Fatrasien
Nonsens-Gedichte aus dem 13. Jahrhundert? - schier unglaublich!
Heute im Rahmen des Mittelaltertags in Heidelberg liest Ralph Dutli „absurde Poesie des Mittelalters" in der Neuen Universität in der Grabengasse, Hörsaal 13.
Wer auf die »Fatrasien« stößt, traut seinen Augen nicht. Wie kann es sein, dass diese surrealistisch anmutenden, erstaunlich modern wirkenden absurden Sprachspektakel im tiefsten Mittelalter entstanden sind? Eine tollkühne Fantasie hat hier um das Jahr 1290 reimend Dinge zusammengebracht, die nie und nimmer zusammengehören. Sind es Ausgeburten der Lachkultur, der Karnevalskunst, sind es hochbrisante Zaubersprüche, heilsame Beschwörungen oder purer Nonsens? Die unmögliche Poesie der »Fatrasien« gibt viele Rätsel auf. Ihr Name ist Verballhornung der »Fantasie«; alles kann mit allem verknüpft werden, Zartes und Krudes, Deftiges und Obszönes, die unverrückbaren Gesetze von Zeit und Raum sind außer Kraft gesetzt.
Die anonymen »Fatrasien« aus der nordfranzösischen Stadt Arras sind nur in einer einzigen Handschrift des 13. Jahrhunderts aufbewahrt worden. Nach mehr als siebenhundert Jahren wurden sie von Ralph Dutli erstmals ins Deutsche übersetzt und er legte damit eine bisher unbeachtete Wurzel der modernen Poesie frei.
„Nie war die Poesie freier als in diesen absurden Gebilden, nie war die pure poetische Anarchie greifbarer. Sie ist von einer staunenmachenden Schönheit. Die Fatrasie ist ein Genussgift ersten Ranges für Poeten, Literaturliebhaber und Leser.“ Ralph Dutli
Ralph Dutli: Fatrasien. Absurde Poesie des Mittelalters. Wallstein Verlag
N°7
Im Winkel einer Möse
sah ich einen Dachs
eine Goldstickerei weben,
und ein kleines Käppchen
lenkte die Landschaft Vermandois
mitten durchs Städtchen Laon.
Ich sagte ihnen auf schottisch:
„Könnte man fette Erbsen machen
Aus den Hoden eines Schmetterlings?
Und aus dem Schwanz einer Weinbergschnecke
Schlösser und Glockentürme?“
(En l´angle d´un con
La vi un taisson
Qui tissoit orfrois,
Et uns chapperon
Parmi Monloon
Menoit Vermendois.
Je lor dis ein escoçois:
„Des coilees d´un papillon
Porroit on faire craz pois?
Et dou vit d´un limeçon
Faire chastiax et beffrois?”)
Der Autor trägt aus seinem Buch vor
www.ralph-dutli.de
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