Unkluge Kontroverse unter Kiews Verbündeten

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Unkluge Kontroverse unter Kiews Verbündeten

Von Reinhard Meier, 09.02.2015

Kanzlerin Merkel lanciert einen lobenswerten Vermittlungsversuch im Ukraine-Krieg. Der Westen verbeisst sich in eine unnötige Kontroverse um Waffenhilfe.

Angesichts der grauenerregenden Berichte vom Leid und Elend und den sich verschärfenden Risiken des Krieges in der Ostukraine verdient Kanzlerin Merkel hohen Respekt für ihre Initiative, zusammen mit dem französischen Präsidenten  mit dem russischen Staatschef Putin erneut direkte Verhandlungen über Auswege aus diesem Minenfeld zu führen. Niemand sonst in Europa hätte das Gewicht und die Autorität, so kurzfristig ein derartiges Krisenmanagement zu versuchen. Ob ihr entschlossener Einsatz wenigstens zu einem Waffenstillstand in der Ukraine führen wird, ist noch völlig ungewiss. Am Mittwoch dieser Woche steht in Minsk ein neues Treffen Merkels und Hollandes mit Putin, dem ukrainischen Präsidenten Poroschenko und  Rebellen-Vertretern in Aussicht.

Anstatt die Initiative Merkels demonstrativ zu stützen und zu würdigen, verbeisst man sich im Westen in eine unkluge öffentliche Kontroverse darüber, ob die ukrainische Regierung im Kampf gegen die prorussischen Rebellen, ihre russischen Söldner und Sponsoren  mit neuen Waffen beliefert werden soll. Diese Frage zu diskutieren ist zwar legitim. Und es war vielleicht ein taktischer Fehler Merkels, mögliche Waffenlieferungen zum jetzigen Zeitpunkt grundsätzlich auszuschliessen.  Es ist bei Verhandlungen mit einem so abgebrühten Gegenüber wie Putin nicht unbedingt angebracht, bestimmte Optionen und Druckmöglichkeiten völlig auszuschliessen.

Doch in den Mittelpunkt der jetzigen Debatte ist die Frage von Waffenlieferungen erst durch die grobschlächtige Rhetorik von republikanischen Senatoren aus den USA an Merkels Position gerückt. Diese warfen der wichtigsten Verbündeten Washingtons in Europa  nichts weniger als „foolishness“ (Dummheit) und  naives Appeasement gegenüber Putins Anmassungen vor. Offenbar haben Säbelrassler wie John McCain verdrängt, dass undurchdachte Waffeneinsätze einen Krisenherd eher verschlimmern können, anstatt zu entschärfen – siehe  den Irak-Krieg unter Bush junior und das Vietnam-Debakel. 

Vor allem aber gerät durch diesen undiplomatischen Hickhack aus der jetzigen Debatte das Argument in den Hintergrund, dass eine Verschärfung wirtschaftlicher Sanktionen  Putin und seine Entourage wahrscheinlich ungleich empfindlicher treffen würde, als westliche Waffenlieferungen an die weit unterlegene ukrainische Armee.  Eine solche Massnahme wäre etwa der Ausschluss russischer Banken aus dem internationalen Swift-Überweisungssystem.  Bleibt der Trost, dass bei der Erörterung der Ukraine-Krise zwischen Präsident Obama und Kanzlerin Merkel wohl differenzierterer und tiefgründiger diskutiert wird, wenn die beiden am Montag in Washington zum direkten Gespräch zusammentreffen.

Putin wird sich im Kreml vielleicht die Hände reiben ob dem übereilten Gezänk unter den Kiewer Verbündeten über die Frage von Waffenlieferungen. Doch seine Position ist keineswegs so komfortabel, wie die Pessimisten im Westen meinen.  Man erinnert sich, dass schon während des Kalten Krieges die Kassandras in unsern Breitengraden ständig die Überlegenheit des damaligen Sowjetimperiums gegenüber dem angeblich allzu kurzsichtigen, pluralistischen und deshalb meist kakophonisch debattierenden westlichen Bündnissystem beklagten. Die Geschichte hat sich dann anders entwickelt. Und für Putin gilt angesichts von  Rubel-Sturz, Ölpreiszerfall und Kapitalflucht mehr denn je, was ein erfahrener Analytiker wie Henry Kissinger schon vor Monaten über dessen Hussarenritt auf die Krim und nach der Ostukraine bemerkt hatte:  Er handelt aus strategischer Schwäche, was er als taktische Stärke tarnt.

