Als bei der Amtseinführung des neuen amerikanischen Präsidenten Joe Biden die junge Lyrikerin Amanda Gorman ein Gedicht vortrug, fiel unter anderem auf, wie viele weltbekannte Gegenwartsdichter in den USA gerade arbeiten, die dort genauso gut hätten stehen können: Ben Lerner zum Beispiel, der leicht überbildete Freudianer aus Kansas. Oder Louise Glück, gerade erst mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet. Oder Ocean Vuong, das postmigrantische Kind des Vietnamkriegs. Oder Ross Gay, der mit "Breath" das Schlüsselgedicht zu den "Black Lives Matter"-Protesten geschrieben hatte.
Amanda Gormans "The Hill We Climb":Die Kraft der Lyrik
Eine Lyrikerin, die Präsidentin werden will: Amanda Gorman.
(Foto: Charles Sykes/Invision/AP)In Deutschland hätte Amanda Gorman mit ihrem Gedicht an keiner Schreibschule eine Chance - zu pathetisch, zu naiv. Warum gerade das im amerikanischen Kontext jedoch alles andere als trivial ist.
Von Felix Stephan