ein bild

Marie Antoinette nach Drehschluss


Das Wiener Zuckerl Marie Antoinette. Torten und Trüffel türmen sich im Film um die Habsburgerin und Bourbonengattin Ludwigs XVI. Unterdessen regiert in Frankreich der Hunger. Mägen knurren, Menschen murren. Dass sie gesagt haben soll „Die Leute haben kein Brot? Sollen sie doch Kuchen essen!“ bestreitet die Film-Königin entschieden.

Da der sexuelle Hunger in der verschlafenen Bettstatt Ludwigs XVI. ungestillt bleibt, nascht die sinnenfrohe Pop-Queen halb Frankreich leer. Das letzte Bild der üppigen Verfilmung, die das Lost-in-Translation-Thema von der räumlichen auf die zeitliche Achse verlagert, datiert auf den 6. Oktober 1789: Unter dem Druck darbender Revolutionäre verlassen Kutschen mit der königlichen Familie das pompöse Schloss von Versailles in Richtung Paris. Wenn der Film endet, beginnt für Marie Antoinette ein anderes Leben. Die Wirklichkeit zieht ein.

Drei Jahre lang speist die Familie im Kreise der Dienerschaft noch verhalten standesgemäß. Dann werden die Tuilerien gestürmt, die vierköpfige königliche Familie in das Staatsgefängnis Le Temple überführt. Die Tafel wird kleiner. Der König wird im Januar 1793 geköpft, der Dauphin im Juli von der Mutter getrennt, dann auch die 15jährige Tochter. Marie Antoinette, die früher auf Politik pfiff und Diplomaten düpierte, stellt in ihren letzten Jahren zwangsweise Ernährung und Lebensstil um: morgens Suppe, mittags ein Gemüsegericht und abwechselnd Geflügel oder Kalbfleisch, Obst, dazu Wasser.

Als Häftling besinnt sie sich auf ihre gute Erziehung, nimmt ihr Schicksal, so gut es geht, in die eigene Hand. Auch Nähnadeln. Noch in den letzten Wochen zupft sie aus den Tapeten ihrer Zelle Fäden, um es zu Schnürband zu polieren – Textilkunde stand bereits auf dem Stundenplan ihrer strengen Mutter Maria Theresia.

Trotz schmaler Kost erlebte die letzte Kammerzofe Rosalie Lamorlière ihre Herrin lange bei „ziemlich gutem Appetit; sie schnitt das Geflügel in zwei Teile, damit es zwei Tage reiche. Mit unglaublicher Leichtigkeit und Geschicklichkeit fand sie die Knochen heraus. Von dem Gemüse, das ihr zweites Gericht darstellte, ließ sie kaum etwas übrig.“ Erst, als Mitte Oktober das Revolutionstribunal das Todesurteil fällt, vergeht der Angeklagten der Appetit.

Noch am gleichen Tag soll die Hinrichtung erfolgen. Marie Antoinette erleidet einen Schwächeanfall. Die Kammerzofe: „Madame, ich habe eine Fleischbrühe auf dem Herd stehen und Fadennudeln; Sie müssen bei Kräften bleiben, erlauben Sie mir, Ihnen etwas zu bringen.“ Madame unter Tränen: „Bringen Sie mir die Fleischbrühe, Rosalie.“ Die Zofe berichtet weiter: „Ich holte sie, und sie setzte sich auf, konnte aber nur ein paar Löffel davon hinunter schlucken; ich bezeuge vor Gott, dass ihr Leib keine andere Nahrung erhielt, und außerdem konnte ich mich davon überzeugen, dass sie sehr viel Blut verlor.“

Die umfassende Diät kommt zu spät. Am nasskalten Herbstmorgen des 16. Oktober 1793 zeigt sich, wie sehr sich die leichtsinnige „Österreichische“ („L’Autrichienne“) beim französischen Volk verhasst gemacht hat. Den Ehemann, trübes Schlusslicht der neunhundertjährigen Königslinie der Kapetinger, hatte im Januar eine Kutsche zu seiner Hinrichtung gefahren. Auf „Witwe Capet“ wartet nur ein Karren.