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Die USA beanspruchen nach wie vor das Recht, in Deutschland exterritoriale Gebiete zu halten, in denen nicht nur ihre Truppen stationiert sind, sondern sogar Atomwaffen. Für diese „Sicherheitsleistungen“ muss Deutschland bezahlen. Spätestens nach dem Ende der Sowjetunion und dem Zerfall des Warschauer Paktes gibt es aber keine militärische Bedrohung mehr für Deutschland, auch wenn uns die Transatlantiker weismachen wollen, dass das neue Russland eine solche Bedrohung darstellt. Wie gehirngewaschen muss man sein, ernsthaft annehmen zu wollen, Russland könnte die Absicht haben, sein Territorium mit militärischen Mitteln erweitern zu wollen? Deutschland braucht keinen „Schutz“ von einer Nation, die weltweit mit Lügen begründete Kriege vom Zaun bricht und uns auch noch in diese hineinzieht.

„Kanzlerakte“ – was ist das? Kurz gefasst: Einen Knebelvertrag, der deutsche Regierungschefs nach obligatorischer Unterschrift unter die Befehlsgewalt der US-Regierung stellt. In der breiten Öffentlichkeit war und ist davon nie die Rede. Egon Bahr indes hat unzweideutig bestätigt, dass es sie gibt, die Kanzlerakte. Nehmen wir den SPD-Politiker als vertrauenswürdigen Zeugen und gehen davon aus, dass dieses perfide Papier tatsächlich existiert. Ist ein „Vertrag“, der den Bundeskanzler/die Bundeskanzlerin quasi zeitgleich mit dem Amtseid unter amerikanisches Kuratell stellt, nicht sittenwidrig? Und kann ein derartig sittenwidriger „Vertrag“ nicht einfach ignoriert werden?
Die „Transatlantiker“ beherrschen unsere Medien und man muss sich immer wieder wundern, dass auch unsere Regierung Entscheidungen trifft, die nur den Interessen der USA dienen und Deutschland/Europa beschädigen. Sind es nun die Transatlantiker, die unsere Regierung falsch, einseitig – also im Sinn der USA – beraten und so die zuweilen nicht nachvollziehbaren Züge deutscher Politik herstellen? Oder liegt es an der Kanzlerakte, die Frau Merkel zum Handeln gegen deutsche Interessen zwingt? Im Ergebnis macht das keinen Unterschied, moralisch gesehen schon.

Frankreich und Deutschland haben eine Friedensinitiative
zur Ukraine-Krise gestartet, ohne Beteiligung der USA.
Dafür ist Deutschland von US-Politikern in ungewöhnlich
scharfer und undiplomatischer Weise angegriffen worden.
Frankreich interessanterweise nicht. Ist das ein Hinweis
auf einen Sonderstatus Deutschlands als ein besetztes
Vasallen-Staat?

Die täglichen Nachrichten in den wichtigsten Nachrichtenmedien
klingen wie psychologische Vorbereitung auf den nächsten großen
Krieg gegen Russland. Vor dem nächsten großen Krieg mit vielen
Hiroschima und vielen Nagasaki kann uns nur eine wie die Schweiz
neutrale Ukraine bewahren. Die Ostukraine sollte eine eigene
Verwaltung mit 2 Amtssprachen bekommen, so wie Südtirol oder
wie die Kantone in der Schweiz. Das sollte die deutsche Regierung
von der Ukraine für die wirtschaftliche Hilfe verlangen, wenn es
die USA erlauben. So könnte auch Putin sein Gesicht waren, er
kann den Russen sagen, das er wenigstens etwas für die Sicherheit
Russlands erreicht hat.
Kann die Kanzlerin nicht endlich klar laut und deutlich vor allen
Mikrofonen und Kameras sagen, Wirtschaftshilfe von uns nur für
eine neutrale Ukraine mit 2-sprachiger Selbstverwaltung der Ost-
Ukraine?

Na wenn das so ist, dann werden wir ja bald die Donbasser Freischärler mit amerikanischen Waffen herumspazieren sehen... Wer übrigens noch immer glaubt, hier gehe es um irgenwelche "Werte" dem ist definitiv nicht mehr helfen. Was auch schon wieder falsch ist: Natürlich geht es um Werte, nämlich um solche ausgedrückt in Dollars... Es wird wieder einmal auf Leichenbergen Profit gemacht.

