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Essay
Olav H. Hauge - Europäischer Dichter aus Norwegen
1966 erschien der Gedichtband Tropfen im Ostwind (Dropar i austavind). Dieser Band gilt als eine der stärksten norwegischen Gedichtsammlungen des 20. Jahrhunderts. Für viele junge Dichter wurde er geradezu eine Art Kultbuch. Kurze Gedichte im freien oder rhythmisch akzentuierten Vers, manchmal gereimt, überwiegen. Der Band enthält auch einige Sonette. Hauge hielt das Sonett für die Königsdisziplin in der Lyrik, in jungen Jahren schrieb er hunderte, die er wieder verwarf. Sonette schrieb er lebenslang, auch in seiner letzten Sammlung von 1981 fehlen sie nicht.
„Das große Interesse am Sonett hier bei uns ist, scheint’s, daß wir nicht damit fertig sind, wir haben gerade begonnen, diese Form auszuloten. Sie sind auch in England nicht fertig damit, obwohl sie das Sonett seit langer Zeit eifrig pflegen. Ständig neue Klänge! Keats: ‚To the sonnets!‘ Ein Sonett nach den Regeln zu schreiben ist steif und langweilig, ja so ziemlich das Langweiligste, was einem vor Augen kommen kann. Doch ein gutes Sonett kann auch so geschrieben werden, daß es keinem anderen gleicht! Durch Individualität, seine eigene Musik, seinen eigenen Rhythmus entsteht ein Gedicht, und dennoch kann es seiner Form entsprechen mit den Abweichungen, die stets in etwas Neugeschaffenem da sein müssen. Wie gesagt, kann eine feste metrische Form und festes Reimschema das Gedicht binden und abgrenzen – aber auch dessen Kraft verspielen.“ (Tagebuch, 19.3.1966)
APFEL IM SCHNEE
Ein Apfelbaum steht in der Sonne rot,
gebeugt von Schnee. Die Last vermehren
ihm alte Blätter, längst verschrumpelt, tot,
auch Äpfel noch, um die sich Vögel scheren.
Er stand im Lenz in Schnee beglückt und lud
den Hummeln Süße auf, die ihn umbrausten;
streckte die Blätter, nutzte alle Glut,
bis junge Früchte ihre Schnuten krausten
und Äpfel wurden, kantig, hart und grau,
die Haut von Schorf und Wanzenrosen rauh,
am Ende rötlich unter blauem Tau
und dann taunaß im Gras; und Regen, Wind
verstreuten seine Blätter. Nun ruht er, spinnt
aus Sonne Träume hinter grauem Grind.
DIE SCHNECKE
Kommt an den Weg vom tropfnaß-schattigen Grasen,
ein hohes Meer aus Grus, in Wellen grau.
Doch riecht sie Dunst und Regensprüh genau
und Wetter gut zur Überfahrt. Vom Wasen
segelt sie mutig und gradaus aufs Meer
mit kühnem Stag und Bugspriet: „Alles Hoffen“.
Meer ist Gefahr! Unsicher ists und offen,
die Havaristen liegen rings umher.
Doch ist es früh am Tag; kein Auto weit
zu hören, die Milch, ein Rad, das knarrt,
mehr ist nicht zu erwarten; Sonne im Sand
ist Tod. Stolz wallt sie hin, Zweifeln gefeit,
den Königsweg – weiß: hinter dieser Fahrt
liegt feuchter Schneckenwald und grünes Land.
Hauges bestes Sonett, sein vielleicht stärkstes Gedicht überhaupt ist Gullhanen (Der Goldhahn).
Und ich war lange tot. Tot im Gehäus,
sang wie ein goldener Hahn in Miklagard.
Ich lebte unter – hörte Lärm, Gescharr
und widerstand; hohl tönt der Sold-Seele Preis.
Bis mich der Traum wachstieß in heller Nacht,
die Hülle fiel, und aller Glanz war aus:
Bin in der Tür daheim. Tief schläft das Haus.
Das Kinderherz schlägt wieder froh und hart.
Die Hand am Türgriff zu den Eltern steh, –
Seh wie der Mond auf blanken Boden scheint.
Du warst so lange? kommt es, ohne Wort.
Dahinter schwang den Klöppel schwer das Weh.
Dann ließ der Traum mich los. In Gold geschreint
Für ihn, den Kaiser, sang und schwor ich fort.
Og eg var longo død. Død i mitt skal,
og gol som gullhane i Miklagard.
Eg levde under – høyrde skurr og svar
og streid imot; og holt læt seld sjels gal.
Til draumen skok meg vak ei festgul nott,
so hamen fall og glansen vart til støv:
Eg er i døri heime. Huset søv.
