was für ein Wandl
seit Ernst Jandl
verschwandl
… .
kein Wortspielhandl
alles verläuft im Sandl
oh Schandl

In ihrem Lyrik-Band «salto wortale» versteht es Brigitte Fuchs souverän, auf der gesamten Klaviatur der Sprache zu spielen. Ihr Buch ist amüsant, hintergründig und vordersinnig, intelligent und wunderbar – voller Lust an der Sprache und von hohem poetischen Wert. Durch die kongenialen Wortbilder von Beat Hofer bekommt dieser Lyrikband zudem ein unverwechselbares Aussehen.

Nein, nichts verläuft in diesem herrlichen Buch, in diesen «vergnüglichen, anregenden und bekömmlichen Blätterbuch für Sprachfans» «im Sandl». Auch nicht die wunderbaren Farbbild-Seiten des Grafikers Beat Hofer. Er spielt ebenfalls gekonnt mit Bild und Wort und Farbe und hat so dem Lyrikband sein unverwechselbares Aussehen gegeben.
Übrigens: Müsste man der POESIE nicht endlich das DU anbieten? Brigitte Fuchs steht längst mit der Poesie auf Du und Du. Im «Vor- und Nachwort» schreibt sie: «Wir verlangen ja nicht viel vom Wort: Das und kein anderes soll es sein, anfänglich, wahr, gut, groß, geflügelt. Es soll uns auf die Sprünge helfen, wir wollen es ergreifen, halten, führen, erteilen, entziehen. Eines gibt das andere, wir werden jedes unterschreiben und das letzte, noch ehe es gesagt ist, behalten». Dem ist nichts hinzuzufügen. ▀

Brigitte Fuchs, salto wortale – Sprachliche Kapriolen (Zweite/erweiterte Auflage), mit Wortbildern von Beat Hofer, 192 Seiten, edition 8, ISBN 978-3-85990-110-0

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Leseproben

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Dresdner Lyrik-Preis 2012

Posted in Ausschreibung, Literatur, Literatur-Ausschreibungen, Literaturwettbewerbe, Lyrik by Walter Eigenmann on 20. April 2011

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«Förderung des gegenwärtigen poetischen Schaffens»

Bereits zum neunten Mal wird der zweijährlich vergebene Dresdner Lyrikpreis ausgeschrieben. Damit soll gemäß der Dresdner Oberbürgermeisterin das gegenwärtige poetische Schaffen gefördert werden. Gedichte einreichen können Autorinnen und Autoren aus dem deutschsprachigen Raum und der Tschechischen Republik – entweder auf Empfehlung von Verlagen und Redaktionen oder in Eigenbewerbungen. Eingereicht werden sollen mindestens sechs und höchstens zehn lyrische Texte. Der Preis ist mit 5’000 Euro dotiert. Einsende-Schluss ist am 30. September 2011, die weiteren Einzelheiten finden sich hier. ●

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Lyrik von Andreas Wieland

Posted in Andreas Wieland, Glarean Magazin, Literatur, Lyrik, Neue Schweizer Literatur by Walter Eigenmann on 24. Februar 2011

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MIT AUSGREIFENDEM SCHRITT

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Als verschro-benen (bene) Eng-länder (Schweiz)

mag man mich

be-zeichnen

wollen doch

er-achte

ich

mich

eher als ein d‘ (Denker)

er Natur

ab- (!)

gewonnenes Genie un

bekannt-er Herkunft (?)

denn

was

be-deutet mir m-ein Geburts-ort

was

die Stadt m’einer Jugend

jahre, die Reisen

n’ach (!)

Indie’n Russ

land

so

ge-lang (!)

es

mir

bis zum heut-igen Tag, d

ie

von mir geschlagene Bresche

in un-sichtbare Gefilde

ge-heim zu

halten

ob allen Versuchen

dies-e in einer Sprache

wie-d-er-zugeben (?)

Ein ungewollt

es Gelingen

also

ein durch

wandern

eines

unendlich’n Gebiet-es

dass s

ich dies

nicht kartograph-iere’n lässt

muss ich mir eingestehen, so sehr

meine anfäng- lichen Versuche dieses

erwünscht’n. dies

er Grenze

ent-lang

schlendernd

folge

ich

gegeben

er

Sp-ur

als trüge ich etwas

Unab-lässiges von einer Lauterkeit

in eine weitere, verdingt

im Sein

in der Erinnerung.

.

Sublimierend e

in immer weiterführenderes

Leben

dem-nach (!)

ein hin-ter un-durchdringbare-r Umzäunung

geglaubt

es, doch entdeckt

sehe (!)

ich

dieses

in schönster Blüte

steh’n geborgen

hinter wunder

barem Denken

natürlich

auch Fühlen

wie

könnte man also das Eine ohne das Andere (?)

an

zu

treffen

hoffen, viel

zu

einfach

wäre dies, ein jeder

könnte sich unbe

merkt (!)

an fremdem Feuer Glut holen.

.

Und mit dem Ehre’n-wort

eines Dichters vers

ich

ere (Ehre)

ich

Ihnen

meine

heftig‘n Gedanke-n

so

wie

meine

wahr‘n Gefühl-e

und

unt

er

buschige-n Brauen

her

vor

betrachte

ich

uns

ere (Ehre)

Welt

wi-der übliche-r Gewohn-heit

So so-ll es

mein Verdienst

sein

Ihnen hier v

on berichten

zu dürfen

.

Dieser Freiheit immer bewusster

wer

d’end (?)

richte ich m-ein Leben dan

ach (!)

ein, navigieren-d

abstreifen-d

die Nostalgie

vergangene-r Tage.

Eine frische und klare Meeresflut

so

zusagen

ein rausch

ende

s Aufflattern des Herzens.

Verschroben

mag man mich (?)

demnach

bezeichnen

doch will ich

mich

nicht mehr

(auch nicht weniger)

er

tappen in eigener Härte

in Unrast und Un

geduld (!)

m-ein Streben darf

endlich (!)

eine-r Gültigkeit

angehören

einem

vorge-ebneten Weg, und all

mählich verhallt mein eigen

es

Dazutun.

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Andreas WielandAndreas Wieland

Geb. 1969 in Chur/CH, Studium an der Höheren Fachschule für Hotel- und Tourismusmanagement, anschließend als diplomierter Hotelier in den Kantonen Graubünden, Zürich und Luzern tätig, Kurzprosa- und Roman-Publikationen, lebt als freischaffender Schriftsteller in Walenstadt/CH

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Armin Mueller-Stahl: «Die Jahre werden schneller»

Posted in Armin Müller-Stahl, Bernd Giehl, Buch-Rezension, Literatur, Literatur-Rezensionen, Lyrik, Rezensionen by Walter Eigenmann on 3. Februar 2011

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Vom Nonsens bis zur Altersweisheit

Bernd Giehl

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Da könnte man ja richtig neidisch werden. Ja natürlich; Neid ist etwas für kleine Geister zu denen man sich selbstverständlich nicht zählt, bei all den Begabungen die man hat und bei all dem, was man schon geleistet hat, Bücher in Miniauflagen veröffentlicht und Rezensionen geschrieben für «Glarean» und andere berühmte Magazine, ganz abgesehen davon, dass man ja auch schon so viele Jahre im Beruf seinen Mann gestanden hat, aber dann bekommt man das neue Buch von Armin Mueller-Stahl in die Hand, das man erst einmal nicht so ganz ernst nimmt, weil man ja schließlich weiß, der Mann ist Schauspieler und jeder Schauspieler, der etwas auf sich hält, schreibt ab und an auch ein Buch – muss man ja, weil schließlich nur der bleibt, der schreibt, und schließlich ist der Mann ja gerade achtzig geworden, da muss man ja was tun für den Nachruhm und die Nachrufe, aber dann blättert man in diesem Buch, liest sich fest und denkt, nanu, der kann ja noch mehr als nur den Kommissar Brockmöller in alten «Tatort»-Filmen spielen oder meinetwegen den alten Konsul in den «Buddenbrooks» – der kann ja tatsächlich Gedichte schreiben.

