Service public-Debatte nimmt Fahrt auf
Je näher die Abstimmung über die Finanzierung von Radio und Fernsehen rückt, desto intensiver wird auch über Sinn und Zweck und Zukunft eines medialen Service public diskutiert.
Es sind zur Zeit vor allem SRG-kritische Stimmen, die sich zu Wort melden. Der aktuelle Stand der Debatte im MEDIENMONITOR.
Eingekaufte Formate wie "Voice", "Bauer sucht Frau" etc. haben nichts mit Service publique zu tun. In Deutschland werden diese debilen Serien im Schrottsender RTL ausgestrahlt. Wichtige Informationen sind allzeit abrufbereit in den "social medias", also ist die SRG, wie sie heute besteht, völlig überflüssig
SRG: Nach Gebührenentscheid muss Progammrevision folgen!
Nach dem vernünftigen Gebührenentscheid im revidierten Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) muss nach der Abstimmung als zweiter Schritt die Überprüfung der SRG-Programme folgen. Es stellen sich insbesondere folgende Fragen:
1. Warum gehören das permanente Ausstrahlen von Kriminal-, Gewalt- oder Horrorfilmen und die Raser-Animation Formel-1 zum Service public?
2. Warum kann man die Ausstrahlung von Klamauk-Formaten (zum Beispiel Reality-TV) und von seichten, synchronisierten US-Unterhaltungsfilmen nicht einfach den privaten Fernsehkanälen überlassen werden?
3. Warum gibt es keine Transparenz bei den Einschaltquoten für einzelne Sendungen? Wo liegt die Schmerzgrenze bei Sendungen für kleinste Minderheiten? Sollte man solche Minderheiteninteressen nicht besser durch Printmedien abdecken lassen?
4. Warum brauchen wir mehrere Vollprogramme von 6 bis 24 Uhr? Könnte man nicht mehr Wiederholungen ausstrahlen?
Mit Sparmassnahmen an der richtigen Stelle könnten Gebühren gesenkt, die Werbefenster verkleinert oder mehr und bessere eigenständige Sendungen produziert werden.
Übrigens: Die Politik hätte sich schon lange um den konkreten Programmauftrag kümmern können, tat sie aber nicht.
Die Championsligue-Übertragungen zeigen exemplarisch, was wir an der SRG haben. Und erschreckend, was uns droht, wenn die Privatisierer am 14. Juni gewinnen. Wer etwa am Abend des 14. April auf den gut 240 Sendern bei Swisscom-TV den Championsleague-Knüller Juve Torino gegen Monaco suchte, wurde enttäuscht. Totale Fehlanzeige – auch bei den fast 20 italienischen Stationen.
Und bei diesen spielte sich teils Groteskes bis Erschreckendes ab: „Telenova“ etwa zeigte den ganzen Abend eine geschwätzige Männerrunde, die vor sich ganz offensichtlich ein Fernsehgerät stehen hatte, in dem der Match lief. Doch sie zeigten uns keine Bilder davon. Nur immer sich selber und im Ton ihre dummen Sprüche, die mitunter grobschlächtig bis obszön daherkamen: „Putta sporca!“ Damit war immerhin nicht die blonde Dame gemeint, die rechtsaussen auch noch dekorativ am breiten Tisch sass, jedoch kaum etwas sagte, und nur gelangweilt in die Kamera blickte – oder daran vorbei.
Da wurde also den Zuschauern ihr teures Fernsehgerät faktisch zum simplen Radio zurück kastriert. Wobei für Gehörlose immerhin oben im Bild eine Wanderschrift laufend über das Geschehen auf dem Spielfeld in Torino berichtete. Und als lustige Auflockerung prangte an der Wand hinter den fünf (!) Experten eine Tippkick-Fussballfeld, auf dem zwischendurch mal einzelne Spielzüge mit roten und weissen Magnetknöpfen nachgestellt wurden – fast wie in Russland jeweils bei Schachturnieren. Kurz und ungut: Totale private Publikumsgängelei, statt anständiger „Service public“. In Italien lief die Übertragung wohl auf einem Bezahl- und Profit-Kanal, der die Fussballfans auch noch in ihrer Wohnstube abzockte. Telenova war zudem nicht der einzige Sender der dem italienischen Publikum obgenannten Schabernack servierte.
Das alles wäre sehr frustrierend gewesen, hätten wir nicht unsere SRG: Sie zeigte uns auf SRF2 das Madrider Stadt-Darby Atletico gegen Real. Und auf dem zweiten welschen und dem zweiten Tessiner Kanal Juve gegen Monaco. Alles kostenlos und im Bilag-Beitrag inbegriffen. Vorab Fans in Norditalien werden dankbar unseren zweiten Tessiner eingeschaltet haben.
Das ist leider nicht immer so: Statt etwa bei den Playoff-Halbfinals im Eishockey auf dem zweiten welschen Kanal Genf gegen Zürich und im zweiten deutschschweizer Bern gegen Davos zu zeigen, lief da auf allen drei Sportkanälen immer nur eine der beiden Partien. Da könnte die SRG durchaus noch zulegen – und kundenfreundlicher werden. Ärgerlich ist vor allem, dass auch in den Pausen das andere Spiel dann nicht wenigstens zusammengefasst wird – und die SRF-Reporter angestrengt 15 Minuten lang das bereits Gesehene wiederkäuen. Man muss schon nur die Zwischen-Resultate mühsam im Teletext suchen.
Derlei unjournalistischer Unfug (die Aktualität, die den Zuschauer interessiert, wird angestrengt ausgeblendet) verärgert viele und er könnte manchen oder manche dazu verleiten, am 14. Juni doch noch gegen das neue Radio- und TV-Gesetz (RTVG) stimmen zu gehen. Die Nein-Stimmer unterstützen damit jedoch jene partikular privat interessierte Kreise um die Zürcher SVP-Nationalrätin Natalie Simone Rickli, die schon lange die SRG als Service pulic abschaffen – und auch hierzulande privaten TV-Wildwuchs à l’ Italienne einführen möchten.
Die SRG-Gegner operieren dabei auch mit klaren Falschaussagen. Etwa, dass die RTV-Beiträge nach einem Ja steigen würden. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Dank der Abschaffung der Bilag-Bürokratie, welche jährlich mehrere Duzend Millionen Franken verschlang, und weil nun alle solidarisch zahlen, kann der Jahresbeitrag von 462 um mehr als 10% auf bloss noch 400 Franken gesenkt werden. Das allein wäre Grund genug für ein Ja am 14. Juni. Der üble Schabernack mit Fussball-Übertragungen ohne Fuss und Ball vom Dienstag Abend im italienischen Fernsehen, sollte den SRG-Kritikern erst recht die Augen öffnen. Niklaus Ramseyer