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Heckenschützen


Schwarz verlauste Kapuzinerkresse kriecht zwischen den Kirschlorbeerbüschen, diesen braven, blanken, die dem Ausländeramt zu Füßen kauern. Auf der Verkehrsinsel an der Ecke Amsinkckstraße verknotete Ringelweiden. Hopfen an und auf der Nordkanalbrücke. Aus Angst vor seinen abertausend Krallen, die auf dem Lack kreischende Kratzer hinterlassen, reihen sich die Autos auf dem Mittelstreifen aneinander, um am Fuß der Brücke wütend wieder auseinander zu scheren. Vollgas und ab nach Hause ins Grüne.

25.04.2007 12:08:18 

Erzählen Sie mir doch nix von Armut/-beit, Herr von Sowieso!


Stolzt Da Löve also die Konrad-Adenauer-Allee runter. Eine ranke, elegante Erscheinung. Lange, geruhsame Schritte trotz der schiefgelaufenen Absätze, die Hose abgetragen, aber gebügelt. Armut schändet nicht, nur eben gepflegt. Sie will sich auch überhaupt nicht beklagen im Land der Export- und leider auch Jammerweltmeister, wo kämen wir hin, sie packt sich selbstverständlich an die eigene Nase, sucht die Schuld und kriegt prompt Lust auf eine Zigarette. Daher bückt sie sich nach einer nahezu unberührten Kippe vor dem Drob-Inn. Die Junkies scheinens ja zu haben. Umso besser. Und da liegt ja auch ihre Schuld! Sie fühlt sich weniger elend, wenn sie die Knie damenhaft beugt, um sich nach dem Müll zu bücken und ihn anschließend in den Mund zu stecken, als wenn sie ihn mit einem Greifer aufklaubte, dazu mit einem scheußlichen Anorak angetan, weil ihr das Amt diesen Job anschaffte.
Frühsommersonne, Brise, in der Ferne der sehnsüchtige Ruf einer Dampflok. Alles umsonst, Primzahlen, Glück.

23.04.2007 13:09:03 

Heckenschützen


Mit Brechstangen hebelt ein Trupp Gartenguerilleros die Betonplatten vom Gehweg.
Auf der Bank zwischen den amerikanischen Eichen sitzt die Vietnamesin. Ihre Erregung verbirgt sie hinter fiebrigem Lachen und ihr Lachen verbirgt sie hinter ihrer Hand, die sie auf den Mund presst. Oh-oh Ärger, gluckst sie, das nicht erlaubt.
Aus dem Fenster im ersten Stock fliegen Bonbons auf die Straße. Görkemli! ruft eine Frauenstimme.
Die Birken, die gepflanzt werden, hatten sich durch den rissigen Asphalt auf dem Hühnerposten gestemmt. Die Bauarbeiten für das achtstöckige Gebäude mit überdachtem Atrium, in dem später Versicherungsangestellte lustwandeln sollen, haben begonnen.

20.04.2007 10:50:45 

The Power of Löve


Q: Hello there, Lady Löve. I would like to ask ya some questions about the loneliness of power.
LL: Hu!?
Q: Well, you reign the empire of be09.
LL: Sorry to interrupt you, but that is not correct. be09 is reigned by itself.
Q: But you are part of be09.
LL: Right.
Q: Sooo... then ya reign be09.
LL: Okay. I reign be09.
Q: And be09 is like the sun, always up, never down.
LL: Yeah.
Q: I guess many o' people wanna be part of that.
LL: I wish they would.
Q: They wanna be friend witchu.
LL: With be09.
Q: And that is the loneliness I am talking about. How can you tell if people really mean you and not just a portion of power?
LL: First: everybody should have the power, so - welcome, everybody! And second: if that means people give me stuff - even more welcome, everybody!
Q: Damn hippies!
LL: Ye-ah, man. Got it! Ecstatic peace!

Gestern. Von be09 an be09. Zu Händen Löve H.

color animal de nuell

Robert! Fernando! Henry!