Schauspieler, Musiker, Maler, Schriftsteller: Hollywood-Star und Multitalent Armin Mueller-Stahl

Doch ja, das kann er. Wobei die Gedichte manchmal ein bisschen altmodisch wirken mit ihrer (sicherlich gekonnten) Reimstruktur. Nun könnte man ja sagen, seit ein paar Jahren ist Reimen wieder in, aber wie man an den Jahreszahlen sieht, die unter den Gedichten stehen, reimt Mueller-Stahl schon seit mehr als vierzig Jahren. Womöglich tut er das, weil er auch noch Musiker ist und vermutlich viele dieser Gedichte auch noch vertont hat.
Aber gut; Was an Tiefsinn fehlt, macht Mueller-Stahl mit Frechheit und Humor wett. Wunderschön, wie er die paffende Franziska entsorgt, indem er sie nachts, als sie schläft, in einen Umschlag steckt und in den Briefkasten wirft. Und wenn ihn doch einmal der Weltschmerz überfällt, weil eine Geliebte ihn verlassen hat, dann fällt ihm garantiert irgendetwas Ironisches ein.
Und die Themen? «Herzenssachen» heißen sie, und «Auf und ab», «Krieg» auch, und schließlich noch – wie könnte es anders sein bei einem Mann, der gerade die Achtzig vollendet hat – «Letzte Dinge». Am ehesten wird man Mueller-Stahl wohl einen Moralisten nennen können. Was – bitte mich nicht misszuverstehen – zuallerletzt «Moralapostel bedeuten soll. Das ist er nicht.
Seine Gedichte haben, so scheint mir, weniger den Anspruch, vollendete Sprachkunstwerke zu sein, sondern sie wollen die Welt verbessern. Vielleicht nur ein klein wenig. Durch Einsicht in die Begrenztheit der Welt, der Menschen und nicht zuletzt des eigenen Ich. Oder manchmal – so wie im Kapitel «Letzte Dinge» – wollen sie auch nur helfen, die Welt ein bisschen besser zu ertragen. Was ihm, wie er mit einem Augenzwinkern zugibt, nicht immer gelingt. Viele Gedichte stehen in der Tradition von La Fontaines, lesen sich wie Fabeln, nur dass La Fontaine seine Fabeln nicht gereimt hat. Diesen Anspruch mag man naiv nennen oder weise; ich vermute, dass das den Autor nicht kümmert. Er will auf seine Weise zu sagen versuchen, was nicht gelungen ist.

Der große deutsche Weltstar (Schauspieler, Musiker, Maler, Schriftsteller...) Armin Mueller-Stahl legt mit seinem neuen Band ein weites Lyrik-Panorama vom Nonsens bis zur Altersweisheit vor. Eindrücklich.

Und so schreibt er über den Krieg, die Liebe, die ja auch nicht immer gelingt, und auch seine Erfahrungen mit Freunden, die ihn, den gelernten DDR-Bürger an die Stasi verraten haben, spart er nicht aus. Da gelingt ihm dann nicht mehr, was er sonst so meisterhaft beherrscht: im leichten Ton das Schwere sagen, vermutlich weil das eine der schlimmsten Enttäuschungen eines langen Lebens ist. Aber als weiser alter Mann, der er ja ist, hat er das selbst gewusst und die Gedichte trotzdem in diesen Band aufgenommen. Ich persönlich finde, dass ihn das ehrt. Auch Nonsens-Gedichte wie das von der blauen Kuh, die ihre eigene Milch trinkt, oder jenes vom Apfelbaum, der ganz oben auf der Spitze eine Pflaume trägt, oder eben dies von Franziska, die per Eilbrief «entsorgt» wird, sind dabei.
Aber was mir persönlich am besten an diesem Buch gefällt, sind die Collagen. Manchmal ist die Grundlage ein eigener oder fremder Text, den er dann mit Farben und Formen übermalt. Manchmal nehmen sie das Thema eines Gedichts noch einmal auf; ein anders Mal sind es abstrakte Gemälde.
Armin Mueller-Stahl: Schauspieler, Musiker, Maler, Schriftsteller, Multitalent. Ob das wohl alles auf eine Visitenkarte passt? Bei so vielen Begabungen könnte man schon einmal neidisch werden… ■

Armin Müller-Stahl, Die Jahre werden schneller – Lieder und Gedichte, 220 Seiten, Aufbau-Verlag, ISBN-13 978-3351033163

Hörproben

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Heinrich Heine: «Winter»

Posted in Heinrich Heine, Literatur, Lyrik, Wintergedichte by Walter Eigenmann on 25. Dezember 2010

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Die Kälte kann wahrlich brennen

Wie Feuer. Die Menschenkinder

Im Schneegestöber rennen

Und laufen immer geschwinder.

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O, bittre Winterhärte!

Die Nasen sind erfroren,

Und die Klavier-Konzerte

Zerreißen uns die Ohren.

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Weit besser ist es im Summer,

Da kann ich im Walde spazieren,

Allein mit meinem Kummer,

Und Liebeslieder skandieren.

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Heinrich Heine (1797-1856)

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Johanna Kuppe: Zwei Bild-Lyrismen

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im schatten insel

hafen im meer felsen

burg bruchstein

mauern schlüssel das

offene tor unter schwarz

pappeln ankert der

kahn unter schwarz

himmel vom weißen

balkon der blick:

ohne begrenzung

weite sicht

(zu Arnold Böcklin: Toteninsel – 1883 / Bild rechts)

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………………….sitzen auf der PIAZZA

………………….stehen im langen

………………….SCHATTEN  wortlos die

………………….türme der kathedrale

………………….ansonsten

………………….LEERE die steine

………………….dösen am mittag faul im

………………….folgsamen rhythmus zeit

………………….loser ZEIT schwanken

………………….KOPFLOS die KÖPFE ab

………………….gelegt im bunt

………………….gelackten gedanken

………………….kasten vertrocknen

………………….die wörter

………………….(zu Giorgio de Chirico:
…………             Die beunruhigenden Musen –
………………….1917 / Bild links)

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Johanna Klara Kuppe

Geb. 1948 in Wuppertal/D, Erzieherin, Musikalienhändlerin, Veröffentlichungen in verschiedenen Anthologien, lebt in Waiblingen/D

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Lyrik von Martin Kirchhoff

Posted in Literatur, Lyrik, Martin Kirchhoff, Neue Lyrik by Walter Eigenmann on 12. November 2010

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Klaipeda. Rundgang

Stimmenvoll, die Klänge,
sagen, werden getragen
ins Gehör, die Fragen

Worte, Sprache, die Klänge
hier, fremd mir,
Sprache, kräftiger Stier

Tauche ein, die Klänge
schweben, Träume erleben,
Worte, tiefe Orte

Stimmenvoll, die Kultur
hören, Sprache kann betören,
Klänge, gleich Chören

Tauche ein, Sprache fremd,
bester Wein, den niemand kennt;
schöner Klang, heimisch hier
Gesänge, fremd und in mir

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Bahnhof der Lufttrinker

Halb erblindet unter der Brücke
Bahnareal, Schienen, Gräser
S-Bahnen humpeln eisern dahin
Bettler, Mensch, Arbeitsloser

rattert der Zug, rattert die Zeit, rattert die Luft
es steigen Menschen in die Vergangenheit der Leere
es geht was kommt, alle wissen was keiner weiß
rattert das Leben, rattert der Traum, rattert das Sein

Halb sehend unter der Brücke
Ruinen, Flächen, Schotter
Gestalten stolpern glaubend umher
Lieder, Morgenrot, Hoffnung

vergeht was ist, vergeht was glaubt, vergeht was vergangen ist
es kommen die Toten in die Zukunft der Gegenwart
es kommt was geht, alle wissen was keiner sagt
vergeht der Tod, vergeht das Nichts, vergeht der Schein

Schräge Vögel im Bahnhof der Lufttrinker

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Ankunft

Wellen, die Boten,
sie becircen meine Seele,
die Möwen rufen
sie zaubern mir Flügel

Ein grünes Boot legt an
Wind, der Flüsterer,
er nimmt meine Seele,
die Gedanken schweben
sie zaubern mir Farben

Ein grünes Boot legt ab
Seele, der Sucher,
nimmt an die Wellen,
die Gedanken zaubern
sie rufen die Möwen

Eine Seele kommt an
Seele wird Welle
Welle wird Bote
Bote wird Möwe
Sie rufen mich

Angekommen im Meer

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Martin KirchhoffMartin Kirchhoff

Geb. 1954 in Leonberg/D, zahlreiche Lyrik- und Prosa-Publikationen in Büchern, Zeitschriften und Anthologien, verschiedene Literaturpreise, lebt als Zeitungskorrektor in Leonberg

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Lyrik von Klaus Martens

Posted in Klaus Martens, Literatur, Lyrik, Neue Lyrik by Walter Eigenmann on 23. September 2010

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Was Herbst heißt

Herbst heißt Enden vor dem Schluss,
Wandlung der Farben zum Ende hin,
zum Saftrückfluss, zum Fall, zum Abfall,
zunächst dekorativ auf Stein geweht
oder ausharrendem Gras,
das nicht mehr wächst, doch irgendwie grün ist,
totgrün,  nicht lebendgrün,
totrotes Laub, schwarz umrandet,
schlechte Nachrichten an die Hockenden
im Boden, in Hecken und Verstecken,
die nicht entfliehen können –
die Ausharrer übers Enden hinaus,
Gewinner, Verlierer in der Wetterlotterie,
oder wie abgeschlagene Tannen im
Januar, gefühlsbekränzte Tote
vom Leben allzubald verbrannt.