Abfahrt: 11 Uhr. Die Delinquentin, verurteilt wegen Hochverrat und Unzucht, trägt ein Morgenkleid aus weißem Pikee, dazu eine einfache Linonhaube. Abgenommen ist das auf Hofgemälden sichtbare wuchtige Haargesteck auf dem Porzellanköpfchen. In einer Stunde auch das Köpfchen. Auf dem Schinderkarren steht Bürgerin Capet, die lange über allen stand, als eine unter Vielen. Ihre Hände sind auf dem Rücken gefesselt. Mit der Schmach wird ihr heimgezahlt, was sie in den vergangenen zwei Jahrzehnten am Hof mit Glücksspiel und Verschwendungssucht, ihrer Rokoko-Extravaganz, ihren peinlichen Affären, schließlich mit Fluchtversuch und geheimen Briefen ins feindliche Ausland verspielt hat: Mitleid.

Dennoch denkt die Gedemütigte nicht an Demut. Sie hinterlässt der Nachwelt einen letzten stolzen Auftritt auf dem heutigen Place de la Concorde. Dort, auf dem Schafott, tritt sie dem Henker Sanson so heftig auf den Fuß, dass er aufschreit. Sie wendet sich um: „Entschuldigen Sie, Monsieur, ich tat es nicht absichtlich.“ Augenzeugen notieren, sie sei gefasst und würdevoll gewesen. Um 12 Uhr setzt Bürger Sanson das neuerdings perfektionierte Fallbeilgerät des Arztes Guillotin in Gang. Die Fleischbrühe bleibt unverdaut.

13.11.2006 23:27:58 

Bocksgesänge I


18:01
Du, der du eintrittst, halte dich für einen Augenblick zurück. Folge nicht zu früh dem Lockruf fauler Nischen. Gewiss, dort wärst du gerne Holzbock, Zeck im schimmernden Fell, doch was du finden wirst, ist Fleisch, das gammelt und vergammelt. Wisse also: Wesen warst du, hier wirst du verwesen. Atme. Aus.

18:02
Hol noch einmal Luft an dieser Schwelle. Lege deinen Kopf zurück, sei die gespannte Leiche auf dem Obduktionstisch. Schaue himmelwärts und an der Wand entlang, betrachte die lepröse Außenhaut bis zur Krause, wo man dem Haus den Kopf eindrückte zwischen seine welken Schulterblätter: Da willst du rein, hinter diese schrumpelige Borke? Siech kniet der graue Bau zwischen eingecremten Bordsteinschwalben. In frischem Putz in Beige und Rouge schielen sie auf das Geld der Straße.

18:03
Doch du trittst ein. Und bist mit deinem ersten Schritt schon eingegangen. Ab jetzt bist du im Rumpf des mürben Leibes, der auch dich zermürben wird. Du bist nun Sredzki Nummer 44, Wurm im öffentlich verwitternden Leichnam.

(Ausschnitt aus Das Berliner Kneipenbuch, hrsg. von Björn Kuhligk, Tom Schulz. Berliner Taschenbuch Verlag. Berlin: 2006.)

22.11.2006 16:14:20 


jetzt und jeden tag aufs neue

das gleiche scheitern

beim versuch

jeden tag

aufs

neu

e

zu

seh-

en, also

auf jeden tag

den ersten wie den

letzten blick zu werfen

ohne hemmende dauerangst

dass alle ersten alle letzten blicke

nur kopien aller erstenletzten blicke sind.

24.11.2006 15:12:22 

Bocksgesänge II


20:04
Du, der du getrübt von Wernesgrüner raus schaust, spüre, wie die Blicke dich von draußen streifen, abstreifen, flüchtig. Wer dich sieht? Gesunde Menschen sind es, auf der Flucht vor dir, glücklich in Etablissements zu sein, wo echte Spanier mit halbierten Bärten dienen und Italiener immer italienisch sprechen. Das sind Menschen mit Appetit, angeregt von Visiten in Salons. Sie erwarten schicke Mäppchen, nicht ein eingeschweißtes Kartenbrett mit einer Spalte Spirituosen. Wo du bist, gibt es Bockwurst, Suppe, Wodkateller, dir werden Grundlagen gelegt, dich einzulegen.