12.04.2007 11:43:32 

Menschen der Lüfte


Ich streng mich an, die Tauben Tauben sein zu lassen, einfach Tiere, die sich das alles auch nicht ausgesucht haben, sie schlüpften aus Eiern, was blieb ihnen übrig, was bleibt ihnen übrig, irgendwo müssen sie ja leben und legen, neue Eier, aus denen neue Tauben schlüpfen, aber dann: warum flattern sie, gurren, rucken, kacken, sterben sogar im Lichtschacht vor meinem Küchenfenster, in diesem Drecksloch, so schäbig, so grau, warum lassen sie sich im Sturzflug, mit angelegten Flügeln in diesen Abgrund fallen und brüten zwischen den Stalagmiten ihrer eigenen Scheiße ihre Nachkommen aus, die dann wiederum -

10.04.2007 13:39:13 

Heckenschützen


Irgendwann wird einer kommen, sie kaufen und schleifen und dann richtige Bürotürme hochziehen. Bis dahin stehen die beiden Zwölfgeschosser geduldig und verrotten bei lebendigem Leibe. Manchmal stürzen Gebäudeteile ab. Um Passanten auf Abstand zu halten, hat man Barrikaden aus Betonkübeln errichtet. Mitgeliefert wurde der anspruchslose, traurige und daher geschätzte Cotoneaster.
Im Vorübergehen, leicht wie der Wind, streut einer von denen, die noch in den verlassenen Großraumbüros irrlichtern, Wildblumensaat zwischen das verrenkte Gestrüpp.

02.04.2007 10:21:06 

Drums and Guns


There is an austere and graceful power in the best of Low's work and Drums and Guns is filled with that sort of cathedral-sense from the set's opening Drums and Guns mostly consists of opaque lyrics unusual noises with Drums and Guns is an awesome and haunting record Low is one of the best bands in skirted the idea that Drums and Guns is a political record most of its key lyrics many times you can count the instrument layers on Drums and Guns with one hand the lyrics follow suit too where a half-paragraph or sentence can comprise where Sparhawk sings Let’s bury the hatchet like the Beatles and the Stones his formula has worked for Low for a decade and guides Drums and Guns had a tendency toward bleak lyrics but the opening lines of Drums and Guns with Drums and Guns they may have gone a bit too far as much as I love Low and consider them one of the best rock music songwriting entities ever Drums and Guns to say the war weighs heavily on the American psyche is no the electronically dominated Hatchet is the closest Low's gotten to
Low
Even Lower


29.03.2007 11:17:40 

Heckenschützen (bei Nacht)


Einer der Männer von der Tiefbaufirma steht in meinem Empfangszimmer. Die Wände sind mit dunklen Eichenpaneelen verkleidet. Ich weiß nicht, wer das gemacht hat. Es ist der Mann, dessen Augenblau von der anderen Straßenseite, vom anderen Ende der Straße deutlich zu erkennen ist.
Ja bitte?, frage ich.
Die Arbeiten sind abgeschlossen, wir ziehen weiter. Wir haben alles gemacht wie abgesprochen.
Abschied für immer. Wir stehen in inniger Umarmung. Plötzlich leckt er mir über die Mundwinkel. Mein Gott, wenn meine Familie das wüsste! Ich wage allerdings nicht, seinen Speichel abzuwischen. Er könnte gekränkt sein, zumal er alles gemacht hat wie abgesprochen. Ich weiß ja nicht einmal, ob er schon gegangen ist.
Mit nassem Gesicht stolpere ich also die Treppen runter. Vermutlich, denn nun stehe ich vor dem Haus, um nach meinem Garten zu sehen.
Nichts ist wie abgesprochen. Der Himmel, der Asphalt, die Autos: schnelles, gleißendes Grau. Der Mann, der in abgerissenen Klamotten vor dem Betriebshof der Bahn Panflöte spielt ist auch Grau. Es handelt sich nicht um einen versehentlich eingestellten Schwarz-Weiß- Modus, denn jedes Grau hat eine andere Note, gelblich, bräunlich usw. wie in der Werbung für Männerautos. Außerdem ist der Kleinbus der Tiefbaufirma, der jetzt die Straße entlang schleicht, leuchtend orange. Die Männer drinnen starren mich an. Sie warten wohl auf ihren Kollegen. Ich spüre das glycerinöse Glänzen seiner Zungenspuren auf meinem Kinn. Wie abgesprochen. Nichts ist.
Die eine Fläche haben sie bis zur Unkenntlichkeit verdichtet, auf der anderen den Schuttcontainer abgestellt. Und dann die Eiche an der Einmündung. Das war der Bagger. Ausleger und Stiel steil ausgestreckt, die Zähne des Tieflöffels krachen von oben in die Krone. Ich bestelle telefonisch zehn Tuben Rindenersatz.
Du schaffst das, sage ich zu dem halben Baum und schleppe schon mal den Container auf die Fahrbahn. Es kommt zu einer Massenkarambolage. Eine Frau schießt auf mich. Ich winke ab. Erst jetzt bemerkt die Kuh meine schneidige Uniform, erkennt an den je vier metallisch glänzenden Käfern auf meinen Schulterklappen meinen Rang. Sie salutiert und ist sofort bereit, sich selbst vor den Pflug zu spannen.