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Der Himmel ist blau

Es weht kalt vom Garten herein.
Sonne und Himmelsblau täuschen.
Das Kreuzbein sitzt fest –
Herbstschmerz. Masseure
haben Hochbetrieb.
Im Takt von zwanzig Minuten
wird das Bein gestreckt, gehoben,
werden Wirbel geknetet,
dann der nächste arme Kerl.

Dabei ist es nur Herbst. Es wird
kälter, die Natur (der Körper)
zieht sich zusammen, die Sehnen,
die Gelenke schleifen,
und es schmerzt im Herbst,
ein weiterer Abschied von Wärme
und Jugend und Gelenkigkeit,
doch der Himmel bleibt sonnig
und blau. Kälte weht herein

aus dem schon verlorenen Garten.

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Klaus Martens

Geb. 1944 in Kirchdorf/D, Studium der Anglistik und Germanistik in Göttingen, Promotion 1979, zwischen 1979 und 1989 Lehraufträge an den Universitäten Göttingen, Münster und Kassel, zahlreiche literaturwissenschatliche und übersetzerische Publikationen in Büchern und Zeitschriften, Mitglied des PEN Deutschland, diverse Lyrik-Veröffentlichungen, lebt als emer. Universitätsprofessor in Saarbrücken/D

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Lyrik-Essay von Bernd Giehl

Posted in Bernd Giehl, Essays & Aufsätze, Literatur, Literaturkritik, Lyrik, Sprache by Walter Eigenmann on 20. August 2010

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Nachdenken über Luxus

Einige Anmerkungen zum Schreiben von Gedichten

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Bernd Giehl

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Das kleine Gesicht im Wintermantel:
Trauermund, Warteaugen, Schrittklein
in den Hof, den Stall, die Viehspuren
im Straßenschmutz schon lang verwischt.
Waldmeisteressenz und Brunnenwasser
gegen den großen Durst.
Neben der Wasserbank eine Schöpfkelle.

Sigfrid Gauch: «Morgentod»

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I

32 Worte. So viel wie wir Normalsterblichen sonst für drei Sätze benötigen. 32 Worte nur, aber ein Text, an dem das Auge hängenbleibt, den man wieder und wieder liest, fast wie eine Offenbarung, den man wahrscheinlich nie mehr vergisst.
32 Worte. Gefunden in einer Spalte namens «ZEITmosaik» in der «ZEIT» vom 28. Juni 97. Eine Spalte, über die ich sonst schnell hinweglese; den Namen des Verfassers, Sigfrid Gauch, habe ich vorher noch nie gehört. Aber dieses Gedicht rührt mich an, wie nur weniges sonst. Fast möchte ich behaupten: es ist «vollkommen». Vollkommen wie eine Arie aus der «Matthäuspassion» von Bach. Oder wie ein Bild von Manet.

Und jetzt höre ich auch schon wieder das Wetzen der Messer. Darf man das, über «Schönheit» nachdenken, wenn doch allgemein eher «Hässlichkeit» angesagt ist? Seit Baudelaire seine «Fleurs du mal» schrieb, seit Rimbaud eine «Zeit in der Hölle» verbrachte, seit dem Beginn der «Moderne» also in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, lebt die Kunst – Malerei, Literatur, Musik – doch eher von der Dissonanz, der Beschreibung des Hässlichen und Abstoßenden. Die Kunst reagierte damals auf die zunehmende Hässlichkeit, hervorgerufen vor allem durch die Industrialisierung. Dass es seither aufwärts gegangen wäre mit der Welt, kann man eigentlich nicht behaupten.
Wäre also nicht statt des Nachdenkens über Gedichte ein flammender Protest gegen den Afghanistan-Krieg oder die ewigen Streitereien der schwarzgelben Regierung angesagt? Das alles sind sicher wichtige Themen. Und doch will ich hier nur eins tun: über Gedichte nachdenken. Über das, was mich und sicher auch andere an ihnen fasziniert.
Vermutlich sind Gedichte unnötig. Wahrscheinlich brauchen wir viel eher Arbeitsplätze als Gedichte. Aber wer Brot hat, möchte womöglich irgendwann auch Butter dazu. Das ist unverschämt; ich weiß. Gut möglich, dass eines Tages der Genuss verboten wird, weil er unmoralisch ist; in Amerika sind sie ja schon so weit. Solange der Genuss jedoch noch nicht verboten ist, (solang man sogar noch in der Öffentlichkeit rauchen darf), solange kann man einstweilen noch über Gedichte nachdenken. Und was es eigentlich ist, das sie (oder jedenfalls manche von ihnen) über die Banalität all dessen erhebt, was täglich geredet und geschrieben wird.

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II

Die Schönheit von Gedichten also. Und zwar nicht von Goethe- oder Eichendorff-Gedichten, sondern von moderner Lyrik. Auch ein Gedicht wie Goethes «Über allen Wipfeln ist Ruh» ist «schön», aber wer heute noch so schreiben würde, wäre ein hoffnungsloser Fall. Bilder von erhabenen Gipfeln, von rauschenden Bächen, das geht nicht mehr; an ihre Stelle muss anderes treten. Auch die Formen sind andere geworden; Hexameter und Jambus, das war einmal, obwohl es mittlerweile auch wieder Gedichte mit Endreim gibt. Überhaupt ist es schwieriger geworden, von «Form» zu sprechen, wo so viele Formen sich aufgelöst haben und neue Formen zwar entstanden, jedoch nur schwer abzugrenzen sind. Zwischen einem Rilke-Gedicht und einem Gedicht von Erich Fried stehen Welten, und wer das nicht glaubt, lege einmal Frieds «Maßnahmen» neben die «Duineser Elegien».
Und dennoch gibt es etwas, was Lyrik abgrenzt von Prosa, was sie erkennbar macht. Wo eine Geschichte oder ein Roman Zeit braucht, um sich zu entwickeln, Spannung zu erzeugen oder was immer auch den Leser daran hindert, zur Fernbedienung zu greifen, da muss das Gedicht in wenigen Zeilen das Gleiche leisten. Und das kann es nur durch seine besondere Sprache, die so schwer zu benennen ist: «leuchtend» vielleicht, oder «verdichtet». Dabei spielt der Rhythmus immer noch eine große Rolle, und auch die Bilder, die ein Gedicht verwendet, sind wichtig. Oft sind es ungewohnte, vielfach nur angedeutete Bilder, wie man an Gauchs Gedicht sehen kann. Dieses Gedicht besticht mit seiner Sprache. Ungeheuer konzentriert ist sie, fast möchte ich sagen: «sinnlich». Verkürzt gesagt: ein Roman kann notfalls auch mit einer schwächeren Form auskommen; für ein Gedicht ist das tödlich.

Fragen wir also ruhig einmal nach der Besonderheit der lyrischen Sprache. Und nehmen wir – pars pro toto – Gauchs Gedicht «Morgentod» dazu. Was wahrscheinlich als erstes bei diesem Gedicht ins Auge springt, sind die ungewöhnlichen Substantive in der zweiten Zeile: «Trauermund» – doch ja, das könnte man schon einmal gelesen haben; «Warteaugen» – schon schwieriger; aber «Schrittklein» – das sieht nun doch schon sehr nach Neuschöpfung der Sprache aus;. Was ja in der Lyrik nichts Ungewöhnliches ist, auch wenn das Überraschungsmoment sonst eher in der Zusammenstellung der Bilder liegt (unübertrefflich, auch hier, Paul Celan, z.B. in «Spät und Tief»: «Boshaft wie goldene Rede beginnt diese Nacht/ wir essen die Äpfel der Stummen …»)
Nun bringt der Vergleich mit Celan nicht allzu viel ein, denn dieses Gedicht ist eigentlich nicht «dunkel», auch wenn es sich gewiss nicht dem ersten flüchtigen Lesen erschließt. Wenn man genauer hinsieht, erkennt man, dass hier die Verben fehlen. Ein paar Adjektive und Präpositionen; ansonsten nur Substantive. Die Person, die hier «handelt» ist absichtlich im Unklaren gelassen. Beschrieben wird eigentlich nur ihr Gesicht: «Das kleine Gesicht im Wintermantel:/ Trauermund, Warteaugen, Schrittklein»; möglich dass es sich um ein Kind handelt, aber vielleicht ist es auch ein Erwachsener, der an einen Ort seiner Kindheit zurückkehrt. Dieser Ort ist ein Bauernhof. Der Brunnen, der hier (wiederum indirekt) erwähnt wird, läßt Vergangenes erahnen; möglich, dass dieser Hof schon lange nicht mehr bewirtschaftet wird. Allenfalls als Wohnung dient er noch, und doch ist er ein wichtiger Ort für den Sprecher, das «lyrische Ich». Durch das Gedicht bekommt dieser Ort eine Bedeutung, die der reale Hof nie gehabt hat. Die gewollte Unschärfe der Beschreibung – alles wird nur angedeutet – setzt die Phantasie des Lesers in Gang. Er ist es, der den Zwischenraum zwischen den Worten füllen muss mit eigenen Assoziationen. Seine Erinnerung wird gebraucht. Und das ist es wahrscheinlich, was den Leser schließlich in seinen Bann zieht.

