Lars von Trier: Dogville mit Nicole Kidman u. a. |
Lars von Trier: Dogville |
PrologThomas ("Tom") Edison Senior (Philip Baker Hall) lebt mit seinem gleichnamigen Sohn (Paul Bettany) zur Zeit der Großen Depression in Dogville, einer Kleinstadt in den Rocky Mountains. Der einzige Zugang, die Canyon-Road, die von Georgetown heraufführt, endet hier. Der alte Tom, ein Hypochonder, praktizierte früher als Arzt. Sein Sohn fühlt sich als Schriftsteller, wartet jedoch noch auf einen Einfall für einen Roman. Im Missionshaus predigt er regelmäßig zu den armen, puritanischen Mitgliedern der Gemeinde von Dogville. 1. Kapitel
Als der jüngere Tom abends vom Dame-Spiel mit Bill Henson (Jeremy Davies) zurückkommt und sich noch eine Weile auf eine Anlagenbank setzt ("The Old Lady's Bench"), hört er Schüsse im Tal. Bald darauf läuft eine junge Frau durch Dogville und will auf der anderen Seite weiter hinauf in die Berge. Tom hält sie davon ab und versteckt sie in der aufgelösten Silbermine, als ein Auto auftaucht. Bei den drei Insassen handelt es sich offenbar um Gangster, die auf der Suche nach der jungen Frau sind und wohl auch die Schüsse abgaben. Der Boss, der im Fond sitzt, drückt Tom seine Geschäftskarte in die Hand und verspricht ihm eine hohe Belohnung für Hinweise auf die Gesuchte. 2. KapitelGrace befolgt Toms Vorschlag und geht in Dogville von Haus zu Haus, um den Bewohnern ihre Arbeitskraft anzubieten, aber niemand macht davon Gebrauch. Erst als Tom eingreift, beauftragt Ma Ginger (Lauren Bacall) sie, das Unkraut um die wild aufgegangenen Stachelbeersträucher herum zu jäten. Dann überredet Tom auch noch Vera (Patricia Clarkson), Grace auf ihre sieben Kinder Jason, Athena, Olympia, Pandora, Diana, Dahlia (Miles Purinton, Evelina Brinkemo, Anna Brobeck, Tilde Lindgren, Evelina Lundqvist, Helga Olofsson) und den Säugling Achilles aufpassen zu lassen. Doch als Veras Ehemann Chuck (Stellan Skarsgård) nach Hause kommt, wirft er Grace hinaus. 3. Kapitel
Nach zwei Wochen versammelt die Gemeinde von Dogville sich erneut im Missionshaus und stimmt darüber ab, ob Grace bleiben darf oder nicht. Grace bereitet sich schon darauf vor, weiter in die Berge hinaufsteigen zu müssen. In ihrem Bündel findet sie Geschenke einiger Bewohner von Dogville: einen Laib Brot, eine mit der Hand gezeichnete Landkarte und andere nützliche Dinge. Am Ende stimmen sogar Chuck und der Blinde Jack McKay (Ben Gazzara) für Grace's weiteren Verbleib in Dogville. 4. Kapitel
Weitere drei Wochen später richtet Grace sich in der von Tom für sie hergerichteten Alten Mühle ein. Die beiden haben sich verliebt, wollen aber die Erfüllung ihrer Liebe hinauszögern. 5. Kapitel
Am 4. Juli feiert Dogville den amerikanischen Unabhängigkeitstag. In einer kleinen Ansprache heißt Jack McKay Grace ausdrücklich willkommen und bedankt sich für ihren positiven Einfluss auf die Bewohner der Stadt. Plötzlich muss Grace die Festtafel verlassen und sich erneut in der Mine verstecken, weil der Sheriff noch einmal heraufkommt und den Anschlag austauscht: Inzwischen wird wegen einiger Banküberfälle an der Westküste nach Grace gefahndet, und für Hinweise, die zu ihrer Ergreifung führen, gibt es eine Belohnung. 6. Kapitel
Der kleine Jason Henson stößt mit dem Fuß gegen die Wiege, in der sein jüngster Bruder Achilles liegt, provoziert Grace und fordert sie auf, ihn zu schlagen; andernfalls werde er seiner Mutter sagen, sie habe ihn verprügelt. Schließlich legt sie ihn übers Knie und gibt ihm ein paar harmlose Klapse auf den Hintern. 7. Kapitel
Grace berichtet Tom von der Vergewaltigung. Er bleibt die Nacht über bei ihr in der Alten Mühle, aber nur, um mit ihr zu reden. 8. Kapitel
Jede Nacht erhält Grace in der Alten Mühe Besuch von Männern, die sich an ihr vergehen. Bald haben alle bis auf Tom sie besessen. Als er sich auf sie legt, weist Grace ihn ab und erinnert ihn daran, dass sie sich nur in Freiheit lieben wollten.
Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
9. KapitelTom organisiert einen höflichen Empfang für die Gangster. Die kümmern sich nicht weiter darum und befreien die Gefangene von ihrem Halsring. In einem der Autos sitzt der Gangsterboss (James Caan). Grace ist seine Tochter. Als sie vor einigen Wochen fortlief, verfolgte er sie zornig und ließ auch auf sie schießen. Das bereut er inzwischen; er möchte Grace wieder mit nach Hause nehmen und bietet ihr an, die Macht mit ihr zu teilen. Grace möchte die Befehlsgewalt sofort übernehmen. Sie ist nämlich überzeugt, dass Dogville bestraft werden muss, um für andere Gemeinden ein warnendes Beispiel zu setzen. Nur so könne die Welt besser werden. Grace befiehlt den Gangstern, die Bewohner von Dogville zu erschießen und die Stadt niederzubrennen. Ausdrücklich ordnet sie an, dass Vera vor ihrem Tod zusehen muss, wie ihre sieben Kinder nacheinander erschossen werden. Tom, der Grace gesteht, sie missbraucht zu haben, um der Gemeinde Anschauungsunterricht in Mitmenschlichkeit zu geben, wird von ihr persönlich erschossen. Nur der Hund Moses überlebt das Gemetzel. |
Filmkritik:"Dogville" ist ein Stück über Durchschnittsmenschen, die durch einen Zufall nahezu uneingeschränkte Macht über eine junge Frau bekommen und dadurch korrumpiert werden. Die Bürger von "Dogville" beuten die zu ihnen geflüchtete Frau aus, vergewaltigen und erniedrigen sie. Die These lautet: Sobald jemand Macht über andere bekommt und keine Sanktionen zu befürchten braucht, bricht die zivilisierte Fassade der Puritaner zusammen und die Bestie kommt zum Vorschein. Siehe dazu auch: Stanley Milgram: "Das Milgram-Experiment", Morton Rhue: "Die Welle" und Oliver Hirschbiegel: "Das Experiment" und das Vorwort zu "Göring und Goebbels" von Dieter Wunderlich.
Am Ende wird auch das Opfer zur faschistoiden Bestraferin, die sich einbildet, zum Wohl der Gesellschaft brutal handeln zu müssen. (Auf die Idee zu dem Film habe ihn der Song der rachsüchtigen Seeräuber-Jenny aus der "Dreigroschenoper" von Bertold Brecht gebracht, sagt Lars von Trier.) Beim Schreiben des Drehbuchs hatte ich eine ganz normale Kulisse vor Augen. Dann kam mir die Idee mit dieser theaterhaften Bühnensituation. Das passt gut zu dieser düsteren Brecht-Stimmung – die kleine Stadt, in der jeder unter Aufsicht steht.
In Inhalt und Form ist Lars von Trier wieder ein bedeutender, sehenswerter Film gelungen. |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2005
Episches Theater |