![]() |
![]() | ||||||||||||||
![]() Das Hörspiel ist ein Nischenprodukt, kein Massenmedium (Teil 2)Interview mit Sven M. Schreivogel, geführt von Florian Hilleberg am 24. Aug. 2011.Im zweiten Teil des großen Nocturna-Interviews dreht sich alles um die neue Gruselreihe NOCTURNAS GEISTERSTUNDE, sowie um die Zukunftsperspektiven, nachdem immer mehr Labels die Produktion von Hörspielen/Hörbüchern einstellen oder eine Zwangspause einlegen müssen. Die ersten beiden Folgen von NOCTURNAS GEISTERSTUNDE wurden bereits angekündigt. Wie du schon hast verlauten lassen, handelt es sich um einstige Filmprojekte und auch Folge 3 soll auf einen frühen Entwurf deiner Tätigkeit als Filmproduzent zurückzuführen sein. Wie viele Vorlagen hast du noch in petto? SCHREIVOGEL: In der Schublade habe ich insgesamt ca. 25 Film-Entwürfe bzw. Drehbücher, wobei für NOCTURNAS GEISTERSTUNDE logischerweise nur Vorlagen im Genre Horror / Mystery in Frage kommen. Zwar gibt es auch Thriller wie „Der Engel des Todes“, aber so ein Projekt müssten wir unter dem Hörheft-Reihentitel NOCTURNAS KRIMISTUNDE veröffentlichen. Und die Komödien, von denen ich ein halbes Dutzend geschrieben habe, sind fürs Hörspiel völlig ungeeignet. NOCTURNAS KRIMISTUNDE? Ist da bereits eine neue Reihe in Planung? SCHREIVOGEL: Es wäre zuviel gesagt, hier von einer konkreten Planung zu sprechen. Als der Name für die neue Hörheft-Reihe mit Horror-Titeln festgelegt wurde, nämlich NOCTURNAS GEISTERSTUNDE, sagte ein Kollege zu mir – es war jedoch eher scherzhaft gemeint –, dass wir parallel zu dieser Reihe auch noch eine „Krimistunde“ einrichten könnten. Allerdings finde ich den Namen sehr passend, falls wir irgendwann mal weitere Hörheft-Titel produzieren sollten, die vom Inhalt her in diesem Genre anzusiedeln sind. Wie weit reicht die Planung von NOCTURNAS GEISTERSTUNDE? SCHREIVOGEL: Nach den zwei Fluch-Folgen soll der Titel „Nebelmond oder: Der verführerische Tod“ produziert werden. Es ist die Geschichte einer jungen Frau, die vom Tod, dessen Erscheinungsbild hier jedoch keinem Sensenmann, sondern einem attraktiven Mann im Alter von ca. 30 Jahren entspricht, verführt wird. Nachdem sie seinem Charme erlegen ist und mit ihm geschlafen hat, beginnt sie zu sterben. Das ist ihr jedoch gar nicht klar, zumindest nicht am Anfang. Während dieser Zeit des langsamen Todes wird sie immer mehr von alptraumhaften Visionen geplagt und fragt sich nach dem Sinn des Lebens. Eigentlich kein typischer Heftroman-Stoff, aber es passt irgendwie zur „Geisterstunde“. Des Weiteren sollen in dieser Reihe eine Hörspielfassung des „Seelenspiegels“ (im Gegensatz zur Filmfassung, die ja ein Stummfilm ist, mit hörbaren Dialogen; was anderes wäre als Audioprodukt ja auch nicht allzu sinnvoll *zwinker*) sowie der Titel „Alarm auf Ebene 03“ veröffentlicht werden. Letztere Produktion ist vom Inhalt her eher Science Fiction, hat aber auch Horror-Elemente à la „Frankenstein“. Hier geht es, kurz gesagt, um die Gen-Manipulation an einem Menschen. Außerdem wird meine Firma im Frühjahr 2012 ein neues Filmprojekt beginnen. Bei der Low-Budget-Produktion handelt es sich um ein „Spin-off“ zum „Fluch“, und es wäre denkbar, dass wir eine Hörspielfassung mit dem O-Ton herausbringen. http://www.der-seelenspiegel.de Wer wird zu NOCTURNAS GEISTERSTUNDE und SHERLOCK HOLMES JUNIOR die Musik beisteuern? SCHREIVOGEL: Bei der „Geisterstunde“ sind mehrere Komponisten im Einsatz. Die Musik zum „Fluch“ und zum „Seelenspiegel“ hat Kai Roland Burgsmüller ja schon für die Filme geschrieben, so dass wir diese Tracks auch fürs Hörspiel nutzen werden. Im Fall des „Fluchs“ wird die Original-Filmmusik noch mit den so genannten „Edgar-Wallace-Tracks“ von Alexander Esther ergänzt, weil die Postproduktion dieser zwei Folgen im RABBIT-Studio von Hans-Joachim Herwald stattfindet. Für die Holmes-Serie wird ein Nachwuchstalent, ein