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III

Die Sprache ist es also, die ein Gedicht ausmacht. Eine Sprache, die eher andeutet als benennt, die Zwischenräume schafft, die es nötig macht, dass man zwischen den Zeilen liest. Sie kann feierlich sein, ungewohnt, sie kann mit ungewöhnlich zusammengesetzten Bildern arbeiten, aber sie muss es nicht. Es gibt auch (scheinbar) lakonische Gedichte; dafür ein Beispiel aus dem «Jahrbuch der Lyrik 97/98», (in dem ich später auch Gauchs Gedicht gefunden habe):

Seit ich hier bin

Seit ich hier bin trage ich Taschen
voller Papiere, fahre ich Fahrstuhl
telefoniere, trinke Kaffee wie ein Mann
mit Terminen , liege ich schlaflos,
interpretiere, huste und reime, traurige
Tiere, spende dem Geiger in der Passage
einen Gedanken, was ist das Leben,
wenn nicht ein Geigen in den Passagen,
was kann er tun und was soll ich sagen:
Pflege Kontakte und streue Asche auf
deine Akte. So ist das hier.

Hans Ulrich Treischel

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Auch hier werden, wie in «Morgentod», Orte benannt. Aber im Gegensatz zu dem eingangs besprochenen Gedicht sind es Orte, die nicht viel bedeuten: ein Büro, der Fahrstuhl, eine Passage. Der Tonfall ist locker, ironisch. So ganz ernst scheint das «Ich» in diesem Gedicht sich nicht zu nehmen. Der, der hier spricht, ein Angestellter offensichtlich, schaut sich selbst über die Schulter. Natürlich muss er so tun, als ob er arbeite, aber er nimmt das alles nicht so eng; womöglich schreibt er sogar Gedichte in seiner Arbeitszeit.
Doch wenn man genauer hinschaut, ist die Lakonie, die einem förmlich entgegenspringt, nichts als eine Maske. Eine schwer greifbare Trauer spricht aus diesem Gedicht, eine Trauer über das mit Akten und Terminen vertane Leben. Das Leben ist ein «Geigen in den Passagen»; offensichtlich wird der Straßenmusikant zu einem Bild für das geschäftige Leben, das den armen Straßenmusikanten dort stehenlässt, wo er steht. Es gibt wohl kaum einen ungeeigneteren Ort für einen Musiker als die Straße. Leute bleiben kurz stehen und hören zu, aber sie haben keine Zeit, das ganze Stück anzuhören, also werfen sie eine Mark in den Geigenkasten und gehen weiter. Lieber als hier zu stehen würde man an der Met spielen oder bei den Wiener Philharmonikern, aber was will man machen, es gibt einfach zu viele Musiker, Künstler, Dichter, Menschen…
Es ist die Kunst dieses Gedichts, diese – doch eher schweren – Gedanken hinter der (scheinbaren) Leichtigkeit des Tons zu verbergen. Kunstvoll ist auch der Reim, der sich durchzieht, aber nicht als Endreim, sondern an den Zeilenanfängen, wo man ihn nicht beim ersten Lesen bemerkt. Überhaupt muss man auch dieses Gedicht mehrmals lesen, bis es sich einem erschließt. Aber davon sprachen wir schon.

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IV

Und da kommt mir nun ein Begriff in den Sinn, der für mein Verständnis von Literatur eine große Rolle spielt, den man aber auch auf Lyrik im Besonderen anwenden kann. Es ist der Begriff des Spiels. Gedichte – so denke ich – «spielen» mit ihrem Gegenstand. Woraus auch immer sie entstehen – und das ursprüngliche Material kann so banal sein wie es will -, sie verwandeln dieses Material.
Gedichte spielen mit Bildern, Rhythmen, Reimen, mit Assoziationen, Klängen, Bedeutungen, mit allem, was ihnen zwischen die Buchstaben gerät. Es ist ein Spiel, dessen Regeln sich nicht von vornherein festlegen lassen; aber natürlich gibt es Regeln, weil sonst das Spiel aufhörte, Spiel zu sein. Gedichte schreiben ist ein hoch artifizielles Spiel; man kann es erlernen, wie man das Jonglieren erlernen kann; man braucht dazu Begabung und einiges an Übung.
Vor vielen Jahren hat der Literaturwissenschaftler Mario Andreotti in der Schweizer Literaturzeitschrift «Scriptum» die assoziative Verknüpfung ansonsten disparater Wortgruppen, das Weglassen von Verben und die Verknappung als Zeichen eines guten Gedichts genannt.  («Was ist heute ein gutes Gedicht? Über einige Kriterien zeitgenössischer Lyrik», in: «Scriptum» 21/95) Dies können Kriterien für ein gutes Gedicht sein; sie haben aber keinen Ausschließlichkeitscharakter, wie man an dem Gedicht von Treischel, aber auch an vielen Gedichten von Brecht z.B. deutlich erkennen kann.

Sind Gedichte also Luxus? Für die Verleger ganz bestimmt; an einem Gedichtband verdienen sie nur in den wenigsten Fällen. Für die Leser wahrscheinlich auch: sie informieren weder über den Börsenkurs noch geben sie Hinweise, wie die politische Situation zu verändern sei. Womöglich sind sie nicht einmal unterhaltsam oder belehrend, wie ein Roman das sein kann.
Mag sein, dass sie einfach nur spielen: mit dem Klang, den Worten, den Bedeutungen, mit der Sprache. Dem «l’art pour l’art» stehen sie meist näher als ein Roman oder eine Geschichte. Romane müssen, Gedichte können Inhalte transportieren. Womöglich ist so manches Gedicht mehr dem schönen Klang geschuldet, als dass es wichtige Gedanken zu transportieren gehabt hätte, auch wenn ich natürlich nicht verrate, an welche Gedichte oder welchen Dichter ich denke. Auf die Klanggedichte z.B. eines Franz Mon, die allen Wert auf «Form» legen, denen die Worte nur Material sind und keine Botschaften transportieren, sei hier nur am Rande hingewiesen.

Aber warum soll ein Gedicht nicht einfach nur «Schönheit» vermitteln? Oder das Spiel mit der Sprache ins Extreme treiben, wie es die schon erwähnten Poeten tun? Sprache ist eben Bedeutung und Klang, und genau das ist es, was Gedichte sich zunutze machen. Oder andersherum: ohne diese Tatsache würden Gedichte gar nicht geschrieben werden können.
Doch ja, Gedichte sind Luxus. Und der Forderung nach Hässlichkeit kommen sie auch eher in seltenen Fällen nach. Man muss Luxus nicht mögen. Man kann durchaus auch auf ihn verzichten. Manchmal sprechen Gedichte – wie das eingangs zitierte von Gauch – von Dingen und Orten, die es (so) nicht mehr gibt.
Wer will, kann das für «reaktionär» halten. Ich für meinen Fall würde auf manches andere lieber verzichten wollen als auf Gedichte. ■

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Bernd Giehl

Geb. 1951 in Marienberg/D, Studium der Theologie in Marburg, verschiedene literarische und theologische Publikationen, lebt als evang. Pfarrer in Nauheim

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Sommer-Tanka (7)

Posted in Japanische Lyrik, Kaiser Meiji, Literatur, Lyrik, Tanka by Walter Eigenmann on 18. August 2010

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Als ich mich erhob,

Staatsgeschäfte zu versehn,

weil die Pflicht mich rief,

spürte ich des Tages Glut

und des Sommers Schwüle kaum.

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Kaiser Meiji

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Roland Merk: «Wind ohne Namen»

Posted in Bernd Giehl, Buch-Rezension, Literatur, Lyrik, Rezensionen, Roland Merk, Schweizer Literatur by Walter Eigenmann on 6. August 2010

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Beschreibungen flüchtiger Augenblicke

Bernd Giehl

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Ich bin ihm schon begegnet, dem Melancholiker R.M., der seine Melancholie so gut hinter den Beschreibungen einer normannischen Landschaft verbergen kann. Der sie nur zwischen den Zeilen hervorblicken oder sie – wie in «Skizzen einer Landschaft II» im letzten Wort aufleuchten lässt. Ich bin ihm schon begegnet – nicht an einem realen Ort – sondern in der Landschaft der Gedanken. Diese Melancholie kenne ich. Sie kann sich verbergen in den Details einer Landschaft der Normandie. Sie kann auch ausdrücklich benannt werden, wie in «Auskunft»: «Nach der Verzweiflung befragt:/ Nun ja, auch ich kenne sie, irgendwo/ an einer Straßenecke fiel sie mir/ wie eine alte Bekannte um den Hals/ seither erstattet sie mir/ regelmäßig Hausbesuche.» (S. 44) Manchmal springt sie einen direkt an und man fragt sich, ob ein Autor sich wirklich so vor seinen Lesern entblößen sollte, wie in «Prosa des Lebens – Frage des Tages». (S. 46f.) Sind Gedichte nicht ein Spiel mit Verstecken und Enthüllen, darin der Erotik ähnlich, die ja auch nicht gleich alles zeigt?