21:05
Du, der du dich entschieden hast (dein freier Wille, ha!) zu bleiben in dem Trakt der Schatten, der du ein Schatten unter vielen wirst, du wirst so weich, dich zu erwärmen für den Chor der herrlichen Hämorrhoiden, die noch von alten Helden singen: Sigmund Jähn! Jähn, der Kosmonaut! Jähn, erster deutscher Mann im Weltall! Jähn, das ist doch euer Merbold! Und Jähns Genossen kennen sie, Männer, die die MiGs geflogen sind und den Staatsrat nach Bahrain, Träger von Geheimnissen, die inzwischen niedriger im Kurse stehen, Männer, die im Abendkursus heutzutage lauter schöne Himmel malen.

23:06
Doch wenn du tief und tiefer eindringst und dich voll gesogen hast mit all dem Qualm, der dich auf Lunge zog, bist du der Wirt. Erinnere dich: du wolltest Holzbock sein, wolltest Teil nehmen und deine Blutmahlzeit, doch es ist so weit: zerteilt bist du selbst, deine Beine faulen ab, alle acht, von dir geblieben ist ein Stumpf auf einem Stuhl. Das Gewölbe ist Gebein, Gewebe des Verfalls, auf dir sitzt nun die dicke Alte, die blind ist, raucht und furzt und die sich warm und schwer und weich durch diese Stunden wälzt in aller Seelen Ruhe. Du, Bestandteil im Stamm der Gäste, wanke mit in ihrem Schoß, halte still für lange Weile, weil alles dauern wird bis morgens früh um drei und mehr. Vergeude deine Kräfte nicht. Schweige mit und sitze stumm, vertraue auf das Irgendwann, bis plötzlich ein Begriff aufzuckt wie zum Beispiel
Puff.

(Ausschnitt aus Das Berliner Kneipenbuch, hrsg. von Björn Kuhligk, Tom Schulz. Berliner Taschenbuch Verlag. Berlin: 2006.)

26.11.2006 19:00:59 

Bocksgesänge III


Der Puff, sagt Einer, war zuerst ein Würfelspiel, erst später ein Bordell, zuallererst das Fallgeräusch auf weichem Filz. Das Puffen, sagt der Zweite, ist der Kontrahent des Knalls. Dem Puffen, dieser lautgemalten Implosion, lauscht jeder gerne nach, einjeder murmelt dieses Wort, darin verbrüdern sich Komponist und Kraftfahrzeugmechaniker, Spitzenklöpplerin und Amtmann, sie qualmen eine Pfeife bis zur Neige.
- Zieh’n, nicht paff’n! Zieh’n wie’n Mann musste!
- Hab ick doch!
- Haste nich! Hab ick ja jesehn!
- Ja doch, aber deene Sicht der Dinge jeht mir links am Arsch vorbei!

0:07
Du, der du dich eingeschmiegt hast in die Falte, in der niemand was verloren hat außer sich selbst: winde dich heraus. Späher wolltest du sein, doch du bist längst entdeckt, und selbst tappst du im Dunkeln. Bist erblindet von Damen, die ihre Schwermut zelebrieren, betäubt vom Würgegriff des Schließmuskels an deinem Hals, bist ab- und ausgemolken. Du und dein Durst! Holzbock wolltest du sein, doch dich schlürft die olle Sredzki 44 in ihrer nackten Tracht vollkommener Verwahrlosung.

1:08
Jetzt endlich merkst du es: Alles war nur Tarnung! Du wusstest wirklich nicht, dass hier die Schaltzentrale sitzt, die vom Darmtrakt aus den ganzen Berg regiert? Die durch die Zotten der verschwiegenen Kanäle Schmuggelware schiebt? Sieh ihn nur an, wie dieser hier hereinkommt, verbeulter Sack voll Innereien im Anzug, den Schlips gebunden an den eingemehlten Kehlkopf. Die grauen Drähte auf dem Kopf sind brüchige Antennen, um Kunden auszuspähen, er ist Kundschafter der Sicherheit, seit jeher schon. Man kennt ihn, grüßt ihn, grüßt einander, hier kennt Jeder Jeden, dich schon lange. Hör nur hin, ihnen, die alles dir beschaffen können, ohne Mehrwertsteuer. Prüf nur nichts nach, hier ist es ungeheuer.

