Reinhard Kaiser-Mühlecker: Wiedersehen in Fiumicino (Roman) |
Reinhard Kaiser-Mühlecker:
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Inhaltsangabe:
Als Joseph Wagner den Bauernhof in der oberösterreichischen Gemeinde Pettenbach erbt, der seit 250 Jahren, also über viele Generationen, der Familie gehört, verkauft er ihn, nicht zuletzt, um im Nachhinein noch einmal gegen die landwirtschaftlichen Methoden des Vaters zu protestieren. Er studiert Agrarwissenschaften, schreibt seine Dissertation bei einem Studienzentrum mit Sitz in Wien, das sich auf Landwirtschaft, Welternährung und Entwicklungspolitik spezialisiert hat und lässt sich danach von dieser NGO anstellen. "Liebe Cecilia, ich weiß nicht, wie ich anfangen soll. Ich will Dir sagen, dass ich sehr, sehr oft an den Kongress in La Plata denke. Und kaum denke ich daran, denke ich auch schon an Dich, und alles andere verschwindet. Es ist mir, als wären wir allein dort gewesen, keine anderen Personen, nur Du und ich, und als hätte kein Kongress stattgefunden, sondern nur ein viel zu kurzes Wochenende mit Dir. – Ich habe viel darüber nachgedacht, und immer wieder kam ich zu demselben Ergebnis: Es war etwas zwischen uns, was ich noch jetzt fühlen kann, bisweilen fast zu greifen vermag. Und jetzt möchte ich es für Dich zu benennen versuchen, für Dich und mich und für uns beide." Aber sie antwortet: "Was soll gewesen sein? Wir haben uns unterhalten, haben Kaffee getrunken, haben die Zeit miteinander vertrieben. Das war wirklich nett. Aber sonst war da doch nichts. Liebe Grüße. C."
Trotz der Abfuhr bekommt Augusto sie nicht mehr aus dem Sinn, und es zieht ihn in die Nähe ihrer Wohnung. So findet er heraus, dass sie mit Josephs Freund Juan bzw. Hans zusammen ist. Zwar besuchte er täglich mehrere Vorlesungen, machte dann jedoch keine Prüfungen. Er sagte, er finde das System ärgerlich und wolle niemandem etwas beweisen. Ich erinnere mich, dass ich ein einziges Mal, weil mir diese Art, die er irgendwie aufständisch, kämpferisch fand, gegen den Strich ging, zu ihm sagte, dass das idiotisch und trotzig sei und dass er mit seiner Haltung lediglich sich selbst schade. Aber ihn schien das nicht zu berühren, er zuckte lediglich mit den Achseln. Von da an erzählte er nichts mehr von seinen Vorlesungen. Ich fragte nicht nach. Und irgendwann in diesen Jahren erzählte er mir, dass er auswandern wolle, nach Argentinien, und dann, Monate später, dass er auswandern werde, er habe schon das Ticket. Kurz darauf war er weg. Das ist nun etwa zehn Jahre her.
An seinem 20. Geburtstag beschloss Hans, Österreich zu verlassen, und genau ein Jahr später flog er nach Buenos Aires. Dort arbeitet er seither als Aufseher im Museo Nacional de Bellas Artes und wohnt in einem kleinen Apartment im Stadtteil Belgrano. Immer schon hatte ich auffallend große Schwierigkeiten, andere Menschen zu verstehen. Auch mein Vater war so gewesen – der Unterschied war nur: Ihm war es zeitlebens nicht aufgefallen; ihn hatte es nicht gequält. In der Hoffnung, dem Geliebten näherzukommen, überredet Savina ihn zu einem verlängerten Wochenende in Mar del Plata, aber er bricht den Aufenthalt vorzeitig ab und weist sie zurück, als sie sich im Zug an ihn schmiegt: "Ich sagte, dass ich jetzt lesen wolle." Da stand sie auf und ging. Ich verstand: Ich hatte sie verärgert. Doch ich wollte dieses Buch studieren. Sie hatte schließlich gesehen, dass ich las. Sie setzte sich ins Nebenabteil, und ich konnte mich in Ruhe dem Buch widmen. Zu Hause in Buenos Aires sitzt er vor seinem Laptop am Schreibtisch, als sie hinter ihn tritt und ihm die Hände auf die Schultern legt. Sie spürt, wie er sich bei der Berührung verkrampft und sagt:
"Es wird Zeit, dass du hier ausziehst. Ich weiß nicht, wie ich es dir anders sagen soll, aber du bringst mir kein Glück."
Joseph versucht nicht einmal, Savina umzustimmen. Noch am selben Abend zieht der 32-Jährige in ein Hotel in der Nähe. Dort wohnt er drei Wochen lang, dann fliegt er nach Österreich zurück, ohne sich von Savina, Hans oder Augusto zu verabschieden. "Irgendwie tut er mir leid. Weißt du? Er hat keinen Halt. Dabei bräuchte er so dringend einen. Und jetzt zieht er in die Einöde und tut, als wäre sein Leben schon vorbei. Hab ich dir übrigens erzählt, dass er Mesner werden will?" |
Buchbesprechung:
Der Roman "Wiedersehen in Fiumicino" von Reinhard Kaiser-Mühlecker handelt von entwurzelten Menschen. Die meisten von ihnen sind um die 30 Jahre alt und repräsentieren eine verunsicherte Generation in einer aus den Fugen geratenen globalisierten Welt. Aber es geht in "Wiedersehen in Fiumicino" auch um einen jüdischen Greis, der vor den Nationalsozialisten aus Österreich nach Argentinien geflüchtet ist. "Joseph, du bist grau geworden." |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2016
Reinhard Kaiser-Mühlecker: Schwarzer Flieder |