Roland Merk ist ein engagierter Autor, der eine politische Botschaft hat. Viele seiner Gedichte sagen: So geht es nicht weiter. Aber eine solche Botschaft in die Form der Lyrik zu packen ist nicht leicht. So kommt es, dass manche Gedichte zu theorielastig sind und man das alles schon hundert Mal gelesen zu haben glaubt und andere einfach nur Manifeste gegen eine Gegenwart sind, die dem Autor leer vorkommt. «Curriculum Vitae» (S.51) gehört dazu, aber auch «Auftakt» (S.9) oder «Parklandschaft in Krieg und Frieden.» (S.56) Was dort gesagt wird, kann man mindestens genauso gut in einer Glosse in der Zeitung lesen.
Zwei Ausnahmen möchte ich ihm zugestehen. Zum einen «Mission vom Mars» (S.71), wo ein Besuch von Außerirdischen auf der Erde in naher Zukunft geschildert wird, die sich nicht vorstellen können, dass es hier einmal Leben gegeben hat. Und zum anderen «Robinson» (S. 78), wo hinter der Menschheitsgeschichte bedrohlich der Abgrund sichtbar wird.

Situationen, flüchtige Augenblicke beschreiben, das kann der Lyriker Roland Merk. Und manche seiner Gedichte in seinem Band «Wind ohne Namen» haben wirkliche Qualität. Doch viele seiner Texte bleiben leider zu sehr an der Oberfläche, bergen kein Geheimnis, hinterlassen keine Spuren im Leser…

Bleibt natürlich immer die Frage, was ein gutes Gedicht ausmacht. Ob man diese Frage überhaupt theoretisch beantworten kann? Vielleicht so, dass ein gutes Gedicht seine Leser überrascht, sie vor Rätsel stellt, aber ihnen auch etwas sagt. Wobei dieses «etwas sagt» nicht unbedingt wörtlich zu nehmen ist. Es kann auch die Sprache sein, die mich anspricht, oder vielleicht nur ein paar Bilder aus dem Gedicht.
Gute Gedichte hinterlassen eine Spur in mir, sie zwingen meine zerstreute Aufmerksamkeit, sich zu konzentrieren. Womöglich sogar dazu, noch einmal nach dem Band zu greifen, weil das Gedicht mir nachgeht. Weil es mir Rätsel aufgibt, die ich so schnell nicht lösen kann.

Von dieser Qualität sind nur wenige von Merks Gedichten. Viele bleiben zu sehr an der Oberfläche, beschreiben ein paar flüchtige Augenblicke, wollen vielleicht auch nichts anderes sein als Beschreibung von ein paar Augenblicken. Andere Gedichte – «Kino» zum Beispiel (S.52) – beginnen mit einer dichten Atmosphäre, aber dann glaubt Merk erläutern zu müssen, was er meint – und damit verliert das Gedicht jeden Zauber. Situationen beschreiben – das kann der Autor, aber er traut ihnen nicht. Womöglich will er einfach zu oft etwas beweisen oder seine Leser überzeugen. Doch dafür sind Gedichte nicht geschaffen.
Besser als er selbst könnte ich’s nicht sagen: «Die wiederholten Schritte/ und Wege durchs Dickicht der Worte/ diesen Markt der Märkte/ vorbei an den Kramläden des täglichen Geschäfts/ den kindisch grinsenden Händlern/ bunter Druckfrische,/ unterwegs in ein anderes Land…» (S. 93)
Bei fast jedem Buch, das ich in die Hand nehme, hoffe ich, diesen Weg zu finden. Aber die Reise ist weit… ■

Roland Merk, Wind ohne Namen, Gedichte, Edition 8, 144 Seiten, ISBN 978-3859901551

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Leseproben

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Sommer-Tanka (6)

Posted in Japanische Lyrik, Literatur, Lyrik, Otomo no Fumimochi, Sommer-Tanka, Tanka by Walter Eigenmann on 25. Juli 2010

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Sieh, mein Garten ist

ganz in Mondenglanz getaucht –

Kuckuck, komm herbei,

wenn ein fühlend Herz du hast,

komm und singe mir ein Lied!

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Otomo no Fumimochi (8. Jh.)

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Lyrik von Julietta Fix

Posted in Julietta Fix, Literatur, Lyrik, Neue Lyrik by Walter Eigenmann on 18. Juli 2010

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Ein Fest

Da steht einer den du kennst
am Rand, an den Zaun gelehnt,
die Hände in den Taschen

Da streift ein leichter Wind
über den Platz und wirbelt Sand
auf bis unter die Achseln

Da duftet es nach Früchten
gebackenem Brot und Humus
auf den Bänken sitzen Fremde

Da geht dir ein Lied durch den
Kopf von irgendwoher nach irgend
wohin rutscht es weg

Da stehst du auf und lehnst dich
an den Zaun, vergräbst die Hände
in den Taschen

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Die innere Behörde

Das Sprechen ist ein Tier
und das Ofenrohr der Bote
Gestern aß ich die Krümel
vom Tisch und morgen
fange ich mit den Stuhlbeinen
an.

Als die Tage noch 24 Stunden
bargen, schliefen die dicken
Käfer in den Kacheln.
Heute sprengt die Sonne
die Panzer, lässt Luft an die
Haut.

Schwach ist das Licht, sehnig
der Bogen über den Augen. Innen
weht eine Fahne, Zeichen aus
Zeiten in denen das Wichtigste
nicht geschah. Ein Tausendfüßler
erinnert sich.

Hoch oben auf der Straße die
den roten Staub aufwirbelt zieht
eine Karawane. Esel sind stoisch.
Die Tage werden kürzer. Der Panzer
strickt sich ein neues Kleid. Außen
nichts.

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Platz

Im Vorhaus brennt die Zugluft. Kahle
Wände die Röhren unter Putz. Das Licht
scheint unerbittlich.

Silberfische in den Fugen amüsieren sich
in  kalkigem Wasser. Feste feiern wie sie fallen.

Das Tempo zeigt Geduld. In den dunklen
Treppenhäusern segeln bunte Kissen
von oben nach unten.

Platz bedeutet nicht unbedingt Platz.

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Julietta Fix

Geb. 1957 in Würzburg/D, Prosa- und Lyrik-Veröffentlichungen in Buch-Anthologien und Zeitschriften, lebt als freie Autorin und Herausgeberin von FixPoetry in Hamburg

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Sommer-Tanka (5)

Posted in Japanische Lyrik, Literatur, Lyrik, Maeda Yugure, Sommer-Tanka, Tanka by Walter Eigenmann on 8. Juli 2010

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In den Bäumen weht

kühl der Wind; der Sonne Licht

durch die Bäume blinkt;

plötzlich fühl’ ich selbst den Wunsch,

auch ein grüner Baum zu sein!

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Maeda Yugure (1883-1951)

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Berndeutsche Aphorismen von Barbara Warmbrodt

Posted in Aphorismen, Barbara Warmbrodt, Literatur, Lyrik, Neue Lyrik, Schweizer Literatur by Walter Eigenmann on 26. Juni 2010

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Mä cha nid so schnäu lüge wie ehrlech si.

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Mängisch brucht mä d’Lüt au nur, umnä chönne uswäg zgoh.

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Mä gschpürt meh aus mä dänkt.

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Gärn ha isch keis Müesse oder äbe grad.

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Komisch, wie eim öpper ungereinisch sympathisch isch, wenn mä vonem äs Komplimänt brchunnt.

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Villicht sett mä die usgloffene Schueh noni wägschmeisse, solang eim die neue no weh mache.

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Dr schönscht Bluemeschtruss isch dr unpflückt.

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Däheim si isch ke Ort, sondern äs Gfüehl.

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Sorry isch ä Phrase, wos eim äbe überhaupt nid leid tuet, im Gägeteil.

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Bi dä Pflanze muess mä die näh wo chöme.

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Mä verzöuht nur dene vo New York, wo au scho in New York gsi si.

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Ungfrogti Antworte si ehrlech.

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Barbara Warmbrodt

Geb. 1959 in Grenchen/CH, literarische Publikationen in Anthologien, lebt als Verwaltungsangestellte, Kunstmalerin und Schriftstellerin in Lengnau/CH

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Sommer-Tanka (4)

Posted in Japanische Lyrik, Kagawa Kageki, Literatur, Lyrik, Sommer-Tanka, Tanka by Walter Eigenmann on 20. Juni 2010

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Dass ich immer noch

läse bei der Lampe Schein,

hatte ich gemeint,

als das fahle Morgenlicht

schon mein Buch erbleichen ließ.