28.03.2007 11:45:15 

Heckenschützen


Die Dunkelheit, das Gutachten und drei Biere lasten schwer im Kopf des Stadtplaners.
Man wünscht, erklärt er müde, die Architektur unverstellt, sauber, monumental. Wenn überhaupt Geld dafür zur Verfügung steht, wird Begrünung dekorativ eingesetzt. Von den ökologischen oder gar psycho-sozialen Effekten ist da keine Rede. Wucherndes Grün löst die Konturen der Architektur auf. Kann ich noch ein Bier haben?
Übers Feuer reicht ihm einer eine Flasche. Ein Hund buddelt im schroffen Boden auf der Baulücke am Sonninkanal. Dunkel klatscht das Wasser an den Uferverbau aus Beton.
Gehen wir rudern! verlangt eine Frauenstimme. Einer klemmt sich den Hund unter den Arm, dann steigen alle die Leiter zu den beiden Booten hinunter.

26.03.2007 11:45:33 

*


Der Raddatz hat dem Lockenwert seine Zappa-CD, die dieser wiederum dem Stuhl geliehen hatte, heimlich aus dem Stuhl seinem CD-Regal entwendet, weil der Raddatz den Stuhl hat bestrafen wollen. Der Stuhl hat nämlich dem Raddatz seine Moloko-CD verschlampt. Das hat der Raddatz dem Lockenwert gesteckt, als der seine Zappa-CD im Raddatz seinem CD-Berg eindeutig indentifiziert hat. Leider, hat der Raddatz gesagt, dem Lockenwert die, eben eigentlich dem Lockenwert seine Zappa-CD aus der Hand gerissen und sich mit mit seinem knochigen Arsch drauf gesetzt, leider habe nun er, der Lockenwert Pech gehabt und er solle sich beim Stuhl beschweren.

