Beleidigen, verachten, pöbeln
Alle, die an die Staatsspitze gewählt werden, sagen die stereotype Phrase: „Ich will der Präsident des ganzen Volkes sein.“ Berlusconi sagte es, Chirac, Sarkozy und Hollande sagten es. Und all die andern.
Auch Präsident Trump sagte es. Das war nach seiner Wahl im New Yorker Hilton am 9. November. „I will be president for all Americans. And that is so important to me.“
Er sagte auch: „Es ist Zeit, als geeintes Volk zusammenzufinden.“ „When America is united, we can do the impossible.“ Und: „Jetzt ist die Zeit gekommen, die Wunden der Spaltung zu heilen.“
„Staatsmännisch“ – nichts davon
Bald drei Monate sind seither vergangen. Inzwischen hat Trump sein Amt angetreten.
Dass jemand im Wahlkampf über die Stränge schlägt, beleidigt, übertreibt und sogar lügt, kann man – à la limite – noch nachvollziehen.
Wenn dies aber jemand nach gewonnener Wahl und nach seinem Amtsantritt tut, wirft das Fragen auf.
„Staatsmännisch und versöhnlich“ bezeichnete die ARD-Tagesschau die Siegesrede vom 9. November. Von dem ist bisher nichts vorhanden.
Er lügt auch als Präsident
Trump tut nichts, aber auch gar nichts, um auf seine Gegner zuzugehen, um die „Wunden der Spaltung“ zu heilen. Im Gegenteil: Er beleidigt sie weiter, verachtet sie, pöbelt gegen sie. Und er lügt auch als Präsident. Ein Brückenbauer ist er wahrlich nicht. Fast täglich giesst er Öl ins Feuer.
Zugegeben: Auch jene, die die Wahl verloren haben, sollten sich nun damit abfinden. Doch anderseits sollte Trump endlich beginnen, sich als Präsident zu benehmen.
Er pöbelt nicht nur gegen die Medien, die er der Lüge bezichtigt. Wer nicht für ihn ist, wird verhöhnt. Seine Antrittsrede am letzten Freitag war eine pure Diskreditierung des abtretenden Präsidenten.
„Es geht abwärts, tot, kein Talent“
Die kleinste Kritik lässt ihn aus den Schuhen fahren. Seine zornigen Tweets zeugen davon. Wenn er nicht geliebt wird, ist er ausser sich.
Ein Beispiel ist seine Dauerfehde mit dem Chefredaktor des People-Magazins „Vanity Fair“. Das Blatt schickte einen Gastro-Kritiker in das Trump-Grillrestaurant im Trump Tower an der New Yorker Fifth Avenue. Der Kritiker titelte: „Trump Grill Could Be The Worst Restaurant In America.“
Trump explodierte. Er twitterte am 15. Dezember: „Hat jemand schon die wirklich armselige Auflage von Vanity Fair gesehen? Es geht abwärts (mit dem Magazin), grosse Schwierigkeiten, tot. (Chefredaktor) Graydon Carter, kein Talent, wird gehen.“
Ein president elect, der höchste Mann der grössten Supermacht, wettert gegen einen Gastro-Kritiker ...
(Die Auflage von Vanity Fair stieg nach diesem Tweet um 60 Prozent.)
Unberechenbar wie ein kleiner Junge
Psychologen, Psychoanalytiker und Psychiater haben sich längst der Seele des Donald Trump angenommen. Da spricht man von pathologischem Narzissmus, übersteigerter Eitelkeit, phantastischer Selbsteinschätzung, ständigem Drang, respektiert und geliebt, bewundert und bestätigt zu werden.
Werde er angegriffen, schlage er zurück, sofort, unberechenbar, wie ein kleiner Junge. Werde an dem grandiosen Image, das er von sich hat, gekratzt, werde er zur Hyäne. Er könne Kritik nicht auf sich sitzen lassen. Im Grunde sei er ein zerbrechlicher Mensch, der sich ständig bedroht fühle, ständig auf der Lauer, einen Feind auszumachen, ständig bestrebt, sich über die andern zu stellen.
Wutausbruch
Ganz in dieses Bild passt der Schlagabtausch über die Frage, wie viele Menschen an seiner Inaugurationsfeier teilgenommen haben. Er reagierte mit einem Wutausbruch, als die Medien schrieben, es seien klar weniger gewesen als bei der Amtseinsetzung von Obama vor acht Jahren.
Das seien „gezielte Desinformationen“, liess er seinen Sprecher zischen. Es kann doch nicht sein, dass jemand beliebter ist als er.
Schmäh und Hohn
Auf Karikaturen, die ihn lächerlich machen, reagiert er aggressiv und bissig. Die Parodien von Alec Baldwin in der NBC-„Saturday Night Live“-Show, in der er herrlich nachgeäfft wird, treiben ihn zur Weissglut. Und natürlich erträgt er es nicht, dass Hillary Clinton fast drei Millionen Stimmen mehr gemacht hat als er. Auch jetzt, als Präsident, spricht er von Wahlbetrug.