2:09
Entziehe dich, lauf weg, nimm deine Beine in die Hand, solange du noch kannst. Du gehörst doch nicht hierher, nicht du. Hierher gehören die, die eingeboren sind, hineingeboren in den atmenden Anus, niemals erstmals eingetreten durch die Pforte ausgefahrener Hoffnung. Alle waren immer da und werden immer bleiben, du jedoch: steh auf. Raufe dein Haupthaar über schlecht kaschierten Ramsch, der dem Eisenofen in seinem Altenteileck seine Würde nimmt, schüttele dich aus, klacke dreimal mit den Hacken und siehe nicht zurück. Wische deine Augen und renne zu den Flotten drüben, die den nassen Blick gerupfter Totenvögel fliehen – doch drüben ist geschlossen.

(Ausschnitt aus Das Berliner Kneipenbuch, hrsg. von Björn Kuhligk, Tom Schulz. Berliner Taschenbuch Verlag. Berlin: 2006.)

29.11.2006 02:26:00 

Bocksgesänge IV (Ende)


3:10
Da bist du ja wieder. Wenn du es wirklich schaffst (ausgerechnet! du!), vollständig auszutreten, drehe dich nicht um nach dieser Gasse. Komm nicht zurück, sonst schnappen dich die Musikanten, die jeden Abend im Minutentakt ihre Hurenstücke gegen Gäste speien, oder es zerhackt dich unser Wilder aus dem Haus, der jeden, der ihm blöd vorkommt, mit seiner Axt halbiert, oder du trittst ein, das nächste Mal, es wird dein letztes sein, denn dein eingewöhnter Blick übersieht das Fremde, und dann bist du verdammt.

4:11
Du bist es jetzt bereits. Vergeblich rufst du lebewohl, winkst der Sredzki 44, wo tagsüber an morschen Balken die Bewohner baumeln, Fledermäusen gleich. Wenn die Turmuhr sechs Mal schlägt, stoßen sie herab ins Erdgeschoss, bevor sie wieder pfeifend auffahren. Du, der du dich stolpernd rettetest, trägst sie alle mit, du trägst in dir die Tropfen ihrer schwarzen Lungenflügel, mit denen sie ...

5:12
... durch deine Träume schlagen.

(Ausschnitt aus Das Berliner Kneipenbuch, hrsg. von Björn Kuhligk, Tom Schulz. Berliner Taschenbuch Verlag. Berlin: 2006.)

01.12.2006 12:38:55 

Sonntagsglück


Vormittags bimmelten wir den Glocken nach unter eine kugelrunde Kuppel.
Talare tanzten ihr schönes Ballett, Rotbauchfischchen im Aquarium der Auren.

Beim Mittagsspaziergang stießen wir auf spitzwinklige Bauten und stellten uns auf die Achse einer Fassade: Fehlte den Menschen dort drinnen eine Dimension?

In der Krypta der nächsten großen Kirche warteten Heilige auf harten Steinen auf den nächsten Kampf. Oder auf späte Auferstehung. Alle trugen Boxernasen.

Durch ein Fenster blickten wir abends auf eine Großleinwand: dritte Runde! Wir eilten nach Hause, um das Ende zu sehen. Axel Schulz war schon gefallen.

01.12.2006 13:17:11 

ohne Titel


Aus gegebenem Anlass danke und grüße ich Herrn Nikolai Vogel.

06.12.2006 20:01:16 

Der goldene Fisch




goldener fisch


Aktuelles zum goldenen Fisch erfahren Sie hier:
ZDF
ZEIT
wikipedia

07.12.2006 09:37:22 

Lektüre am zweiten Advent


Ein Dichter schrieb ein Gedicht:

Gefährlicher Traum

"Seit langem schon
Gibt es keine Botschaft für mich
Weder aus dem Himmel
Noch von der Erde.
Eine wüste Zeit."

Das Gedicht ist nicht ganz neu, ich glaube, aus den Achtzigern.

"Zurückgelassen
In Gnade und Ungnade
Der großen weiten Welt
Der eingekerkerten Gefängniswärter,
Die dich vor mir versteckt."

Der Dichter ist ein Doktor, Dr. med., der Dichter ist Psychiater. Seine Haare trug er wie ein Löwe seine Mähne. Wie er sie heute trägt, ist ungewiss, vermutlich anders.