05.03.2007 12:11:54 

Ich erkläre hiermit


Ich habe weder Stil noch Durchhaltevermögen. Ehrgeiz, sicher! Es ist bloß - was es nicht alles zu wissen gibt! Landläufig verbreitet ist die Meinung, nur Kater seien rot. Die Wahrheit ist: Die Erbinformation für die Fellfarbe rot ist bei Katzen mit dem X-Chromosom verknüpft und quasi hyperdominant. Wenn eine Kätzin also Schildpatt oder (in seltenen Fällen, sehen Sie!) rot ist, werden ihre Söhne immer rot sein, ihre Töchter jedoch nur, wenn auch der Vater (Kater) rot ist. Weil es sehr wenige rote Kätzinnen gibt, gibt es nur sehr wenige rote Kätzinnen. Ich muss das wissen. In einem Text werde ich evendöll einen roten Kater erwähnen. Geht in Ordnung – Sowieso – Genau. Witwelich, für dieses Adjektiv habe ich keine Verwendung, aber es hat sich fest eingenistet. Der Gebrauch von Adjektiven wird in gewissen Kreisen als Zeichen schlechter Literatur gewertet. Die klassische Rockbandbesetzung wird in gewissen Kreisen als Zeichen schlechter Musik gewertet. Meine Liebe zur Rockmusik wird in gewissen Kreisen als Zeichen mangelnder Vornehmheit und Intelligenz gewertet. Ich will meinen Spaß. Mae West war 39 Jahre alt, als sie ihren ersten Film drehte. Sie schrieb Bühnenstücke, Drehbücher und Romane. Man: "I'm crazy about you." Tira: "I did my best to make you that way." Man: "What are you thinking about?" Tira: "Same thing you are ..." Brain: „Geht dir das Selbe durch den Kopf wie mir, Pinky?“ Pinky: „Ich glaub schon, Brain, aber meinst du wirklich, dass es einen Absatzmarkt für Bleistifte mit Schinkengeschmack gibt?“ Brain: „Komm, Pinky, wir müssen uns auf morgen Abend vorbereiten...“ Pinky: „Wieso, Brain? Was wollen wir denn morgen Abend machen?“ Brain: „Das Selbe was wir jeden Abend machen, Pinky. Wir versuchen, die Weltherrschaft an uns zu reißen.“ Als ich ein Kind war / Hatte ich auch große Pläne / Wie ich die Welt ändern wollte / Mir war es ernst / Dann war es aber so / Dass ich eine Menge an mir selbst / Änderte / Immer wieder / Habe ich plötzlich das Gefühl / Es wäre besser gewesen / Meine Pläne weiter zu verfolgen / Ein weltumspannendes Imperium / Und ich – / Kein Herrscher / Ein König der Herzen / Ein gutes Vorbild / Für alle. Auf diese Weise kann natürlich kein Text entstehen, den es stilistisch länger als ein paar Zeilen zusammenhält. Einmal habe ich mich bei Helge Schneider um einen unbezahlten Praktikumsplatz bewerben wollen. Im Traum stand ich zum Gespräch vor ihm. Er saß in einem Eisessel, so wie ich es einmal im Fernsehen mitgekriegt hatte und in jedem Winkel schmunzelten die herrlichsten Dinge. Ich: „Wo ist denn das Klo?“ Helge: Erklärt mir den Weg, einfach oder umständlich oder antwortet nicht. Ich gehe los, es gibt eine Menge Treppen, auf und ab, um die Ecke, keine Türen. Auf einer Empore sitzen zwei attraktive Jungs an einem Tisch beim Frühstück. Sie sitzen mit runtergelassenen Hosen auf Toiletten und eine ist sogar noch frei. Keine Ahnung, ob ich mich dazu gesetzt habe. Das aber ist die entscheidende Frage.

(Liege mit Kind im Bett. Ich: „Nu hör mal auf zu quatschen.“ Kind streichelt meine Haare. Warm hängt der Atem über uns. Kind: „Ich streichel deine Haare.“ Ich: „Hmmm.“ Es ist dunkel und knackt manchmal leise. Kind: „Meine Finger riechen nach Kacke.“)

02.03.2007 14:22:37 

Heckenschützen


Das wird nicht schön.
Freudlos bleckt der ältere Herr seine langen, gelben Zähne. Er zeigt auf die Pfeifengrasbüschel, die ein nervöser Spund mit blassen Händen zwischen die Lanzen der Schwertlilien und die noch aufgerollten, riesigen Asseln ähnelnden Blätter des Farns pflanzt.
Ich mach das hier nur. Weil, die hat hier einer hingestellt, die Töpfe und ich find die, also, ganz schön, eigentlich.
Buschrosen müssen da rein, drei Stück, weiß, rosa, weiß, wie Blumensträuße. Aber das Unkraut da, was glauben Sie, kann ich ein Lied von singen, war Hausmeister beim Asyl drüben.
Sie meinen die Ausländerbehörde?
Freilich. Fragen Sie mich mal. Schlimm. Also wirklich, armes Deutschland sag ich da und über den Pflanzkasten müssen Sie mit dem Dampfstrahler drüber. Mache jetzt nur noch Heckenschnitt. Aber das. Das wird nicht schön.