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Kagawa Kageki (1768-1843)

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Themen-Links

Gedichte über den SommerSommer, SonneJuni-GedichtJapanische LyrikMorgenlicht und SternenwächterHildegard von BingenSalon LitteraireMelancholie im SommerSommer in JapanAn Li-Tai-Bo

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Drei Worte-Gedichte von Wolfgang Luley

Posted in Literatur, Lyrik, Neue Lyrik, Wolfgang Luley by Walter Eigenmann on 12. Juni 2010

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Zufall

gedichte
schreiben ein zufall
ein zu fall bringen
von ballast
ein sich ballen ein sich aus
balancieren und ein
stimmen mit worten
ein brückenschlagen beiderseits
ohne beschwörungen und schwurbezeugungen
einander begegnen

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Am Puls der Wörter

Ich lebe
über Moden gehend
abseits
aber ich höre stets
den Puls der Wörter
und werde verstimmt
vom Rauschen der Laute

Ich: richtend gerichtet
von den bleibenden
den wahren Worten
wie eine
verstimmte Laute

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Sprache

Die Sprache ist mein Feld
und das Wort mein Pflug.

Die Sprache ist mein Gefälle
und das Wort mein Seil.

Die Sprache ist meine Fülle
und das Wort mein Plan.

Die Sprache ist mein Feld
und das Wort mein Stein.

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wolfgang-luleyWolfgang Luley

Geb. 1975 in Mannheim; Japanische Lyrik; Ernste und heitere Kurzprosa; Mitglied des Bundesverbandes junger Autorinnen und Autoren

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Sommer-Tanka (3)

Posted in Japanische Lyrik, Literatur, Lyrik, Okuma Kotomichi, Sommer-Tanka, Tanka by Walter Eigenmann on 11. Juni 2010

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Als ich von dem Berg

heimging, da geleitet’ mich

heim der volle Mond;

als ich dann, mein Tor im Zaun

öffnend, in den Garten trat,

trat der Mond mit mir herein!

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Okuma Kotomichi (1798-1848)

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Sommer-Tanka (2)

Posted in Japanische Lyrik, Literatur, Lyrik, Ota Mizuho, Sommer-Tanka, Tanka by Walter Eigenmann on 8. Juni 2010

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Tiefes Dunkel liegt

auf dem abendlichen Teich.

Nur an einem Fleck,

wo ein Karpfen sich bewegt,

glänzt das Wasser silberhell.

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Ota Mizuho (1876-1955)

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Sommer-Tanka (1)

Posted in Japanische Lyrik, Kaiser Meiji, Literatur, Lyrik, Sommer-Tanka, Tanka by Walter Eigenmann on 23. Mai 2010

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O wie wunderbar

spannt der blaue Himmel sich

über Land und Meer –

Ach, ich wollt’, es wär mein Herz

auch so groß und weit und rein!

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Kaiser Meiji (1852-1912)

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Frühlings-Tanka (6)

Posted in Fujiwara no Kamatari, Japanische Lyrik, Literatur, Lyrik, Tanka by Walter Eigenmann on 11. Mai 2010

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Ja, nun ist sie mein,

Yasumiko wurde mein,

die für jeden Mann

stets als unerreichbar galt –

Yasumiko wurde mein!.

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Fujiwara no Kamatari (614-669)

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Lyrik von Klaus Martens

Posted in Klaus Martens, Literatur, Lyrik, Neue Lyrik by Walter Eigenmann on 8. Mai 2010

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Mondgedicht

Ein wenig eingedellt, unten links,
Altersschatten über den Backen,
unter den Augen, auf jeden Fall:
Bald prall, voll, Cortison-Mond –

Mondgesicht, wie man sich’s vorstellt,
alterslos-alt, ausgefüllt, eingefüllt
wie ein Formular, Antrag auf Ope –
ration, einmal im Mond, Botox –

Mondverzicht bei tiefer Wolke,
doch Mond ist Pflicht, ich liebe dich,
wenn Mondlicht ist, so hell und rund,
ich: blind und dumm, mondsüchtig.

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Treibholz

Dieses fast enthäutete Stück Holz von einem vergessenen Strand
kann nicht mit einer in Bewegung erstarrten Schlange
verwechselt werden, die kieferartige Spreizung an einem Ende ist
kein zahnlos aufgerissenes Maul.

Hier und da sind braun gefleckte Fetzen Rinde fest geblieben
über dem hell und glatt gespülten Leib des gewundenen Holzes.
In den Gabelungen der zwei abgesplitterten Äste nisten –
ja, was? – ein fast versenktes, flaches, graues Steinchen

und, am Kopfende des leicht gewordenen Körpers, ein wohl runder
Stein, die auf dem Holzweg mitgenommen worden sind
und nun, nachdem sie beinah Teil geworden waren,
Kugellager fehlender Gelenke, Ruhe haben.

Ich hab verstohlen an dem Fund geschnuppert, ob nach Jahren noch
Geruch von Meer und Tang und Salz als feiner Hauch
vorhanden wären, ausgelöst aus brauner Haut durch meinen warmen Atem,
doch war da nichts zu spüren; der Rest blieb Ansichtssache.

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Fernweh

Alles drängt sich
in Bella Coola,
in Ashtabula
in Ganz-weit-weg.

Such den Nachbarn
in Owajema,
in Iwo Jima –
schon vor dir da.

Ach, bleib Zuhause
in Posemuckel,
in Huckelriede,
wenn du dich traust.

Erzähl von Bären
in deinem Zimmer
oder auch immer,
wohin du schaust.

Alles drängt sich
in deinem Kopfe,
unter dem Schopfe,
es ist ganz nah.

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Klaus Martens

Geb. 1944 in Kirchdorf/D, Studium der Anglistik und Germanistik in Göttingen, Promotion 1979, zwischen 1979 und 1989 Lehraufträge an den Universitäten Göttingen, Münster und Kassel, zahlreiche literaturwissenschatliche und übersetzerische Publikationen in Büchern und Zeitschriften, Mitglied des PEN Deutschland, diverse Lyrik-Veröffentlichungen, lebt als emer. Universitätsprofessor in Saarbrücken/D

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Fixpoetry: «Lesehefte» 1/2010

Posted in André Schinke, Buch-Rezension, Hans-Jürgen Heise, Klaus Martens, Literatur, Lyrik, Rezensionen, Robert Monat by Walter Eigenmann on 27. April 2010

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Mutige und kenntnisreiche Poesie-Trias

Klaus Martens

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Drei Gedichthefte liegen auf meinem Tisch, die im März 2010 bei FixPoetry erschienen und mit Lust, Kenntnis und Mut geschrieben sind: Die neueste, sehr frische Sammlung des poetisch keineswegs alt gewordenen Hans-Jürgen Heise zu seinem 80. Geburtstag (in «Brieftauben im Internet»); die gekonnten und hoch polierten Variationen auf Stilbildner von  Stefan George bis Friederike Mayröcker, von Volker Braun bis Karl Krolow aus dem lyrischen Pantheon von Robert Monat (in «Himmel/Haut – Variationen»); die Formkunst, die bewusst eingesetzte Tradition, die erstaunliche Stimmenvielfalt von André Schinkel, dessen Blick auf die «Richtigkeit der Dinge» überrascht und überzeugt (in «Apfel und Szepter»).

André Schinkel weiß in «Apfel und Szepter» seinen neuen Gedichten Ferne und Nähe, ausländische Bezüge und einheimisches Detaillieren anregend zu verflechten. Wenige von uns sind ohne (etwa) Pink Floyd und andere Stimmung und Losung vorgebende Gruppen aufgewachsen. So finden sie auch ihren Weg in diese schöne, neueste deutschsprachige Lyrik. Dominierten früher solche Einflüsse, so sind sie heute eingearbeitet. Ganz selbstverständlich spricht Schinkel von der «Dreamline Sangerhausen-Sakkara», findet die ägyptische Nekropole Anschluss ans Thüringische, kehrt Orientalisches in Wortwahl und Duktus in die sich erneuernde mitteldeutsche Dichtungstradition zurück – lange war nicht mehr (liebevoll) vom «duftenden Leib» die Rede oder von der «Besteigung» des Brocken im Harz. André Schinkel riskiert Altes fürs Neue. Das gefällt und macht Appetit auf mehr.

Robert Monate gibt in «Himmel/Haut – Variationen» einen Überblick über seine Vorlieben – Vorbilder? –  und spielt gekonnt auf dem (zumeist) kanonischen Klavier des vergangenen Jahrhunderts. Doch weiß er die Klaviatur zu verlängern und, jenseits von Parodie und Adaption, in der Manier der ausgewählten Autoren mit dem zeitgemäßen Wörterbuch zu arbeiten – elegant, stilsicher, selbst-bewusst: «Sie warten das Unaussprechbare ab / um noch einmal aufzustehn».