"Weder wird zu mir gesprochen,
Noch wird mein Gebet angenommen."

Der Dichter wuchs ohne Vater auf. Dieser war des Inzests mit seinem Cousin überführt worden. Mit 15 Jahren ging der Dichter in die Hauptstadt seines Landes. Mit 26 Jahren promovierte er. Er gründete eine Praxis. Er heiratete, und er zog Kinder auf.

"Irgendwo weit weg, wo es Gott gibt,
Aber wo er nicht hilft,
Träume ich meinen gefährlichen Traum:
Sorglos leben wir und leicht
Man freut sich auf uns
Auf dieser und auf jener Welt."

Der Dichter, er fand sich selbst begnadet, engagierte sich auch in der Politik. Am 30. Juni 1996 musste er als Präsident des von ihm gegründeten Landes zurücktreten.

"Plötzlich
Weckt mich die überforderte Wache auf.
Hinter dem Rücken versteckt Stücke des Todes."

Bereits vorher wurde er vom UN-Kriegsverbrechertribunal zweimal wegen Kriegsverbrechen angeklagt. Ihm wird zur Last gelegt, sogenannte "ethnische Säuberungen" befohlen zu haben, tausendfache Morde an Zivilisten, zahllose Greuel, darunter das Massaker von Srebenica. Der Dichter aber tauchte unter.

"So fängt jeder Tag an:
Ohne mich,
Ohne Dich,
Und ohne Botschaft
Aus dem Himmel und von der Erde."

Auch zehn Jahre später folgt er nicht der öffentlichen Bitte seiner Frau, sich zu stellen. Er hält sich versteckt.

(Bei dem zitierten Gedicht handelt es sich um "Opasan San / Gefährlicher Traum" von Radovan Karadzic.)

10.12.2006 16:28:29 

ein brief aus japan


oben am berg steht
ein museum fuer haikus
teegeschirr klimpert

gestern habe ich drei schlangen gesehen. die erste hatte einen erfreulich flachen kopf. die zweite sah so aus wie die erste, aber als ich die kamera zur hand nahm, um sie zu filmen, kam ein kleiner weisser transporter vorbei, fuhr ihr ueber den ruecken, worauf sie sich ins unterholz schlaengelte. die dritte tat erst gar nicht so, als ob sie tot waere.

hat sie einen runden kopf, sagte mir nobuo, kann sie ruhig zubeissen. ist der kopf aber dreieckig, wird die sache heikel. um gewicht zu sparen, habe ich meine brille in berlin gelassen. nun muss ich recht nah heran, um die koepfe zu studieren.

heute ging ich durch ein tor, dass nur gute pilger passieren koennen. die anderen fahren direkt zur hoelle. solche legenden taugen nicht viel, weil die pilger immer gut sind. sie bekommen geschenke und viele gruesse mit auf den weg.

interessanter war da schon der test heute morgen. pilger, die ihren fuss barfuss auf den steinernen fuss eines sitzenden buddhas legten, sollten keine fussschmerzen mehr haben. der buddha sitzt allerdings so hoch, dass nur pilger, denen es ausgesprochen gut geht, diesen test mitmachen koennen.

vielleicht habe ich aber auch den falschen buddha erwischt, denn ich verstehe kein japanisch und verlaufe mich dauernd.

sonst gruesse ich herzlich und bitte mirko, die fatale geschichte mit dem tempel, der dame mit dem tee und meiner hose auf keinen fall zu erzaehlen. ich danke schoen.

22.04.2007 12:39:00 

Nachts im Bambuswald


nachts im bambuswald 1


Schwarz, das keine Grenzen kennt, ist keine Farbe, sondern nichts. Es ist die Weigerung, etwas zu sein. Eigentlich müsste etwas da sein: Holzbretter müssten unter mir liegen, Holzbretter über mir, neben mir drei Holzwände. Eine Wand müsste aus Stein sein, denn der Raum, in dem ich sein dürfte, ragt in einen Felsen. Doch alles das ist nicht sichtbar und damit nicht sicher. Ein Raum ohne Grenzen ist keiner. Nichts ist greifbar, denn meine Arme stecken im Schlafsack, in dem ich stehe und behindert bin. Vielleicht ist die Hütte keine Hütte mehr und der Boden bodenlos. Die Welt wird Konjunktiv, wenn alles schwarz ist, alles Schwarz geworden ist.

