GASTKOMMENTAR

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GASTKOMMENTAR

Von Gastkommentar, 28.10.2010

In der Rubrik "Gastkommentar" kommen Politiker aller Couleur, Wirtschaftsvertreter, Kulturschaffende, Wissenschafter und andere zu Wort. Die Autoren äussern ihre eigene Meinung. Heute schreibt Barbara Schmid-Federer über "Verbot der Genitalverstümmelung - echte Problemlösung oder Scheindebatte".

Barbara Schmid-Federer

Erinnern Sie sich noch an die heftigen Diskussionen rund um die Abstimmung zum Minarett-Verbot? Den Initianten der Initiative ging es offensichtlich nicht um das Verbot eines Turms, sondern vielmehr um ein Signal an die Politik, das da heissen sollte: „Wehret den Anfängen und setzt ein Zeichen - gegen Burka und Genitalverstümmelung.“ Der immer wieder abschätzig zitierten „Classe politique“ wurde vorgeworfen, sie sei untätig.

Wahr ist das Gegenteil: Die Rechtskommission des Nationalrates arbeitete just zu jener Zeit an einem neuen Gesetz gegen die Verstümmelung weiblicher Genitalien.

Das Gesetz ist nun da und man staunt nicht schlecht: Das öffentliche Interesse daran ist praktisch gleich null. Gerade deshalb, und weil das Verbot der Genitalverstümmelung richtig und wichtig ist, erlaube ich mir, dazu einige Worte zu sagen: Der Gesetzesentwurf, der in der kommenden Wintersession in den Nationalrat kommt, ist ein neuer Artikel des Schweizerischen Strafgesetzbuches, welcher die Verstümmelung weiblicher Genitalien explizit unter Strafe stellt. Erfasst werden sämtliche Formen von Genitalverstümmelung, also alle vier Kategorien, wie sie von der Weltgesundheitsorganisation WHO definiert werden. Täter, bzw. Täterin ist, wer die Genitalien einer weiblichen Person „verstümmelt“, „unbrauchbar macht“ oder „in anderer Weise schädigt“. Die Tat wird auch dann verfolgt, wenn sie im Ausland begangen wurde. Damit wird verhindert, dass Eltern für den Eingriff ins Ausland fahren und ihr Kind beschnitten wieder zurückbringen können.

Die Erfahrung im Ausland zeigt, dass eine solche Spezialstrafnorm einen hohen präventiven Charakter hat. Eltern, die ihre Töchter beschneiden wollen, wissen in der Regel genau, in welchen Ländern es eine solche Strafnorm gibt und in welchen nicht. Es ist daher wichtig, dass die betroffenen Personen erfahren, dass die Schweiz schon bald eine solche Norm besitzt.

Die Beratung in der Kommission führte bei der Erarbeitung der Gesetzesrevision zu wichtigen Korrekturen: Eine Einwilligung durch eine volljährige Person in eine Genitalverstümmelung ist nicht mehr vorgesehen. Eine solche Bestimmung war im Vorentwurf für die Revision noch enthalten gewesen und wurde schweizweit zu Recht hart kritisiert.

Weil eine Genitalverstümmelung nach dem neuen Straftatbestand kein „sinnvoller“ und „vertretbarer“ Eingriff darstellt, werden weder Eltern für ihre unmündigen Töchter, noch Erwachsene Frauen in eigener Sache in eine Beschneidung einwilligen können. Ausnahmen sind nur möglich, wenn damit aus medizinischen Gründen das Leben des Opfers gerettet werden kann (zum Beispiel bei schweren Operationen). Diese Ausnahmeregelung gilt bereits für alle anderen schweren Körperverletzungen und hat sich bewährt.

In den Materialien wird explizit erwähnt, dass freiwillig angebrachte Piercings, Tatoos oder Schönheitsoperationen nicht bestraft werden. Damit ist ein weiterer heikler Punkt auf annehmbare Weise gelöst worden. Als Strafrahmen beantragt die Kommission Freiheitsstrafen bis zu zehn Jahren oder Geldstrafen nicht unter 180 Tagessätzen.

Es hat lange gedauert, bis das neue Gesetz verabschiedet werden konnte. Das Resultat überzeugt und ist mehr als eine Scheindebatte oder ein blosses Zeichen – es sichert allen Frauen in der Schweiz die alleinige Bestimmung über ihre Sexualität und die körperliche Unversehrtheit. Nun liegt der Ball beim Nationalrat. Er hat es in der Hand, das Gesetz im Dezember 2010 zu verabschieden.

