Franz Kafka: In der Strafkolonie (Erzählung) |
Franz Kafka: In der Strafkolonie |
Inhaltsangabe: Übrigens sah der Verurteilte so hündisch ergeben aus, dass es den Anschein hatte, als könnte man ihn frei auf den Abhängen herumlaufen lassen und müsse bei Beginn der Exekution nur pfeifen, damit er käme. Auf Nachfrage des Besuchers erläutert der Offizier, der in der Strafkolonie als Richter und Henker zugleich amtiert, den Anlass der bevorstehenden Exekution. Ein Hauptmann hat heute morgen die Anzeige erstattet, dass dieser Mann, der ihm als Diener zugeteilt ist und vor seiner Türe schläft, den Dienst verschlafen hat. Er hat nämlich die Pflicht, bei jedem Stundenschlag aufzustehen und vor der Tür des Hauptmanns zu salutieren. Gewiss keine schwere Pflicht und eine notwendige, denn er soll sowohl zur Bewachung als auch zur Bedienung frisch bleiben. Der Hauptmann wollte in der gestrigen Nacht nachsehen, ob der Diener seine Pflicht erfülle. Er öffnete Schlag zwei Uhr die Tür und fand ihn zusammengekrümmt schlafen. Er holte die Reitpeitsche und schlug ihm über das Gesicht. Statt nun aufzustehen und um Verzeihung zu bitten, fasste der Mann seinen Herrn bei den Beinen, schüttelte ihn und rief: "Wirf die Peitsche weg, oder ich fresse dich." -- Das ist der Sachverhalt. Der Hauptmann kam vor einer Stunde zu mir, ich schrieb seine Angaben auf und anschließend gleich das Urteil. Dann ließ ich dem Mann die Ketten angelegen. Das alles war sehr einfach. Hätte ich den Mann zuerst vorgerufen und ausgefragt, so wäre nur Verwirrung entstanden. Er hätte gelogen, hätte, wenn es mir gelungen wäre, die Lügen zu widerlegen, diese durch neue Lügen ersetzt und so fort.
Eine Verteidigung der Angeklagten ist deshalb auch nicht vorgesehen. Das Urteil wird ihnen nicht verkündet, sondern gewissermaßen auf den Leib geschrieben. Zu diesem Zweck erfand und konstruierte der verstorbene Vorgänger des jetzigen Kommandanten die meterhohe Exekutionsmaschine. Mit besonderem Eifer zeigt und erklärt der Offizier den Apparat, dessen Nadeln den Verurteilten ihre Verfehlung immer tiefer in die Haut schreiben, bis sie unter Schmerzen begreifen, was sie getan haben. Zwölf Stunden dauert dieser Vorgang. Dann wirft die Maschine den toten Körper des Verurteilten aus. Der Reisende wollte eingreifen, möglicherweise das Ganze zum Stehen bringen, das war ja keine Folter, wie sie der Offizier erreichen wollte, das war unmittelbarer Mord.
Nach wenigen Minuten wirft die Maschine den Leichnam aus. |
Buchbesprechung: |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2002
Franz Kafka (Kurzbiografie) |