Als am Samstag in den USA über eine Million Menschen, vorwiegend Frauen, gegen ihn protestierten, schluckte er erstmal leer. Ausländische Politiker, die ein Fragezeichen hinter sein Benehmen setzen, bestraft er augenblicklich mit Schmäh und Hohn. Und er kann es nicht ausstehen, dass die „New York Times“, die ihn gar nicht mag und gegen ihn anschreibt, die Zahl ihrer Neuabonnenten seit seiner Wahl vervierfachen konnte.
Cholerische Reaktion
Die Wut auf seine Gegner ist grösser als die Kraft, auf sie zuzugehen. Doch gerade das würde man von einem Präsidenten erwarten. Sein Konzept ist: den Gegner verteufeln. An der Anti-Trump-Demonstration am vergangenen Samstag in Genf stand auf einem Transparent: „Baut Brücken, keine Mauern.“ Trump baut noch immer Mauern.
Viele dieser Gegner fürchten, dass er auch gefährlich werden könnte. In New York erzählt man sich die Geschichte, dass Trump kürzlich im Stau in der 42nd Street steckenblieb. In einem cholerischen Anfall sei er aus seiner Limousine gestürmt und habe mit den Fäusten auf das vor ihm stehende Auto geschlagen.
Provozieren, um gefürchtet zu werden
Analysiert man seine Äusserungen, so deutet vieles darauf hin, dass er kein stringentes Polit-Konzept hat. Einmal sagt er dies, einmal das Gegenteil. Auch jetzt als Präsident. Sein Rezept ist: Provozieren, damit man über ihn spricht, damit er im Mittelpunkt steht, damit er gefürchtet wird.
Man wird den Verdacht nicht los, dass es oft nicht um die Sache geht, nicht um das TPP-Abkommen, nicht um die Nato, Iran, das Klima, Jerusalem und anderes. Geht es unter anderem auch darum, seinen Vorgänger zu beleidigen und rückgängig zu machen, was dieser erreicht hat und wofür er gelobt wurde?
Kompletter Fehlstart
Es gibt Leute, die beschwichtigen und sagen, er soll sich nun erst mal in seinem Amt zurechtfinden. Die Suppe würde dann nicht so heiss gelöffelt wie gekocht. Vielleicht. Doch wenn ein 70-Jähriger psychisch so gebaut ist wie er, wird er sich dann ändern? Sein kompletter Fehlstart als Präsident lässt nichts Gutes ahnen.
Und wie wird sich der Narziss aufführen, wenn er plötzlich nicht mehr der Sieger ist? Reagiert er dann auch unberechenbar und cholerisch wie in der 42nd Street? Seit der Wahl haben sich Hunderttausende von ihm abgewendet. Kein Präsident war bei der Amtseinsetzung derart unbeliebt wie er. Man soll den Teufel nicht an die Wand malen, doch wohin Trump steuert, weiss wahrscheinlich nicht einmal er. Er könnte viel Unheil anrichten.
Tolle Demokratie
Müssen wir uns auf einen überheblichen Regierungsstil gefasst machen? Vieles deutet darauf hin. CNN-Journalisten behandelte er wie Schuljungen. Sein Pressesprecher, ein scharfer Hund, der bei seinem ersten Auftritt einzig die Journalisten der Lüge bezichtigte, akzeptierte keine Fragen. Tolle Demokratie.
Es gibt Leute, die Trump mit Berlusconi vergleichen. Doch der „presidente di tutti gli Italiani“ stand über der Sache.
Er bezeichnete – ganz simpel – all seine Gegner als „Kommunisten“. Und weil er selbst nicht glaubte, dass sie Kommunisten sind, lächelte er dazu – ganz unverkrampft. Trump lächelt selten, und wenn, dann verkrampft und zynisch.
Lieber Heiner Hug. Ich gehe mit ihnen einig, doch wie ist dieser Volltrottel zu bremsen? Er könnte wirklich grösseren Schaden anrichten und hinterher reibt man sich die Augen und fragt sich,
warum hat man ihn gewähren lassen? Ich glaube nicht mehr so recht an die "Checks and balances" des amerikanischen Systems.
Was ich am wenigsten verstehe, sind DIE WÄHLER, DIE IHN GEWÄHLT HABEN. Scheinbar wusste Trump genau, WIE er den Wahlkampf führen muss, um gewählt zu werden.
Das lässt sehr tief blicken auf die ENTSCHEIDUNGSGRUNDLAGEN der Wähler. Haben die eigentlich etwas anderes erwartet, als wie sich Trump nun aufführt?
The Wall!
US Border Patrol: von 1998 bis 2013 über 6000 Todesfälle am bestehenden Grenzzaun zu Mexico der unter Bush und Clinton (1993) gebaut wurde. 1994 bis 2000 Kalifornien, Anstieg der Todesfälle nach dem Bau plus 500%. 1999 bis 2002 Arizona, 1993 bis 2010 Texas. usw.