Schüler von Konstantinos Kalogeropoulos, der ja auch als Musiklehrer arbeitet, sein Können unter Beweis stellen. Welche Auswirkungen hat die Insolvenz von Eichborn, einem starken Partner von Nocturna Entertainment, auf das Programm? SCHREIVOGEL: Nun, das ist noch nicht in allen Einzelheiten geklärt. Fakt ist, dass die Heinz-Erhardt-Klassiker und das Malpass-Hörbuch „Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung“ eingestellt werden. Für die zwei Filmhörspielserien „Bryan Edgar Wallace“ und „Dr. Mabuse“ arbeiten wir an einem Konzept, damit diese Titel weiterhin erhältlich bleiben. Es ist echt schade, dass sich die Situation so entwickelt hat. Ich habe sehr gerne mit den Eichborn-Leuten zusammengearbeitet, und meine Firma verdankt der bisherigen Programm-Leiterin Christine Härle und ihren zwei Assistentinnen Kati Schaefer (jetzt Lübbe-Audio, Anm. der Red.) und Susanne Blum sowie dem Vertriebsleiter Horst Preuß immerhin den Einstieg in den Tonträgermarkt. Mittlerweile wurden der Online-Shop und die Hörbuch-Abteilung von Nocturna geschlossen. Was führte zu dieser Entscheidung? SCHREIVOGEL: Da die Nocturna-Produkte im Internet größtenteils über Partner wie Amazon.de, Pop.de usw. verkauft werden, haben wir den Onlineshop zum 30.06.2011 geschlossen. Der dort erzielte Umsatz hat den Betriebsaufwand nicht gerechtfertigt. Und die Hörbuch-Sparte war nicht mehr sinnvoll, weil es wegen der fehlenden Umsätze immer weniger Titel wurden. Dieser Teil des Markts ist einfach zu inflationär geworden; ich habe gelesen, dass inzwischen ca. 2000 neue Titel pro Jahr veröffentlicht werden. Das Kapital zur Herstellung solcher Ladenhüter investiere ich lieber in die Fortsetzung der Black- und der Wallace-Hörspielserien, anstatt es wissentlich zu verbrennen. Das bedeutet, es wird keinerlei Hörbücher, sprich Lesungen, mehr aus dem Hause Nocturna geben? Ist damit das Konzept des Hörheftes gestorben? SCHREIVOGEL: Ein klares Nein! Das Produkt „Hörheft“ wird weiter ausgebaut. Aber auch hier konzentrieren wir uns aufs Hörspiel, weil mit diesem Medium höhere Verkaufszahlen erzielt werden. Der Versuch mit dem KX-Hörheft „Doppeltes Spiel“ hat ja gezeigt, dass mit einer Lesung nach Heftromanvorlage nichts zu gewinnen ist, obwohl Robert Missler als Sprecher eine sehr gute Arbeit abgeliefert hat. Die Lizenz für „Tony Ballard“ haben wir jedoch noch nicht zurückgegeben. Du kannst ja mal eine Literra-Umfrage starten, ob wir evtl. 500 Kaufzusagen pro Folge erhalten; in diesem Fall würde ich die Titel sofort produzieren. Außerdem sind Auftragsarbeiten im Bereich Hörbuch natürlich immer noch möglich. Es ist ja wohl logisch, dass ich keinen Auftraggeber nach Hause schicken würde, oder? Wenn du wieder am Anfang deiner Karriere als selbständiger Hörspielproduzent stündest, würdest du mit dem Wissen von heute alles genauso machen? Was würdest du vielleicht anders angehen? Gäbe es GORDON BLACK dann überhaupt in dieser Form? SCHREIVOGEL: Eine gute Frage! Bevor ich Nocturna Audio gegründet habe, war ich ja schon mal selbstständig (Direkt Film & Video, 1995-1999, Anm. d. Red.). Daher kannte ich die Fehler, die jeder Firmeninhaber zu Beginn macht, wie zum Beispiel repräsentative Räumlichkeiten zu mieten, obwohl es noch keine Einnahmen gibt usw. Ein paar Kollegen der jungen Produzentengeneration sind mit Amateurproduktionen gestartet und haben sich im Lauf der Zeit weiter entwickelt. Ich habe einen anderen Weg gewählt, meine vorherigen Kontakte zur Filmbranche genutzt und das Tonträgerverwertungsrecht zu einer Filmreihe aus den 1960er Jahren gekauft. Das Filmhörspiel „Die 1000 Augen des Dr. Mabuse“ war der 1. deutsche Gruselkrimi, der in dieser Form erschienen ist. Dank der Eichborn AG, in deren Verlag das Produkt veröffentlicht wurde, konnte sich meine Firma innerhalb kürzester Zeit in der Branche etablieren. So gesehen würde ich auch heute