Putin wird nichts so schnell treffen, weil er von China und den Brics gestärkt wird. Gerade das sonst so zurückhaltende China hat gestern wieder diplomatisch die volle Unterstzützung für Russland betont.
Wovor soll Putin sich fürchten? Russland, China können USA innert Minuten ins komplette Desaster stürzen. China ist grösster Halter von amerikanischen Staatsanleihen und hat riesige Dollarreserven. Man hat erst letzthin angetönt man könnte diese auf den Markt werfen.
HIer wird hart gepokert, wie man sieht. Putin ist gerade dabei sich um alle von den USA enttäuschten Länder liebevoll zu kümmern.
Das geht von Griechenland über Zypern in die Türkei bis in den Iran, Kuba und selbstverständlich die Brics-Staaten.
Da werden zb. gigantische Handelsverträge abgeschlossen und gerade jetzt interessante Projekte über Forschung und Entwicklung griechischer Rohstoffe vertraglich abgesichert. Die EU hat mittlerweile Mühe Griechenland wieder zurück ins Kistchen zu drücken weil Griechenland von Russland und/oder China Geld bekommen könnte, wenn die EU nicht spuren sollte. So siehts aus! Und dann wäre noch das phantastische Projekt Seidenstrasse und der neue "Panamakanal". China und Russland können investieren und sie tun das auch. Interessant ist dabei zu sehen das China und Russland sich wieselflink mit dem Aufbau und der Entwicklung von Projekten befassen, die den eingebundenen Ländern grosse wirtschaftliche Vorteile bringen, während USA/EU damit beschäftigt zu sein scheinen alles was in diesem maroden Europa und in der "Restwelt" noch steht möglichst rasch in Schutt und Asche zu verwandeln.
UND VOR ALLEM: Während dem sie alle russisches Roulette
ausgerechnet gegen Russen spielen wollen, sterben Menschen jeden Tag seit Monaten und Jahren - Wozu soll das gut sein, wem nützt das, warum brauchen diese Leute immerzu Opfer und verbrannte Erde?
Das ist der springende Punkt:
Leute die andauernd Kriege anzetteln, andauernd und mittlerweile erwiesenermassen Milliarden von Dollars für "regime changes" investieren, permanent gegebene Versprechen und Verträge brechen und dabei kalt im Namen ihrer "Schachbrett-Strategien" töten, bomben, foltern und ganze Völker ins Elend stürzen um sie zu unterjochen - solche Leute brauchts auf diesem Planeten wirklich nicht mehr. Davon hat die Menschheit genug gehabt.
Die Menschen wollen nur in Frieden leben und ihre Kinder ernähren und grossziehen.
Frieden gibts aber nicht, solange Kriege mehr Profit einbringen.So einfach ist das, nicht wahr?
Dafür dürfen wir vielleicht auch in Europa bald über die Klinge springen -ich bin begeistert!

Die Ukraine braucht keine Waffen aus den USA.
Die Ukraine hat so viele Rüstungsfirmen noch aus
den Sowjetzeiten, dass sie noch vor kurzem unter
Janukowitsch Waffen nach Russland exportiert hat.
Da wollen nur einige US-Konzerne lukrative Geschäfte
machen und das Geld dazu soll aus Deutschland
kommen. Schöne "Freunde"!

Danke für Ihre Stimme der Vernunft, Herr Meier, aus dem Putinversteher-Nest schwirren die ersten Wespen und wir rufen den Balten, Polen und Ukrainern ein kräftiges "Hütet Euch am Morgarten" zu.

Ich bitte Sie, hören Sie doch auf in diesen Katergorien zu denken.
Putinversteher sind allermeistens Menschen die ihre eigenen Regierungen NICHT mehr verstehen. Es sind Menschen die wollen das Säbelrasseln und Kriege, Arbeitslosigkeit, wirtschaftlicher Niedergang, Hunger und Not nicht weiter zunehmen, sondern aufhören. Putinversteher sind allermeistens Menschen die nicht einsehen, warum eine bis anhin fruchtbare Beziehung zwischen D/EU und RU plötzlich durch einen (zugegebermassen US-finanzierten) Putsch in der Ukraine ins Gegenteil verkehrt wird. Und ausserdem durch sinnlose (durch bestätigten US-Druck) erzwungene Sanktionen der wirtschaftliche Niedergang in Europa noch beschleunigt und die Kriegsgefahr mit Austragungsort Europa immer wieder neu angefacht wird.
Jetzt leben wir im Jahr 2015. Zeit das zu erkennen.
Mit höflichen Grüssen
Anne Keller