Trump baut keinen neuen Zaun, gefälschte Wirklichkeit! Er erweitert ihn, das ist eine Richtigstellung. Der Zaun hat inzwischen über 10`000 Todesopfer gekostet.
Traurige Neuzeit!.. cathari
Ich meinerseits glaube vorerst mal gar nichts mehr, was die Presse – also auch Sie – über Trump schreibt. Offenbar verzeiht man ihm nicht, trotz aller journalistischen Gegenwehr, gewählt worden zu sein. Spielt hier eine Angst vor der zunehmenden Bedeutungslosigkeit des Blätterwalds mit? In bester, will sagen schlechtester Erinnerung ist immer noch dieses Journaillemärchen mit den pinkelnden Prostituierten. Was wurde bloss aus diesen 100 Tagen, die man einem neugewählten Präsidenten gewährte, bevor man über ihn her zog?
Herr Motschi, die 100 Tage, die man einem neu gewählten Präsidenten gewährt oder gewähren soll, hat dieser Mensch längst verspielt. Er macht ja nichts anderes seit er Kandidat war und Präsident ist als zu zerstören, was eine Demokratie ausmacht. Er geht "wie ne Muni düre Chrishuufe" (das war Berndeutsch) und nicht wie man es von einem wahren Präsidenten erwarten dürfte. Seine ersten Amtshandlungen sind vor allem dazu da seinen Wählern zu beweisen, was für ein "Sibesiech" er ist. Wie nachhaltig seine wütenden und sinnlosen Handlungen sind wird sich zeigen. Wahrscheinlich sind seine Wähler die ersten, die darunter zu leiden haben, aber sie werden natürlich nicht ihrem Superhelden die Schuld dafür geben.
Als Anthony Scaramucci am WEF in Davos lauthals verkündete, was für ein genialer Präsident Donald Trump sein werde und wie staatsmännisch seine Inaugurations Ansprache sein werde, keimte bei den Optimisten noch ein letztes Fünklein Hoffnung auf. Mit der Ansprache anlässlich der Inauguration und beim CIA zerstreute Trump selbst die leisesten Hoffnungen und bestätigte der Welt,
was er ist: Ein rechthaberischer, selbstgerechter, sexistischer, drittklassiger Präsentator und Organisator vom Schönheitswettbewerben. Er kann keine zusammenhängenden, erklärende Sätze bilden und verwendet deshalb auch bei Reden seine Twitter-Sprache. Kurz und dumm. Ich glaube nicht, dass er fähig ist ab Manuskript oder Telepromter Reden zu halten.
Jeder Staatsmann/frau, der/die nach Washington gehen wird, wird ein umfassendes psychologisches Gutachten über Trump im Gepäck haben. Zum Beispiel: Schauen Sie ihm nicht länger als 3 Sekunden in die Augen. Widersprechen Sie nicht direkt, sondern blamieren Sie zuerst andere. Lassen Sie Ritalin aus dem Spiel!
Aber ehrlich: Trump ist gefährlich, weil er manipulierbar ist. Und Nethanjahu wird einer der Ersten sein, der Trump für seine Sache einspannen wird. Ich hab meinen Notvorrat jedenfalls schon mal aufgestockt!
Wie wäre es mit einer Haaranalyse? Ein Haar des Präsidenten wäre vielleicht aufschlussreich.....
Einverstanden, eine taugliche Analyse aus schweizerischer Sicht! Aber irgendwie passt sie nicht zusammen mit der Entwicklung der US-Aktienbörsen. Da haben doch der Dow Jones Industrial wie auch der NASDAQ Composite seit dem 8.11.2016 zu wahren Höhenflügen angesetzt und notieren praktisch auf Allzeit-Höchst! Der Stellenwert der alten Börsenweisheit vom "die Börse hat immer Recht" hat für mich jedenfalls noch nicht ausgedient.
Tja, ist auch kein Wunder. Trump soll den Unternehmen dir Steuern senken und die Regulierungen, grad im Bereich Umweltschutz, massiv zurückfahren. Da freuen sich die CEOs und Aktionäre wie kleine Kinder an Weihnachten. Doch lang wird der Rausch nicht abhalten.
das ist eine glänzende Analyse des Psychopathen Trump. Gratulieren! Herzlichen Dank.
Ach Lügen. Wer erinnert sich noch an das telegene: " I did not had sex with that women" eines seiner Vorgänger. Trump würde es zugeben. Wir haben ihn einfach verdient, und seine Familie sieht ja nun wirklich gut aus. Und wenn er sagt: "Es ist Zeit, als geeintes Volk zusammenzufinden.“ Und: "Jetzt ist die Zeit gekommen, die Wunden der Spalttung zu heilen," dann spürt man, dass der weis wovon er spricht, und da bin ich auch volll und ganz dafür.