Martin Walser: Der Lebenslauf der Liebe (Roman) |
Martin Walser: Der Lebenslauf der Liebe |
Inhaltsangabe:
Düsseldorf 1987. Der achtundfünfzigjährige Rechtsanwalt Edmund Gern und seine zwei Jahre jüngere Frau Susanne ("Susi") sind seit zweiunddreißig Jahren verheiratet und bewohnen mit ihrer Tochter Cornelia ("Conny") sowie den Katzen Domino und Jeannie ein Penthouse ("Dachpalast"). Susi konnte verlangen, dass die Geliebten ihres Mannes feste Partnerschaften hatten [...] Entweder du bringst das Heimchen sofort dazu, dass sie wieder mit einem zusammenlebt und den dann wieder mit dir betrügt, oder ich kündige den Vertrag. (Seite 17)
Die Freiheit, die Edmund einforderte, wurde auch von Susi beansprucht: Von 1962 bis 1965 hatte sie den libanesischen Studenten Salim als Geliebten. Darauf folgte Shankar, ein Inder aus Kenia. Die Affäre mit dem Tunesier Dababi Lotfi dauerte von 1968 bis 1972. In dieser Zeit steckte sie ihm 55 000 D-Mark zu, und als er wegen Drogenhandels ins Gefängnis musste, besuchte sie ihn dort drei Jahre lang. Nach dem Verhältnis mit Dirk Pfeil von 1974 bis 1977 gab Susi bis vor zwei Jahren immer wieder Kontaktanzeigen auf, um sich Liebhaber zu beschaffen. Aus Angst, zu dick zu werden und den Männern nicht mehr zu gefallen, litt sie zwanzig Jahre lang unter Bulimie. Zu den "Annoncenmännern" gehörten auch Ferdi und Klaus. Als sie herausfand, dass Ferdi sich nur aufgrund einer Wette mit ihr eingelassen hatte, zerstach sie die Reifen seines Cabrios und verlangte, dass er zur Strafe 100 Mark für UNICEF spendete. Klaus ließ sie gleich nach der ersten Nacht sitzen. Um sich zu rächen, zeigte Susi ihn bei der Polizei an und behauptete, er habe sie bestohlen. Der Name, den er ihr genannt hatte – Klaus Schneider – war zwar falsch, aber Susi konnte das amtliche Kennzeichen des Porsche angeben, in dem er sie nach Hause gefahren hatte. Die Ermittlungen ergaben, dass der Wagen seiner Freundin gehörte; er hieß Klaus Gottschling, war zweiundvierzig und arbeitete als Dekorateur in einem Kaufhaus.
Dann musste sie Conny noch mitteilen, dass sie nie einen Geliebten gewollt hätte, der dem Vater hätte das Wasser reichen können. Conny wollte wissen, was das bedeute, das Wasser reichen. Das seien Männer gewesen unter dem Niveau des Vaters. Sie habe auch Männer kennen gelernt, die Niveau hatten. Hat sie abgelehnt. Akzeptiert nur solche, denen gegenüber sie die Stärkere war. Sie hat eigentlich gar nicht nachgedacht darüber, ganz instinktiv blieb sie nur bei Männern, die keine Konkurrenz waren für den Vater. (Seite 337)
Mit auf Kredit gekauften Aktien verspekuliert Edmund Gern sich an der Börse. Obwohl er inzwischen an Parkinson erkrankt ist und wegen seiner Blasenschwäche Windeln tragen muss, besucht er weiterhin regelmäßig seine Geliebten. Am 1. September 1995 tritt er aus seiner Sozietät aus und beginnt, millionenschwere Investitionen überall in der Welt zu vermitteln. Weil er bei seinen Geschäften längst den Überblick verloren hat und die erträumten Gewinne ausbleiben, werden aus 7,5 Millionen D-Mark Vermögen 2,5 Millionen Schulden. Aber peinlicher als die Enge auf dieser Bett-Couch war dann eine der Sprungfedern, auf die Susi zu liegen kam [...] Dann lag er schließlich auf Susi, der sogenannte Geschlechtsverkehr fand statt, aber Susi spürte weniger Khalil als diese eine aufständische Sprungfeder der Bett-Couch. Alles, was von oben auf sie herunterkam, presste sie auf diese durch den Stoff so gut wie nicht mehr gedämpfte, offenbar messerscharfe Stahlfeder. Zum Glück war Khalil kein Hammer. Aber weh genug tat's auch so. Innen genauso wie außen. Dass er sich überhaupt in sie hineinbrachte! Dagegen war ihre Entjungferung damals eine tolle Rutschpartie gewesen. Sie wollte nicht wissen, wo es mehr wehtat, da, wo die Sprungfeder in den Rücken stieß und schnitt, oder innen [...] Wahrscheinlich ging das überhaupt nicht mehr. Mit ihr. Zu alt. Zwölf Jahre lang war da nichts und niemand mehr drin gewesen. Nein, elf. (Seite 402ff) Khalil zieht in ein frei gewordenes Einzimmer-Apartment in der Etage, in der auch Susi und Conny wohnen. Dort lernt er für die Prüfungen. Zum Schlafen kommt er in Susis Bett. Die beiden heiraten am 16. April 1999 auf dem Standesamt, obwohl damit Susis Witwenrente wegfällt und Khalils Vater aus Protest keine Schecks mehr aus Casablanca schickt. Ihn heiraten, das hieß nun wirklich, bei Rot über die Straße rennen. (Seite 412) Als strenggläubiger Muslim blickt Khalil zwar keinen anderen Frau nach, aber er geht auch nicht auf Susis harmlose Sonderwünsche im Bett ein. Sein Studium bricht er schließlich ab. Zur Hochzeit seines jüngeren Bruders fliegt er für dreieinhalb Wochen nach Marokko. Sogar am Silvesterabend 1999 lässt er Susi allein. Erst gegen Mitternacht ruft er an und entschuldigt sich, weil seine gerade aus Marokko zurückgekommenen Landsleute Said und Fatima so viel zu erzählen hatten. Als die Glocken läuten, steht er in der Tür und nimmt Susi in die Arme. Conny meint: "Mer blewe zusamm wie Kätzke und Tätzke bes zom Lewejottsdach." (Seite 525) |
Buchbesprechung:
In "Der Lebenslauf der Liebe" schildert Martin Walser, was eine aus kleinen Verhältnissen stammende, an der Seite ihres Mannes steinreich gewordene und nach dessen Tod verarmte Düsseldorferin in den Jahren 1987 bis 1999 durchmacht.
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2005
Martin Walser: Die letzte Matinee |