Vorhin war das Hier ein Tempel. Es war ein Holzverschlag vor der Höhle eines Felsens, der sich draußen über dem Dach in die Berghöhe reckte. Oben am Gipfel müssten Mond und Sterne leuchten, doch das Licht liegt auf dem Dach des Bambuswaldes. Seine Stämme waren stärker als das Abendlicht. Sie ließen nichts mehr durch. Wie ein Dunkelsack legte sich die Nacht über die Hütte mit ihrem Altar und ihren Buddha-Statuetten. Ich schob die Tür zu und schloss den Schlafsack. Dann war nichts mehr da.

Jetzt ist was da in diesem Schwarz. Es ist schwarz. Es ist auf meine Hand gesprungen. Es ist feucht, und in dem Moment, in dem es da ist, ereignen sich mehrere Dinge gleichzeitig: Schreien, Aufwachen, Aufspringen. Nächster Moment: mir beim Schreien zuhören, möglichst amüsiert dessen Sinnlosigkeit wahrnehmen, trotzdem weiter schreien, am Reißverschluss vom Schlafsack zerren. Er klemmt. Ich kriege die Arme nicht aus dem Schlafsack. Beim Handgelenk ist Schluss. Das Etwas muss irgendwo sein. Vielleicht im Schlafsack, der in vierzig Nächten nicht fester zugeschnürt war als jetzt.

Das Etwas kann alles sein. Meine Taschenlampe habe ich im Aufspringen wohl weggeschleudert. Wenn ich danach tasten will, müsste ich mich knien und den Kopf auf den Boden legen, um mit den Händen am Hals den Boden zu befühlen. Ich bevorzuge die Erstarrung. Ich habe zu viele Schlangen gesehen, die sich schlafend stellten, als dass ich glauben könnte, das nasse Etwas wäre allein. Doch Erstarrung bringt mich nicht weiter. Ich muss Schritte unternehmen, jetzt.

Um die Gegenwart in den Griff zu bekommen, muss ich die Vergangenheit bedenken. Einiges habe ich noch wahrnehmen können, bevor das Schwarz total wurde. Eine Spinne huschte über das steinerne Altarpodest, gefolgt von einer kleinen Echse, vielleicht auch einem Salamander. Mit der Erblindung wurde es laut: hartes kurzes Knacken, wenn der Wind die Bambusstiele aneinander schlug; Salven eines Trippelns – bestimmt eine Maus. Verstärkt hallten Tropfen in der Höhle. Trippeln, Knacken, Tropfen. Das ist jetzt vorbei, untergegangen im Schrei, meinem Schrei, der gegen das Schwarz nichts ausrichten kann, nicht das mindeste.

07.06.2007 23:13:48 

dringende anfrage


gerade habe ich eine packung griesson schokokekse auf ex verdrückt, und das kam so.
also heute abend kommt ja noch alain resnais, aber so spät, dass ich bestimmt dabei einschlafe, resnais ist nach elf uhr abends eben riskant, und es ist gut, dann wenigstens eine videokassette in der hinterhand zu haben. ich habe natürlich videokassetten, über tausend sogar, aber die meisten sind voll, und die, die nicht voll sind, sind nicht so leer, dass noch hundert minuten drauf passen. also habe ich mir gestern abend einen kleinen zettel geschrieben, auf dem deutlich „vhs“ steht, damit ich heute, bevor ich zur arbeit fahre, daran denke, neue vhs zu kaufen.

gleich heute morgen habe den zettel gelesen und bin noch auf dem hinweg zur arbeit zu rossmann geradelt, habe die kassetten gefunden, drei stück für dreineunundneunzig, habe bezahlt, habe gearbeitet, habe noch essen eingekauft und bin nach hause. so weit bestens.

zuhause habe ich aber gemerkt, dass ich bei rossmann zwar bezahlt habe, aber wohl die vhs liegen gelassen haben muss, ich bin eben nicht mehr so ganz auf dem damm, dachte ich, ich bin im gefährlichsten jahr des mannes, außerdem ist es draußen sehr warm, da kann man schon mal dusselig werden.