28.02.2007 13:40:55 

Der Vetter meines Nachbarn



pressluft


alter


19.02.2007 10:37:19 

Der Vetter meines Nachbarn



nicht faust


gewaltig

16.02.2007 22:43:41 

Der Vetter meines Nachbarn



ist auch mein nachbar


made in saarbrigge

14.02.2007 10:31:45 

Heckenschützen


Als sei der rosengesäumte Ebereschenhain an der Straßenecke immer schon da gewesen und habe ihn niemals interessiert, schleppt der halbnackte, übergewichtige Pudel sich an Bäumen und Büschen vorbei zum Rinnstein, um sich zu erleichtern. Oh, so etwas herrliches, girrt seine Besitzerin, habe sie nie gesehen. Viel öfter müsse es das geben, ach, wenn doch.
Zwei Autos umkreisen nervös den Platz, auf dem sie doch immer, gestern noch geparkt worden sind.
Der Hund hat einen großen Haufen aus sich herausgedrückt und wird nach Hause geführt.

13.02.2007 13:12:42 

Yippie, Yippie, Yeah! Yippie Yeah! Krawall und Remmidemmi!


Deine Mutter ist zum Klassentreffen in die Schweiz gereist, protestantische Damen um die achtzig. Du bist unser rich kid, achtundfünfzig mit Blick über den Garten auf die Alster und ziemlich großzügig. Nicht, dass einer von uns drauf angewiesen wäre. Wir sind alle zu annehmbaren Konditionen aus dem Berufsleben ausgestiegen, aber so unbeschwert wie du gibt sonst keiner das Geld aus. Und jetzt gibst du eine Party, wie nett von dir. Der Weinkeller ist wirklich erstklassig bestückt. Auch der Whiskykenner wird fündig. Claire Dommenget will tanzen. Der schwere Eichentisch zieht Kratzer ins Parkett. Claires graues Haar trimmt ein erstklassiger Coiffeur auf Blond.
Yippie, Yippie, Yeah! Yippie Yeah! Krawall und Remmidemmi!
Ein im Grunde schlichter, aber riesiger Lüster glitzert über uns. In der Schellackpolitur der Biedermeierschränke spiegelt sich Meißner Porzellan. Axel von Elm reisst beim Lachen den Mund so weit auf, dass man seine Platin überkronten Backenzähne sehen kann. Wie alle ohne festen Wohnsitz trägt er seinen Besitz gern bei sich und er sieht auch nichts dabei, ihn zu zeigen. Gold, Brillianten, große Mengen Bargeld in mehreren Währungen. Wir nennen ihn auch Gipsy. Udo Siemers verfüttert Kaviar an die Ladies. Will you still feed me, when I’m sixty-four. You'll be older, too. Du stehst neben der Büste deines Vaters, siehst ihm ziemlich ähnlich und ein klein wenig verzweifelt aus.
Yippie, Yippie, Yeah! Yippie Yeah! Krawall und Remmidemmi!
Inzwischen wird tatsächlich auch den Tischen getanzt. Walter Kessler trampelt auf dem Esstisch rum, den wir vorhin ans Fenster geschoben haben. Neben der Tür schüttelt sich Hildegard Brandt-Jammar auf einem Mahagonie-Tischchen. Die chinesische Elfenbeinschnitzerei, einen lebensgroßen Hahn in Angriffshaltung, hat Hardy in die Ecke gestellt. Walter trägt tatsächlich ein Toupet und Hildegards Gesicht glänzt fettig braun. Wir stehen auf den Stühlen und klatschen im Takt. Walter schreit: „Ich will nackt sein!“ Irgendeiner bespritzt ihn zur Erfrischung mit Champagner. Rainer Kimmel legt mir einen Nerzmantel über die Schultern. Er selbst trägt einen Blaufuchs, der seinen prägnanten Zügen einen interessanten Hauch von Unseriosität verleiht. Walter reisst das Fenster auf und schreit in den Garten: „Ich will nackt sein!“. Ich kann mir kaum vorstellen, dass die Nachbarn davon viel mitkriegen.
Yippie, Yippie, Yeah! Yippie Yeah! Krawall und Remmidemmi!
Komm spieß mal nich so rum, ja? Bist du nicht der, der immer anstößt "auf die Erfahrungen in diesen Ruinen von Leben“? Privat bei reichen Eltern, was kann es schöneres geben.
Yippie, Yippie, Yeah! Yippie Yeah! Krawall und Remmidemmi!