Ich muß daran erinnern, dass Waffenlieferungen durch die Amerikaner immer dazu geführt hätten, dass die Lage noch schlimmer geworden sei. Er nennt die Unterstützung der Freien Syrischen Armee als Beispiel – die FSA sei heute aufgerieben, weil die Russen Assad noch stärker aufgerüstet hätten. Der Preis seien hunderttausende Tote und Millionen Flüchtlinge gewesen – eine Entwicklung, die man in Ansätzen auch heute schon in der Ukraine beobachten könne. Auch in Libyen sei es so gewesen, und auch der Irak sei nach zwanzig Jahren der militärischen Intervention und Aufrüstung durch die Amerikaner ein Land, in dem der Bürgerkrieg faktisch außer Kontrolle geraten sei – mit dem Aufstieg des Islamischen Staats (IS) als vorläufigen, blutigen Höhepunkt.
Ich bin der Auffassung, dass die Amerikaner in der Ukraine unbedingt auf die Bedenken der Europäer hören müssten – weil die Europäer tatsächlich Interessen in der Ukraine vertreten. Durch das Assoziierungsabkommen mit der EU hat Europa tatsächlich eine Rolle in der Ukraine übernommen, die darauf hinauslaufen wird, dass die europäischen Steuerzahler in der einen oder anderen Form auch finanziell die Kosten für die Entwicklung übernehmen müssen. Wenn es zu noch mehr Zerstörung kommt – was bei einem vorhersehbar unkontrollierten Einsatz von neuen Waffen und einer entsprechenden russischen Reaktion unvermeidlich ist – werden auch die Kosten immer höher werden.

Deutschland wird Milliarden an die Ukraine
überweisen müssen. Die Uraine wird damit
in den USA Waffen kaufen. Den Gewinn werden
die US-Rüstungskonzerne machen, deswegen
machen sie alles, damit Waffen in der Uraine
gebraucht werden. Ein Frieden dort stört nur die
lukrativen Waffen-Geschäfte.

Die Vermittlungsversuche von Frau Merkel
erfüllen 2 Aufgaben. Wenn damit Frau Merkel
Frieden erreichen sollte, sehr gut für uns alle
und ihre Karriere. Wenn ihre Bemühungen
unsonst sein sollten, dann hat sie wenigstens
ein Alibi, ich habe alles versucht, es ging nicht,
jetzt muß ich leider die Wehrpflicht einführen
und deutsche Männer zum dritten mal nach
Russland schicken.

sollche friedensbemühungen(will ich in diesem fall nichts unterstellen),haben wir schon in jugoslavien konflikt erlebt!damals hat geheissen,wir haben alles versucht.kann sein dass sie sehr wohl recht haben.

@gast: Tatsächlich! Es ist die Frage, ob wirklich keiner einen Dritten Weltkrieg will. Es gibt amerikanische Schachbrett-Strategien von Einziger Weltmacht, die von einem Krieg zwischen Europa und Russland profitierten, abgesehen von der Rüstungsindustrie, die eh von jedem Krieg profitiert. Dazu muss man Russland dämonisieren und die EU mit Gewalt "einigen" und nach Osten erweitern. Denn Balten, Polen und Ukrainer haben dieselben Interessen wie die USA. Und Russland will unter keinen Umständen die NATO vor der eigenen Haustür stehen haben (Schwarzmeerflotte). Die Krim war überdies bis 1954 russisch. Das Argument mit der territorialen Verletzung, verglichen mit anderen Territorialverletzungen auf der Welt, ist also etwas faul.

Die Waffenhilfe für die desolate ukrainische Armee bedeutet die Aufrüstung der Volkswehren im Osten, deren wichtigster, wenn auch unfreiwilliger Waffenlieferant, die ukrainische Armee ist. Daher resultiert die zögerliche Haltung zwischen Berlin, Brüssel und Washington.

In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung beschrieb Anfang Februar 2015 der russische Militärexperte Jewgeni Buschinski ein apokalyptisches Szenario für den Fall, dass der Ukraine-konflikt eskaliert. Sollte eine Niederlage der Bevölkerung im Donbass drohen, werde sich Russland richtig einmischen. »Und dann muss es Kiew einnehmen, grob gesagt. Dann ist die NATO in einer schwierigen Lage. Dann müsste man den Dritten Weltkrieg beginnen, das kann keiner wollen.« Will das wirklich keiner?

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