Barbara Schmid

Nachtrag: Nur im asiatischen Raum gibt es eine psychische Erkrankung namens KORO bei der sich die Männer einbilden, ihr Penis würde schrumpfen oder sich wieder in den Bauch zurückziehen ... http://de.wikipedia.org/wiki/Koro_(Psychologie)

Schrecklich, wie erwachsene Menschenen mit der Sexualität zurande kommen! Da jagen Boulevardzeitungen bei uns wochenlang Schulbuben wegen Dökterispielen und machen aus der Sexualität ein Minenfeld für alle. Ich stimme ihnen aber zu, es ist ein Verbrechen und schwere Körperverletzung was da mit Verstümmelungen gemacht wird. Der Grund liegt aber an der Haltung zur Sexualität.Es gab eine Zeit wo Elvis seine Hüften schwang, die Mädchen ihm seine Höschen zuwarfen und die sexuelle Revolution begann. Allgemein dauerte das bis in die 80iger Jahre ohne grösseren Schaden zu verursachen weil normalerweise selbstbestimmte Menschen trotzdem vernünftiges Verhalten an den Tag legten.Dann kam Aids und die Gegenbewegung der langsam alternden nachachtungsechziger Generation und der Neid auf die Jugend, der in jeder Antiagingcreme konserviert und erfahrbar ist. Geschlechtsverstümmelungen gibt es bei uns eigentlich nur bei Kulturfremden an ihren Mädchen oder bei uns an Knaben aber es ist die Steigerung der schon in unserer Kultur zunehmenden Sexualfeindlichkeit und ist eine Vergewaltigung im höchsten Mass. Untolerierbar!

Die Genitalverstümmelung ist ohne Zweifel eine schlimme Körperverletzung. Allerdings wird dabei meistens die Genitalverstümmelung bei Männern "vergessen", weil diese ja "weniger schlimm" sei. Hier zeigt sich eine Art von Sexismus, der bei der geforderten Gleichwertigkeit der Geschlechter inakzeptabel ist. Die Genitalien von Männern werden mit wenig Respekt behandelt - nur im Hinblick auf ihren Zweck eben. Und weil zB in den USA diese "Routineoperation" zusätzliches Geld bringt...

Ausser den wenigen medizinischen Notwendigkeiten gibt es keine nicht religiösen Gründe, die Vorhaut abzuschneiden. Was ich als Schwuler in den letzten Jahrzehnten an beschnittenen und dann verwachsenen Penissen zu sehen bekommen habe, erlaubt es vielen Männern nicht mehr, ihr Organ zu längerer oder variablen Lust zu gebrauchen, (ganz zu schweigen von der Ästhetik), was wiederum auch für Frauen abtörnend ist.

Genitalverstümmelungen sind archaisch und zwecks sexuell-sozialer Repression von den Religionen übernommen worden. Es ging darum, die Eindeutigkeit der Organe zu gewährleisten, in dem die Angst vor (Penis) Grösse der Klitoris und das Verschwinden des Penis unter der Vorhaut und im Körper (nach dem Gebrauch) "verhindert" werden sollte. Eine unbedeckte Eichel sammelt auch Stofffasern und Dreck auf ihrer Oberfläche...

Auch Männer haben Anspruch auf körperliche Unversehrtheit ihrer Geschlechtsorgane, soweit es nicht um Wachstumsprobleme geht, die auch mit teilweiser Beschneidung gelöst werden können. Den Religionen ist vorzuschreiben, dass die Handlung nur von ärztlich geschulten Personen und unter Aufsicht vorgenommen werden darf. "Gott hat doch diese Organe vollkommen erschaffen." Wozu daran herumschnipseln??

Wieso eine oft abenteuerlich entfernte Vorhaut weniger schlimm sein soll, als bestimmte sexuelle Handlungen an Kindern, ist nicht einsichtig.

Dass Mütter sich nicht für ihre Söhne wehren, betrachte ich als Skandal. Aber es sind auch Mütter, die ihre jüngsten Söhne zu Ehrenmorden aufstacheln - oder dazu schweigen.

Hier stehen beide Geschlechter unter Rechtfertigung.

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