schnappe ich mir also einen zehner und bin gleich noch mal los, aus meinem vierten stock, resnais zuliebe sozusagen, und radel zu rewe, weil rewe im unterschied zu rossmann außer vhs vielleicht auch noch schinken hat zum abendbrot. hat rewe auch, allerdings keine vhs, was nicht ganz in den plan passt, dafür hat rewe aber schokokekse der firma griesson, die für fünfundachtzig cent im moment recht günstig sind.

also zack schokokekse und schinken auf den gepäckträger geschnallt und ab zu rossmann, wo mir auffällt, dass ich den schlüssel für das fahrradschloss in die gleiche hosentasche gesteckt habe wie das wechselgeld und beim rausziehen des schlüssels aus der hosentasche – es ist eben doch sehr warm heute – den fünferschein vom wechselgeld rausgezogen haben muss. die restmünzen jedenfalls reichen nicht mehr für die vhs, die rossmann, wie gesagt, nur als dreierpack für dreineunundneunzig anbietet. erst dachte ich: verflixte griesson-kekse!, aber hätte ich die griesson schokokekse nicht gekauft, hätte es immer noch nicht gereicht, das ist schon mal was. nimmt einer von euch den resnais auf und stellt ihn hier als you-tube rein?

11.06.2007 18:49:28 

ein freund sprach von gottvertrauen


der himmel wächst uns zu_______________________________________________


himmel über bäumen

_______________________________________________der himmel wächst uns zu

27.06.2007 23:58:31 

shingon


der mönch hatte sich der schule des shingon verschrieben. er wollte auf erleuchtung nicht jahrmillionen warten. er setzte sich in eine höhle, meditierte und fastete neununddreißig tage, am neunundreißigsten tage aber stieß sein körper auch das wasser ab. da hörte er die stimmen.


die schamanin biss dem mönch das geschwür aus dem kopf. nie wieder würde er die die tibetische schamanin um hilfe bitten. in den kopf gebissen hat sie ihn, sie hat ihn in den kopf gebissen und das kopfstück ausgespien.


der abt führte seinen schüler ein in ein mandala. der novize folgte seinem lehrer, die schleier und membranen durchstoßend ins heilige der höfe, bevölkert von den sechs mal 88, die ihn auf ihren blicken trugen, ihn und die gefährtin, die der abt ihm anlässlich der initiation zugewiesen hatte zur heiligen empfängnis der zweiten stufe der geheimnisse.



28.06.2007 23:18:32 

vergleiche erhellen das leben


wie neulich im pergamonmuseum (mit kamera)

museum

13.08.2007 09:03:53 


pergamon 3


pergamon 1

pergamon 2

mehr zu schlangen an schlechten orten steht im reiseteil der faz vom 16.8.

18.08.2007 12:32:14 

die bewegliche hand


http://www.amazon.com/gp/mpd/permalink/5610:5583/102-9277987-4128120

05.09.2007 12:08:24 

zum welttag der hoffnung


wald und hoffnung

05.09.2007 12:20:58 

buchtipp


"In der Gegenwart von anderen zu gähnen ist ungebührlich. Bei einem unerwarteten Gähnen reibe deine Stirn mit der Hand von unten nach oben, was normalerweise genügt, um ein Gähnen zu unterdrücken. Wenn das nicht funktioniert, verberge das Gähnen vor anderen, indem du die dichtgeschlossenen Lippen mit deiner Zungenspitze leckst, dein Gähnen hinter dem Ärmel oder deiner Hand verbirgst. Das gleiche gilt fürs Niesen. Gähnen und Niesen lassen dich meist närrisch aussehen", warnte der Samurai a. D. und Zen-Mönch Tsunetomo Yamamoto in seinem Leitfaden "Hagakure" noch vor 1716.

Seinen Rat hätten die 88 Topmodels beherzigen sollen, die soeben in der bezaubernden Kollektion "müde models" zu besichtigen sind.

Interessierte sollten sich beeilen. Die Agenturen haben bereits die Anwälte eingeschaltet.

08.09.2007 19:35:36 

   1 2 3 4   
counterreferrer