Helmut Krausser ist in seinen Gedichten so radikal und (stellenweise) genial, dass man seinen letzten Band Verstand & Kürzungen als Vademecum stets mit sich führen sollte. Tatsächlich habe ich dieses Buch nie ins Regal einsortiert, sondern immer im Handapparat neben dem Schreibtisch stehen. Einzelne Gedichte lese ich fast wöchentlich.
Doch was seine Gedichte mit mir anstellen – “Die folgenden Gedichte können Gefühle nicht nur verletzen, sondern auch verursachen.” – vermochten seine Romane bisher nicht und auch das neuste Werk des sehr fleißigen Autoren Alles ist gut haut mich nicht vom Hocker.
Dem erfolglosen Komponist moderner Opern Marius Brandt fällt durch Zufall ein rätselhaftes Manuskript in die Hand, dessen Melodien er nach der Entschlüsselung in seine Kompositionen einbaut. Bei der Uraufführungen eines kleineren Stücks kommt es zu gesundheitlichen Beschwerden im Publikum, ein Mann stirbt sogar. Brandt ist bewusst, dass dies mit der Wirkung der Themen des Manuskripts zusammenhängt, die er selbst beim ersten Hören spürte. Die neue Art der Musik, die er nun zu schreiben im Stande ist, gewinnt einen immer größeren Einfluss auf sein Leben, das bisher von schwierigen Frauenbeziehungen und Alkohol geprägt war, sogar einen Mäzen findet er über Umwege. Nur von wessen Hand die tödlichen Melodeien sind, darauf kommt er recht spät.
In deutlicher Anlehnung an die Faustsage, die über Marlowe, Goethe und Thomas Mann, Heine, Oscar Wilde und Bulgakow zur Perfektion ausgebaut wurde, folgt auch Alles ist gut einer langen Tradition der Ver- und Bearbeitung zum klassischen Künstlerroman. Krausser nutzte die Vorlage bereits in Der große Bagarozy.
Und auch wenn man aus dem neusten Buch die wahnsinnige Klugheit und den sprühenden Humor Helmut Kraussers herauslesen kann, Seitenhiebe auf modernes Theater und moderne Oper, Intendanten und Künstler amüsant und zuweilen (wirklich) lustig sind, lässt dies nicht den Eindruck des etwas unsorgfältig geplanten Romans verblassen. Der Plot ist literaturhistorisch derart detailliert vorgegeben, dass man entweder versuchen sollte diesen in Meisterschaft zu vollenden, was selbst der selbstbewusste Krausser sich nicht vornahm, oder weiterzuentwickeln und neue Facetten zu entdecken. Ein unterhaltsames, und im Vergleich zu 90 % der übrigen Bücher ein gutes, aber nicht solches Buch, das dem Potenzial und Könnens Kraussers gerecht wird.