Hans-Jürgen Heises Gedichte bedürfen nicht besonderen Lobes. Sie sind erkennbar geblieben als unverwechselbar eigene. Ein Heise-Gedicht wird nicht selten von einer überraschenden Sentenz getragen (Gott kennt nur / Lebensabschnittsgefährten), Haiku- oder Tanka-hafte Bildverkürzungen (Der Scheibenwischer eine Wimper / die dem Regen / schöne Augen macht). Der Leser sieht danach klarer. Dazu verhelfen Umkehrungen des Erwarteten, unerwartete Verknüpfungen, oxymoronische Gespanne. Heise ist in «Brieftauben im Internet» ein Meister der Rhetorik im Gelegenheitsgedicht.

Zusammen genommen: die FixPoetry-Herausgeber Julietta Fix und Frank Milautzcki sind erneut zu beglückwünschen, wie die Autoren ihrer guten Wahl. ■

Drei Lesehefte 1/2010: Lyrik von Hans-Jürgen Heise, Robert Monat und André Schinkel, Lyrik-Portal Fixpoetry.com, ISBN 978-3-941296-15-2 / ISBN 978-3-941296-17-6 / ISBN 978-3-941296-16-9

Leseproben H.-J. HeiseLeseproben R. MonatLeseproben A. Schinkel

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Klaus Martens

Geb. 1944 in Kirchdorf/D, Studium der Anglistik und Germanistik in Göttingen, Promotion 1979, zwischen 1979 und 1989 Lehraufträge an den Universitäten Göttingen, Münster und Kassel, zahlreiche literaturwissenschatliche und übersetzerische Publikationen in Büchern und Zeitschriften, Mitglied des PEN Deutschland, diverse Lyrik-Veröffentlichungen, lebt als emer. Universitätsprofessor in Saarbrücken/D

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Frühlings-Tanka (5)

Posted in Japanische Lyrik, Literatur, Lyrik, Saigyō Hōshi, Tanka by Walter Eigenmann on 23. April 2010

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Dass sie an die Welt,

die so unbeständig ist,

nicht gefesselt sei’n,

bläst der güt’ge Frühlingswind

alle Kirschblüten fort!

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Saigyō Hōshi (1118-1190)

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Frühlings-Tanka (04)

Posted in Japanische Lyrik, Literatur, Lyrik, Motoori Norinaga, Tanka by Walter Eigenmann on 15. April 2010

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Auch in diesem Jahr

hab’ ich’s wiederum erlebt,

wie die Kirschen blühn –

Es ist doch ein rechtes Glück,

lebend auf der Welt zu sein!

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Motoori Norinaga (1730-1801)

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Frühlings-Tanka (03)

Posted in Japanische Lyrik, Literatur, Lyrik, Onoe Shibafune, Tanka by Walter Eigenmann on 7. April 2010

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Frei und sorgenlos

fliegen sie von Ast zu Ast

und von Baum zu Baum –

Meines Gartens Vögel sind

glücklicher, als ich es bin!

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Onoe Shibafune (19. Jh.)

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Frühlings-Tanka (02)

Posted in Japanische Lyrik, Literatur, Lyrik, Nomura Boto, Tanka by Walter Eigenmann on 23. März 2010

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Weil die Nachtigall

eine süße Stimme hat

und so gerne singt,

sitzt sie jetzt im Käfig fest –

Ja, so geht es auf der Welt!

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Nomura Bôtô (1806-67)
(Ü: Coudenhove)

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Frühlings-Tanka (01)

Posted in Hitomaro, Japanische Lyrik, Literatur, Lyrik, Tanka by Walter Eigenmann on 11. März 2010

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Selbst die Nachtigall,

die am Frühlingsberge irrt

durch den Nebeldunst,

ist verwirrter nicht als ich,

den die Liebe ganz verstört!

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Kakinomoto no Hitomaro / 8. Jh.
(Ü: Coudenhove)

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Winter-Haiku (10)

Posted in Haiku, Japanische Lyrik, Literatur, Lyrik, Shiki, Winter-Haiku by Walter Eigenmann on 28. Februar 2010

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Dünner Winterbach –

Selbst für die paar Entelein

reicht das Wasser nicht.

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Masaoka Shiki

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Winter-Haiku (9)

Posted in Chiyo-ni, Haiku, Japanische Lyrik, Literatur, Lyrik, Winter-Haiku by Walter Eigenmann on 18. Februar 2010

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Wäre nicht ihr Schrei,

merkte man die Reiher nicht

im verschneiten Feld!

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Chiyo-ni (1701-1775)

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Winter-Haiku (8)

Posted in Haiku, Japanische Lyrik, Literatur, Lyrik, Matsuo Basho, Winter-Haiku by Walter Eigenmann on 10. Februar 2010

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Hundert Jahre alt

sieht der Klostergarten aus –

Fall-Laub überall !

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Matsuo Bashô(1644-1694)

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Winter-Haiku (7)

Posted in Haiku, Japanische Lyrik, Kyukoku, Literatur, Lyrik, Winter-Haiku by Walter Eigenmann on 1. Februar 2010

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Kruspel, Kruspel, Krusp!

Frisst das Pferd das harte Stroh –

Abendlicher Schnee..

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(Kyûkoku)

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Winter-Haiku (6)

Posted in Haiku, Imozeni, Japanische Lyrik, Literatur, Lyrik, Winter-Haiku by Walter Eigenmann on 24. Januar 2010

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Keine Stimme mehr,

nicht im Feld und nicht im Dorf.

Später Mondenschein.

Imozeni

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Steffen M. Diebold: 4 Jahreszeiten-Gedichte

Posted in Literatur, Lyrik, Neue Lyrik, Steffen M. Diebold by Walter Eigenmann on 20. Januar 2010

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Pflegeheim

Was bleibt vom Tage
Stopfei und Nadel,
ein Fingerhut?
Aus dem Nähkästchen
geplaudert ein Leben
lang viel Lärm
um nichts.

Die Stehlampe der Zimmerecke,
ein paar vergilbter Fotos Alben
ein Stein, ein Epitaph –
ist es denn rechtens,
dass die Kinder vor den Eltern gehen?

Radio, Sessel, Stuhl und Bett
das Zimmer ist geräumt
noch vor die Asche
sich im Wind zerstreut.

Das Türschild abmontiert,
entsorgt die angebrochenen
«Korega-Tabs» unter den Briefen
das Grußwort der Stadt.

Was bleibt –
ein Leibfell aus Katzenhaar, das Brillenetui,
und an der Wand
«Jesus als Hirte».

Was bleibt –
an jenem Märzmorgen, der
Eiswind in den Haaren
der Kondolenten im Gegenwert
von Sperlingstränen.

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Terrassensommer

An langen Spießen spreizen
oleanderrote Kelche
instruieren zur Landung
ansetzende Paarflügler.

Lauer Wind
schüttelt die Falter
vom Flieder, und im Teich
schlendert ein toter
Fisch unter den Stein.

Am gallischen Tontopf
schwillt dekorativ
der Holzhahn, überhaupt viel
Terracotta und mediterranes
Art Deco, stilvoll drapiert,

die weniger geistvolle Amsel
stillt ihren Durst am
«Baseng» während ein dreister
Spatz über die Steingutkübel
scheißt, was für ein blendender
Sommer!

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Dienstfahrt ins Wochenende

Durch die Schatten der Frühe
fällt der Schweif des Septembers,
die Nebel lichten über
Ostrach und Upflamör.

Vom Weißdorn bewacht
steht ein Feldkreuz,
und Schneemarbeln lauschen
dem Lachen der Vögel.

Gegen weitläufige Himmel
ziehen die Wiesen,
dort schimmert rotäugig
das Obst im Gebälk.

Lichtfäden zittern
am Fachwerk.

Aus den Augen keil
mir den glimmenden Span,
wärmende Heimat
halt Hof
wieder.

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Hotelpool im Winter

Tauwassergesättigt, ihre
Bobbies an den Pool geräkelt,
sie zwitschern einen,
den andern legen sie
flach mann
und Sekt, schmeckt
frau herrlich.

Whirlperlen im Delta,
während draußen Frau Holle
die Flauschhemdchen schüttelt,
dralle Mädchen, alle
in zu engen
Eisbärkostümchen, Zuckerrüben
mit weißen
Kapuzen.

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Steffen M. Diebold

Geb. 1967, Studium der Rechtswissenschaften, der historischen Hilfswissenschaften und der Pharmazie in Tübingen, Frankfurt und Göteborg, verheiratet, zwei Töchter; Kompositionen von Klavierliedern und für gemischten Chor (a capella), zahlreiche Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien, verschiedene Auszeichnungen, lebt, arbeitet und dichtet am Fuß der Schwäbischen Alb.

