Feridun Zaimoglu: Liebesbrand (Roman) |
Feridun Zaimoglu: Liebesbrand |
Inhaltsangabe:Der achtunddreißigjährige Deutschtürke David hat als Börsenmakler so viel Geld verdient, dass er erst einmal nicht mehr zu arbeiten braucht. Als ihn eine Tante in der Türkei um Hilfe bittet, fährt er nach Ankara. Ich hatte diese Busfahrt angetreten, um einen Familienstreit zu schlichten, meine Tante hatte, ganz gegen ihre Gepflogenheiten, eine schlichte Bitte geäußert, die Bitte, ihren wildgewordenen Stiefsohn zur Vernunft zu bringen, der wenige Monate nach dem Tod seines Vaters gegen die Tür meiner Tante gehämmert hatte und schließlich von ihr eingelassen worden war. Er kam gleich zur Sache, forderte seinen Anteil an der Wohnung, denn er, der Sohn aus erster Ehe, halte zwei Fünftel der Räume, in denen sie, seine angenommene und nicht leibliche Mutter, weiter zu leben gedachte. Er berief sich auf die Gesetze der Logik, einer alleinstehenden Frau stünde so viel Wohnfläche einfach nicht zu, und deshalb wäre es keinesfalls herzlos von ihm, ihren Auszug aus der Wohnung und den unverzüglichen Verkauf zu fordern, er hätte Schulden und könne die Eintreiber nicht auf bessere Tage vertrösten ... (Seite 20f)
David lässt sich von dem Stiefsohn seiner Tante den Geldbetrag nennen, den dieser benötigt, ruft seine Bank in Deutschland an und bittet darum, einen nicht unbeträchtlichen Teil seiner Ersparnisse noch am selben Tag auf das Konto des jungen Türken zu überweisen. Entnervt nimmt er den Nachtbus, um sich vor der Rückreise nach Deutschland noch ein paar Tage lang an der Ägäis zu erholen. Ich bin hier, sagte sie, weil ich dich fragen will, ob wir es dabei belassen. Wir sind zwar kein Paar mehr, aber wir können trotzdem miteinander schlafen. (Seite 61)
Sie schläft dann aber doch nicht mit ihm. David reagiert gelassen auf das Ende der Beziehung. Er denkt ohnehin an die Frau, die ihm nach dem Unfall in der Türkei zu trinken gab. NI steht für Nienburg an der Weser. Kurzerhand fährt er hin.
Ich will dein Geliebter sein, sagte ich und rechnete fest damit, dass sie mich wegen meiner dramatischen Worte in die Schranken wies. Sie wandte den Blick ab, sie spielte mit ihrem Silberring. Enttäuscht geht David zu seinem Wagen. Bevor er losfahren kann, klopft Tyra an die Seitenscheibe und steigt ein. Sie lotst ihn zu einem Hotel und schläft mit ihm. Am anderen Morgen findet er einen Zettel von ihr: Ein Liebhaber kannst du mir nicht sein. Ich führe mein Leben. Du führst dein Leben. Ich will dich nicht näher kennenlernen. Es bleibt bei dieser Nacht. Werben ist zwecklos. Lebwohl. (Seite 108)
Die Rückfahrt nach Kiel unterbricht David in Hamburg und lässt sich von einer Straßenprostituierten, die sich Jacqueline nennt, mit ins Zimmer nehmen. Dort erklärt sie ihm, die vereinbarten 50 Euro seien nur für die Miete. Alles andere koste extra. Wütend wirft er ihr das Geld hin und geht. Sie sind nicht ihr Studienfreund, sagte er leise, wenn ich Sie hier in meinem Laden noch einmal sehe, werfe ich Sie eigenhändig raus. Und jetzt hauen Sie lieber ab. (Seite 137)
Enttäuscht von einer Südeuropäierin, in die er sich verliebt hatte, kehrt Gabriel, Davids bester Freund, nach Kiel zurück. Ein Volk, das aus einer Wurzel gewachsen war, sah anders aus – sie hatte es auf dem Herweg behauptet, komplett verkommen, hatte sie ausgerufen, komplett gelöscht das Feuer, da ist kein Liebesbrand mehr, wer liebt, kommt um, alle Hochzeiten, alle Lieben, aller Patriotismus bloß noch berechnet und bilanziert, wie kann man sich nur gemein machen mit den Tölpeln aus dem Westen; ihr seid, wie ihr seid, und deshalb sind wir nicht, wie wir waren [...] (Seite 189)
Am Abend erhält David an der Rezeption seines Hotels ein Paket. Das sei für ihn abgegeben worden, heißt es. Er reißt es auf. Es enthält drei Patronenhülsen. Aufgebracht rennt David zurück auf die Straße – und wird von Jarmilas eifersüchtigem Ex-Freund zusammengeschlagen.