Og barnehjarta slær att sælt og brått.
Eg stend med hand på klinka inn til mor
og far, - ser månen skin på slite golv.
Du vart so lenge? kjem det, utan ord.
Bak rømdi rørde sorgi tungt sin kolv.
So slepte draumen meg. I gullsmidd gjord
for keisaren eg atter gol og svor.
„Das große Interesse am Sonett hier bei uns ist, scheint’s, daß wir nicht damit fertig sind, wir haben gerade begonnen, diese Form auszuloten. Sie sind auch in England nicht fertig damit, obwohl sie das Sonett seit langer Zeit eifrig pflegen. Ständig neue Klänge! Keats: ‚To the sonnets!‘ Ein Sonett nach den Regeln zu schreiben ist steif und langweilig, ja so ziemlich das Langweiligste, was einem vor Augen kommen kann. Doch ein gutes Sonett kann auch so geschrieben werden, daß es keinem anderen gleicht! Durch Individualität, seine eigene Musik, seinen eigenen Rhythmus entsteht ein Gedicht, und dennoch kann es seiner Form entsprechen mit den Abweichungen, die stets in etwas Neugeschaffenem da sein müssen. Wie gesagt, kann eine feste metrische Form und festes Reimschema das Gedicht binden und abgrenzen – aber auch dessen Kraft verspielen.“ (Tagebuch, 19.3.1966)
APFEL IM SCHNEE
Ein Apfelbaum steht in der Sonne rot,
gebeugt von Schnee. Die Last vermehren
ihm alte Blätter, längst verschrumpelt, tot,
auch Äpfel noch, um die sich Vögel scheren.
Er stand im Lenz in Schnee beglückt und lud
den Hummeln Süße auf, die ihn umbrausten;
streckte die Blätter, nutzte alle Glut,
bis junge Früchte ihre Schnuten krausten
und Äpfel wurden, kantig, hart und grau,
die Haut von Schorf und Wanzenrosen rauh,
am Ende rötlich unter blauem Tau
und dann taunaß im Gras; und Regen, Wind
verstreuten seine Blätter. Nun ruht er, spinnt
aus Sonne Träume hinter grauem Grind.
DIE SCHNECKE
Kommt an den Weg vom tropfnaß-schattigen Grasen,
ein hohes Meer aus Grus, in Wellen grau.
Doch riecht sie Dunst und Regensprüh genau
und Wetter gut zur Überfahrt. Vom Wasen
segelt sie mutig und gradaus aufs Meer
mit kühnem Stag und Bugspriet: „Alles Hoffen“.
Meer ist Gefahr! Unsicher ists und offen,
die Havaristen liegen rings umher.
Doch ist es früh am Tag; kein Auto weit
zu hören, die Milch, ein Rad, das knarrt,
mehr ist nicht zu erwarten; Sonne im Sand
ist Tod. Stolz wallt sie hin, Zweifeln gefeit,
den Königsweg – weiß: hinter dieser Fahrt
liegt feuchter Schneckenwald und grünes Land.
Hauges bestes Sonett, sein vielleicht stärkstes Gedicht überhaupt ist Gullhanen (Der Goldhahn).
Und ich war lange tot. Tot im Gehäus,
sang wie ein goldener Hahn in Miklagard.
Ich lebte unter – hörte Lärm, Gescharr
und widerstand; hohl tönt der Sold-Seele Preis.
Bis mich der Traum wachstieß in heller Nacht,
die Hülle fiel, und aller Glanz war aus:
Bin in der Tür daheim. Tief schläft das Haus.
Das Kinderherz schlägt wieder froh und hart.
Die Hand am Türgriff zu den Eltern steh, –
Seh wie der Mond auf blanken Boden scheint.
Du warst so lange? kommt es, ohne Wort.
Dahinter schwang den Klöppel schwer das Weh.
Dann ließ der Traum mich los. In Gold geschreint
Für ihn, den Kaiser, sang und schwor ich fort.
Og eg var longo død. Død i mitt skal,
og gol som gullhane i Miklagard.
Eg levde under – høyrde skurr og svar
og streid imot; og holt læt seld sjels gal.
Til draumen skok meg vak ei festgul nott,
so hamen fall og glansen vart til støv:
Eg er i døri heime. Huset søv.
Og barnehjarta slær att sælt og brått.
Eg stend med hand på klinka inn til mor
og far, - ser månen skin på slite golv.
Du vart so lenge? kjem det, utan ord.
Bak rømdi rørde sorgi tungt sin kolv.
So slepte draumen meg. I gullsmidd gjord
for keisaren eg atter gol og svor.