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Winter-Haiku (5)

Posted in Haiku, Japanische Lyrik, Literatur, Lyrik, Matsuo Basho by Walter Eigenmann on 16. Januar 2010

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Morgendlicher Schnee.

Auch die Krähe, sonst verhasst,

heute ist sie schön!

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Matsuo Bashô(1644-1694)

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Lyrik von René Oberholzer

Posted in Literatur, Lyrik, Neue Lyrik, Rene Oberholzer, Schweizer Literatur by Walter Eigenmann on 9. Januar 2010

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Punta Scario

Die Gedichte pfeifen ums Haus
Peitschen an die Fensterscheiben

Ich lasse sie hinein
Sie rasen durch mich hindurch

Wenn sie verschwunden sind
Schreibe ich sie an die Wände

Dann ist es fast unendlich ruhig
Ich schaue mich lange im Spiegel an

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Dämmerung

Die Mittagsgedichte sitzen tief im Sofa
Sind breit und schwer
Würden sich gerne mitteilen
Doch die Sonne steht hoch

Erst wenn sie untergeht
Gehen die Gedichte nach draussen
Beginnen zu schreien
Und immer schneller zu laufen

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Einseitig

Der Himmel hängt
Voller Gedichte

Ich habe sie
Für dich aufgehängt

Du wartest nur
Auf den nächsten Regen

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Rene OberholzerRené Oberholzer
Geb. 1963 in St. Gallen/Schweiz, schreibt seit 1986 Lyrik, seit 1991 auch Prosa, lebt und arbeitet als Sekundarlehrer, Autor und Performer in Wil/Schweiz

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Simone Frieling (Hrsg.): «Die Lyrik des Abendlandes»

Posted in Bernd Giehl, Buch-Rezension, Literatur, Lyrik, Rezensionen, Simone Frieling by Walter Eigenmann on 8. Januar 2010

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Guter erster Lyrik-Überblick

Bernd Giehl

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Das ist frech, das ist rotzfrech – die Lyrik des Abendlandes in einem Band versammeln zu wollen! Und der Herausgeber heißt nicht etwa Emil Staiger oder Joachim Kaiser oder wenigstens Marcel Reich-Ranicki, der Herausgeber ist eine Herausgeberin und heißt Simone Frieling. Simone wer?
Gedichte aus 2’500 Jahren von Griechenland bis Großbritannien auf 500 Seiten – mein gelehrter Freund E. schüttelt nur stumm den Kopf. In seinem Regal steht eine vierbändige Ausgabe englischer und amerikanischer Lyrik; jeder Band so dick wie die «Lyrik des Abendlandes» von Frieling. Kann das gutgehen? Nein, sagt E., das ist unmöglich.
Aber man muss ja nicht gar so hohe Maßstäbe anlegen wie mein Freund, der ein ganzes Bücherregal mit Lyrik in seinem Wohnzimmer stehen hat. Jemand, der in der Lyrik der Welt zuhause ist, wird sich wahrscheinlich kaum eine Anthologie wie die «Lyrik des Abendlandes» ins Regal stellen. Die ist wahrscheinlich eher für Normalsterbliche wie Sie und mich gedacht, die zwar Interesse an Lyrik haben, aber keine Spezialisten sind.

Für wen ist das Buch aber dann gedacht? Wahrscheinlich doch am ehesten für Leute, die sich für Gedichte interessieren und auch schon ein wenig Ahnung von ihnen haben. Für Bildungsbürger also, die wissen, dass es nicht unbedingt das Kennzeichen von Gedichten ist, dass sie sich reimen. Die also auch nicht zu jedem runden Geburtstag eines Bekannten ein Poem verfassen und vortragen. Für die ist das Buch tatsächlich eine Fundgrube. Natürlich kann man die Auswahl eines Herausgebers – oder wie in diesem Fall einer Herausgeberin – immer kritisieren. Hätte also zum Beispiel nicht auch ein Stück aus den «Metamorphosen» von Ovid in diese Anthologie hineingehört? Oder das berühmte Gedicht von John Donne, das mit den Worten beginnt: «No man is an island entire of the sea?» Darf das wirklich fehlen? Paul Celan ist auch nur mit seinem bekanntesten (und vermutlich auch verständlichsten) Gedicht, der «Todesfuge» vertreten. Hätte nicht auch «Tenebrae» in eine solche Auswahl gehört? Oder «Spät und Tief»? T.S. Eliot muss natürlich vorkommen, aber muss es wirklich ein Katzengedicht aus «Old Possum’s Book of Practical Cats» sein? (in meiner Ausgabe der «Collected Poems» von 1974 sind die nicht einmal enthalten.)  Sicher, das «Wüste Land» oder die «Vier Quartette» sind lang, aber den Werken von Friedrich Schiller, von dem die Herausgeberin selbst sagt (S. 477), er sei «kein großer Lyriker» gewesen, hat sie immerhin dreißig Seiten eingeräumt.

Simone Frieling

Das ist überhaupt der Mangel des Buches, wenn man denn bei einer so subjektiven Anthologie überhaupt von Mängeln reden will. 25 Seiten für Goethe, 30 für Schiller, das macht dann schon 55 Seiten für zwei sicher große, aber doch recht bekannte Dichter. Und das in einer Anthologie, die – ich muss es noch einmal sagen – gerade einmal 500 Seiten für 2500 Jahre Dichtung Platz hat. Und wenn man Nachwort und Inhaltsverzeichnisse abzieht, sind es gerade einmal 475 Seiten. Da fehlt dann natürlich der Platz für Gedichte, die ein anderer (in diesem Fall also der Rezensent) gern in diesem Buch läse. Besonders bei den zeitgenössischen Dichtern wird es eng.
Aber ich will nicht päpstlicher sein als Benedikt XVI. Und so gebe ich gern zu, dass mir das Buch gefällt. Zumindest für einen ersten Überblick ist es sehr gut geeignet, denn – seien wir ehrlich – wer (außer meinem schon erwähnten Freund E.) kennt sich gleichermaßen gut in der antiken wie der Lyrik der englischen Renaissance (William Shakespeare, George Herbert, Ben Johnson) oder der Lyrik des Barock (Martin Opitz, John Milton, Andreas Gryphius) aus. Von den Gedichten der Moderne einmal ganz abgesehen. Natürlich ersetzt ein solches Buch nicht die «Columbia Anthology of British Poetry» (888 Seiten) oder «Der Kanon – Die Deutsche Literatur – Gedichte» von Marcel Reich Ranicki. Aber wer mehr wissen will, der kauft sich eben diese und ähnliche Werke.
Im Übrigen besitzt die Herausgeberin genug Selbstironie, um das selbst zu wissen. Bei ihr beschließt nämlich Hans Magnus Enzensbergers Poem «Ins Lesebuch für die Oberstufe» den Band, das mit den Worten anfängt: «Lies keine Oden mein Sohn, lies die Fahrpläne: sie sind genauer.»

Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann würde ich mir vom Anaconda (oder auch von einem anderen) Verlag eine Einführung in die Lyrik wünschen, in der (nicht nur) jungen Lesern erklärt wird, wie man lernt Gedichte zu lesen, und was man (an Lebensqualität) damit gewinnt.  Und im zweiten Teil dann – na, sagen wir: 100 besonders schöne Gedichte. Vielleicht könnte man ja Simone Frieling bitten, ein solches Buch zu konzipieren. Mir jedenfalls scheint, dass sie genug von Lyrik versteht, um so ein Buch zu schreiben.

Simone Frieling (Hrsg.), Die Lyrik des Abendlandes, Von den Griechen bis zur Gegenwart, 500 Seiten, Anaconda Verlag, ISBN 978-3866474284

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Leseproben



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Winter-Haiku (4)

Posted in Haiku, Ichiku, Japanische Lyrik, Literatur, Lyrik by Walter Eigenmann on 6. Januar 2010

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Öde Winterszeit –

Auf des Baches Grunde liegt

weggeworfnes Zeug.

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Ichiku (1708-1759)

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Winter-Haiku (3)

Posted in Haiku, Japanische Lyrik, Literatur, Lyrik, Tan Taigi, Winter-Haiku by Walter Eigenmann on 19. Dezember 2009

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Einsam gehe ich

unterm kalten Wintermond –

Wie die Brücke hallt!

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Tan Taigi (1709-1772)

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Winter-Haiku (02)

Posted in Haiku, Japanische Lyrik, Literatur, Lyrik, Yosa Buson by Walter Eigenmann on 13. Dezember 2009

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Wildes Sturmgebraus –

Felsennase reisst des Bachs

Rauschen mittendurch!

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Yosa Buson (1716-1784)

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Winter-Haiku (01)

Posted in Haiku, Japanische Lyrik, Literatur, Lyrik, Winter-Haiku by Walter Eigenmann on 6. Dezember 2009

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Weggefährte ist

mir ein einzger Vogel nur

auf dem dürren Moor!

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Senna (1650-1723)

 

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