noch den Einstieg in den Markt nicht anders wählen. Allerdings gab es in der Folgezeit das eine oder andere Produkt – ich denke hier zum Beispiel an die zwei Hörbuchserien „Das magische Amulett“ und „Kommissar X“, die mit Spielszenen ergänzt und vom damaligen Vertriebspartner deswegen als „Hörspiel“ beworben wurden –, das ich im Nachhinein anders realisieren würde. Einige Titel würde ich heute gar nicht mehr produzieren, weil deren Inhalt irgendwie nicht zum Portfolio gepasst hat. Es gab ja auch ein Produkt, das mir fast das Genick gebrochen hätte – meine Firma ist damals in die schlimmste Krise ihres Bestehens gestürzt worden –, aber darüber will ich nicht weiter sprechen. Inzwischen versuche ich, möglichst wenig von Lizenzen abhängig zu sein, was man den aktuellen Produktionen – außer „Gordon Black“ und „Sherlock Holmes junior“ – ja auch anmerkt. Du willst wissen, ob es unseren Geisterjäger in dieser Form geben würde? Nun, eine Hommage an die 1970er und 1980er Jahre wäre es auf jeden Fall; das ist ja der Stil den auch Herr Andergast bevorzugt. Ich sehe mich, wenn ich es mal vergleichen darf, als B-Movie-Produzent. Mit welchen Filmen begeistert man die Cineasten? Mit A-Produktionen, den so genannten „Blockbustern“? Nein! Es sind B-Movies, die Kultstatus erlangen! Die Werke von Regisseuren wie Jack Arnolds „Der Schrecken vom Amazonas“ usw. Das waren die Vorlagen für die EUROPA-Gruselserie oder die Abenteuer der Heftromanhelden wie Larry Brent oder John Sinclair. Die Gordon-Black-Serie ist ein Trashprodukt, das auch so klingen sollte. Allerdings waren mir persönlich die Erzählerpassagen in der 1. Staffel zu lang. Manche Szene war zu verwirrend aufgebaut, so dass der Hörer öfter nicht wusste, was da passiert. In der 2. Staffel werden wir auch nicht so viele Kleinstrollen besetzen; das schafft zwar Atmosphäre, ist aber für die Handlung völlig unnötig. Die Folgen Nr. 4-6 sind insgesamt a bisserl „strukturierter“ … Zu guter Letzt möchte ich auf das Thema Labelschließung bzw. Zwangspausen zu sprechen kommen. Von der Größe der Produktpalette bist du am ehesten mit Firmen, wie Dreamland Productions, Pandoras Play, Zauberstern Records usw. vergleichbar. In jüngster Zeit musste auch Thomas Birker bekanntgeben, eine Zwangspause einlegen zu müssen. Wie wahrscheinlich ist eine solche Aktion für Nocturna? SCHREIVOGEL: Eher unwahrscheinlich, weil meine Firma von der Krise nicht so getroffen wird wie die Kollegen, die sich allein aufs Hörspiel konzentriert haben. Ich habe das Portfolio rechtzeitig erweitert, damit wir nicht nur vom Audio-Bereich abhängig sind. Bei den Nocturna-Produkten haben sich die VÖ-Termine so lange verzögert, weil wir uns auf den Bereich Film / Video konzentrieren wollten. Es war jedoch keine Zwangspause wegen der Krise. Dass der Markt übersättigt ist und sich bereinigen wird, war ja schon Ende des Jahres 2008 vorauszusehen, so dass eigentlich NIEMAND bzgl. der negativen Entwicklung überrascht sein dürfte. Das Hörspiel ist ein Nischenprodukt, kein Massenmedium. Aber es wird auch in Zukunft nicht sterben, wie es von einer Handvoll so genannter „Experten“ prophezeit wird. Ich denke, dass jetzt eine Phase eintritt, die mit der Zeit von 1985-2000 vergleichbar ist. Die zwei Major-Label Europa und Universal sowie ein paar kleinere Firmen werden weiter produzieren, der Rest wird in der Versenkung verschwinden. Für die Hörspiel-Fans hat es den Vorteil, dass die Anzahl der Produkte wieder überschaubar und infolgedessen ihr Hobby wieder bezahlbar wird. Das ist der Lauf der Dinge … Lieber Sven, ich bedanke mich bei dir für diese wirklich informative und offene Gespräch, und wünsche dir und deiner Firma weiterhin viel Erfolg. Weitere Interviews mit Sven M. Schreivogel
[Zurück zur Übersicht] |
| ||||||||||||||
Home |
Impressum |
News-Archiv |
RSS-Feeds ![]() ![]() Copyright © 2007 - 2018 literra.info |