Du schläfst auch in diesem Bett. Du schmiegst dich an mich. Du legst den Arm um mich. Du umfasst meine rechte Brust.
Als ihr seine Hand zu heiß wird, stößt sie ihn weg, und er muss wieder aufs Sofa.
Du verfolgst mich, sagte sie tonlos und hielt ihre Dozententasche vor die Gürtelschnalle.
Tyra erzählt ihm, dass sie ihre Doktorarbeit über Marketenderinnen schreibe. Für den nächsten Abend verabredet sie sich mit ihm zum Essen. Doch zur vereinbarten Zeit erscheint statt Tyra ein Herr, der David erklärt, sie sei verhindert und ihn auffordert, sich von ihr fernzuhalten, sie nicht länger zu belästigen. [...] du möchtest, dass ich einen armen wehrlosen Säufer zusammenschlage, rief ich heiser, was bist du für eine niederträchtige Frau, was sind das für Mutproben, die ich bestehen soll, damit du mir einen Kranz auf den Kopf legst, hau ab und such' dir einen Mann, der genauso gestört ist wie du, Frau. (Seite 275) Während David noch mit Tyra in einem Café sitzt, ruft Gabriel an und teilt mit, dass Davids Wohnung in Kiel von Einbrechern verwüstet wurde. Als David nach seiner Rolex fragt, meint Gabriel:
Ich denke, die ist nicht echt.
Zum Glück haben die Einbrecher die unter der Matratze versteckte Uhr nicht gefunden.
Das war's? In dieser Nacht schlafen David und Jarmila miteinander.
Ich hätte es nicht erwartet …
Obwohl David weiß, dass er Jarmila damit das Herz bricht, kündigt er ihr wenige Tage später an, er werde Tyra nach Wien folgen. Ich bin kein Mann [...], man darf mich begehren. (Seite 310)
In einer Kirche in Wien sieht David Tyra wieder. Sie sei bei einer Freundin in Neapel gewesen, erzählt sie, um ihr zu helfen, eine mehrjährige Beziehung mit einem trostlosen Mann zu beenden. Sie wollten ihn zusammen ermorden. Aber der Mann weinte so, dass Tyra es nicht übers Herz brachte, ihm etwas anzutun und ihre Freundin im Stich ließ. Die erschlug ihren Liebhaber allein und sitzt jetzt im Gefängnis.
Das war's, sagte sie, hier hört es auf. Tyra verschwindet, und David weiß, dass es kein Wiedersehen geben wird. [...] es war doch vorbei, ich war heil davongekommen, und die Frau, für die ich weiterleben wollte, nahm meine Liebe nicht an [...] (Seite 362)
Jarmila rief schon mehrmals an, aber er ging nicht ans Handy. Als sie es jetzt wieder versucht, meldet David sich. |
Buchbesprechung:
Feridun Zaimoglu wurde am 4. Dezember 1964 in Anatolien geboren. Im Jahr darauf kamen seine Eltern mit ihm nach Deutschland. In Kiel studierte er Kunst und Medizin, betätigte sich dann aber als Kolumnist, Schriftsteller und Dramatiker. 2005 war er Stipendiat der Villa Massimo in Rom. Am 11. August 2006 saß Feridun Zaimoglu mit seiner Mutter in einem Bus, der in der Türkei verunglückte. Zwölf Reisende kamen bei dem Unfall ums Leben, einundzwanzig wurden schwer verletzt. Feridun Zaimoglu und seine Mutter kamen glimpflich davon. Mit einem ähnlichen Unfall beginnt sein Roman "Liebesbrand". |
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2010
Feridun Zaimoglu: Abschaum (Verfilmung) |