Für Thorsten, Nikolai und Deichkind

10.02.2007 23:42:17 

Heckenschützen


Mit Spitzhacken und Spaten brechen im Halbmond-, halb Laternenlicht zwölf Freigärtner den hochverdichteten Schotterboden auf.
Hier, der Rosenkönig stützt sich auf seinen Spaten, hatte Brockes, Dichter und Gründungsmitglied der Patrioten, seinen Garten. Hier traf er Telemann, hier gediehen seine Ideen von Gemeinnützigkeit, Offenheit und Toleranz, während sein Nachbar, der Kaufmann Hitz seine Rosenalleen mit einer Schiffsladung Kaffee düngte.
Okay. Und jetzt grab weiter, Mann. Unsere Toleranz hat Grenzen.

06.02.2007 14:04:12 

Draußen funkelten die Sterne über Wiesen und Wäldern, in der Küche des kleinen Häuschens eskalierte die Situation


Im vierten OG, links, steht in goldenen Klebebuchstaben der Name Krämer an der Tür. Über der Tür ist eine Überwachungskamera angebracht. Dass das Gerät ein hochwertiger Fake ist, fällt eigentlich gar nicht auf. Zweifel sät die unsinnige Ausrichtung der Kamera. Markus Wolter und Ricardo Pacheco da Silva, die hinter der Tür leben, sähen auf dem Bildschirm ja nur den Scheitel des Subjekts vor der Tür, vielleicht die Nasenspitze und das erst im letzten Moment. Fasst man also an die Kamera, um sie noch etwas unsinniger zu justieren, zum Beispiel auf die stellenweise schorfige Deckenfarbe, rutscht das Kabel aus dem Loch in der Wand, ein glatt abgeschnittener Kabelstummel, und man fühlt die Leere in dem hochwertigen Kamerachassis. Andere Sicherheitsvorkehrungen bei Student Engelbrecht und seinem Vetter Feiner Struck in der Wohnung gegenüber, viertes OG, rechts. Mit dem rechten Zeigefinger klingle ich dort, während ich mit dem linken Daumen den Türspion abdecke.

05.02.2007 11:06:57 

Ich gehe nicht in Bars und ich will auch keine Freunde


Gerumpel im Treppenhaus. Fast sofort öffne ich die Wohnungstür. Ein ungewohnter Geruch, schon an der Grenze zum Unangehmen, ein frischer Geruch nach Zitrone, ein zitroniger Zitronenmelissen-Geruch rammt mich. Eine Männerstimme macht Geräusche, „Ungk“ und „Arrgh“, ich höre schwere Fußtritte, vielleicht, wahrscheinlich beidfüßige Sprünge. Die Treppe knarzt nicht einmal leise, als ich mich weit über das Geländer hänge. Der zitrusfrische Zitronenmelissengeruch wird sogar noch stärker, so stark, dass ich ihn überhaupt nicht mehr für wahr nehmen kann. Im dritten Stock sehe ich Jörg Kleinschmidt auf dem Treppenabsatz vor seiner Wohnung herumspringen, eine Pflanze zertrampeln, mit beiden Füßen verschmieren, eine Pflanze, die ich jetzt als Zitronella, die bekannte Pflanze zur Mückenabwehr identifiziere. „Das nervt mich.“ Jörg Kleinschmidt steht plötzlich still, seine Arme hängen entspannt am Körper herunter und er sieht, soweit ich das aus diesem spitzen Winkel beurteilen kann, auf die zerfetzte, völlig vernichtete Pflanze herunter. „Oh Mann! Das. Nervt. Mich.“ Er geht dann einfach in seine Wohnung und macht die Tür hinter sich zu. Das Selbe tue ich.

01.02.2007 23:57:08 

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