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Essay
Olav H. Hauge - Europäischer Dichter aus Norwegen
„Große, rhythmusgetragene Poesie zu schreiben ist gefährlich, gefährlich für den, der sie macht und den, der sie liest. Es liegt tiefe Weisheit in Platons Warnung vor der Lyrik. Die Geister zu wecken ist gefährlich, das habe ich viele Male erfahren. Kaltschmieden, so wie es die Modernisten machen, ist ganz ungefährlich, das sind Gedichte für den Gedanken eher als für das Herz.“ (Tagebuch, 28.12.1963)
Dabei denkt er auch an seine Gefährdung, an den „andre mannen“ in sich, den zu entfesseln er sich hütet. Er will ihm wohl Raum geben, aber ihn nicht zur Herrschaft kommen lassen. Romantiker, der er war, gab er seinen Gedichten mehr und mehr eine nüchterne, lakonische Gestalt:
Es ist nicht so gefährlich,
wenn der Grashüpfer die Sense schärft.
Doch wenn die Assel wispert,
nimm dich in Acht.
Warum sich in Acht nehmen, wenn die Assel wispert? In der Übersetzung geht der Doppelsinn, die Hintergründigkeit des Wortes tussalus (Assel) verloren. Tussalus meint nicht nur die Assel, sondern auch ein Geist-Wesen, eine Art Trollweib oder Hulda (Holle). Es ist also nicht so sehr das Sensenschärfen, das Wetzen der Verse im hellen Nachmittag gefährlich, sondern vor allem das, was sich im Untergrund rührt und verführt und nach oben will. Hält man es sich aber zu fern, geht das Beste verloren: „Wurzeln, Herzblut, Tiefe, Grund, viel wird in der modernen Kunst danach gesucht. Haben sie einen Weg gefunden, sind sie dem Rätsel nähergekommen? Ich weiß nicht. Oft wohl umgekehrt.“ (30.06.1965) Es sei „wert, sich Platons Wort im Phaidros in Erinnerung zu rufen: ‚Die manische Dichtung setzt die technische in den Schatten.‘ “(12.5.1969)
FEUERBERG
Verachtet mich nicht,
ihr sicheren und schicklichen Berge!
Durch mich, Unseligen,
sollte es brechen,
all das Eingesperrte,
das unser Berggeschlecht
in Uraltern schuf.
Es war meine Lava,
meine Asche, mein Feuer,
nicht mehr als eures,
doch das Gebrechen war mein.
Ich bin nur ein Berg
wie andere Berge,
kein Rätsel
und keine Gottheit,
nur ein verkrüppelter,
ausgebrannter Berg.
Doch keiner
weiß wie ich,
welche Kräfte schlafen
in uns Bergen.
Auch der Ansicht seiner jungen Bewunderer in den sechziger und siebziger Jahren, er habe als Dichter einen langen Weg vom Romantiker zum Realisten zurückgelegt, trat Hauge nicht entgegen. Tatsächlich hatte er gegenüber den Modernisten starke Vorbehalte. Er war ein zu kenntnisreicher Dichter, als daß er wie die jungen Bilderstürmer den Wert der Tradition mißachtet hätte. „Tradition ist ein starker Fluß, der die Baumstämme vieler tragen kann. Es nützt nichts, das Holz auf der eigenen Pisse zu flößen, es kommt nicht weit,“ notiert er im Tagebuch.
Dabei denkt er auch an seine Gefährdung, an den „andre mannen“ in sich, den zu entfesseln er sich hütet. Er will ihm wohl Raum geben, aber ihn nicht zur Herrschaft kommen lassen. Romantiker, der er war, gab er seinen Gedichten mehr und mehr eine nüchterne, lakonische Gestalt:
Es ist nicht so gefährlich,
wenn der Grashüpfer die Sense schärft.
Doch wenn die Assel wispert,
nimm dich in Acht.
Warum sich in Acht nehmen, wenn die Assel wispert? In der Übersetzung geht der Doppelsinn, die Hintergründigkeit des Wortes tussalus (Assel) verloren. Tussalus meint nicht nur die Assel, sondern auch ein Geist-Wesen, eine Art Trollweib oder Hulda (Holle). Es ist also nicht so sehr das Sensenschärfen, das Wetzen der Verse im hellen Nachmittag gefährlich, sondern vor allem das, was sich im Untergrund rührt und verführt und nach oben will. Hält man es sich aber zu fern, geht das Beste verloren: „Wurzeln, Herzblut, Tiefe, Grund, viel wird in der modernen Kunst danach gesucht. Haben sie einen Weg gefunden, sind sie dem Rätsel nähergekommen? Ich weiß nicht. Oft wohl umgekehrt.“ (30.06.1965) Es sei „wert, sich Platons Wort im Phaidros in Erinnerung zu rufen: ‚Die manische Dichtung setzt die technische in den Schatten.‘ “(12.5.1969)
FEUERBERG
Verachtet mich nicht,
ihr sicheren und schicklichen Berge!
Durch mich, Unseligen,
sollte es brechen,
all das Eingesperrte,
das unser Berggeschlecht
in Uraltern schuf.
Es war meine Lava,
meine Asche, mein Feuer,
nicht mehr als eures,
doch das Gebrechen war mein.
Ich bin nur ein Berg
wie andere Berge,
kein Rätsel
und keine Gottheit,
nur ein verkrüppelter,
ausgebrannter Berg.
Doch keiner
weiß wie ich,
welche Kräfte schlafen
in uns Bergen.
Auch der Ansicht seiner jungen Bewunderer in den sechziger und siebziger Jahren, er habe als Dichter einen langen Weg vom Romantiker zum Realisten zurückgelegt, trat Hauge nicht entgegen. Tatsächlich hatte er gegenüber den Modernisten starke Vorbehalte. Er war ein zu kenntnisreicher Dichter, als daß er wie die jungen Bilderstürmer den Wert der Tradition mißachtet hätte. „Tradition ist ein starker Fluß, der die Baumstämme vieler tragen kann. Es nützt nichts, das Holz auf der eigenen Pisse zu flößen, es kommt nicht weit,“ notiert er im Tagebuch.