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Essay
Postmoderne in der türkischen Literatur - Kriterien für eine Annäherung an Ahmet Hamdi Tanpınars, Bilge Karasus und Orhan Pamuks Werke
Das ist ein universelles System-Prototyp, das auf die Verängstigung der Menschen, die „anders“ sind, baut. Wie sie sich etablieren konnte, sehen wir im nächsten Schritt:
"Den Gerüchten nach soll angeblich das Brot in seiner Hand nicht viereckig gewesen sein; oder er war wohl nicht schwarzhaarig; oder gehinkt soll er haben ... Gerede all das, natürlich. Niemand kennt die Wahrheit. Außerdem, gibt es denn eine Wahrheit, die man kennen müsste? Nicht einmal das weiß man. Was dagegen bekannt ist, was zu sehen ist, dass die Arbeiter unvermittelt an Wänden, an Ecken, aus Toren auftauchten, jenen jungen Mann aus der Menge heraustrennten, in ihre Mitte nahmen, und als sie wieder auseinander gegangen und verschwunden waren, blieb ein blutiges, undefinierbares Haufen Fleisch zurück. Nach Berichten von Augenzeugen, die ihn vor seinem Ende inmitten der Arbeiter der Nacht gesehen hatten, kann dieses Stück Fleisch nicht einmal die Hälfte jenes wohlgestalteten jungen Mannes gewesen sein. Über dieses blutige Fleisch wurden Holzspäne gestreut, trockene Blätter gelegt.
Am nächsten Morgen haben die Vorbeigehenden an der Stelle, wo der junge Mann zerstückelt wurde, im eisigen Licht des nicht hell werden wollenden Tages, auf dem Asphalt nichts als einen ins Dunkle neigende Fleck sehen können.
Inzwischen suchen die Menschen in den Gesichtern der Menschen nach geleckten Mündern, an den Händen nach Krallen. Aber die Arbeiter sind, weil sie Arbeiter der Nacht sind, tagsüber nicht auf den Straßen zu sehen. Waren die Arbeiter der Nacht früher einmal wie jedermann? Es gibt Leute, die daran glauben möchten.
Würden sie sich, wenn es dem so wäre, weniger fürchten?"
Die Angst um das eigene Leben macht aus den Menschen Marionetten - die wichtigste Voraussetzung für die Erhaltung jeder Machthierarchie:
"Manche finden es merkwürdig; manche dagegen finden darin nichts Erstaunliches: Die Arbeiter der Nacht waren am Anfang lediglich eine Menge Leute, über die man erzählte, von denen man gehört hatte, die Thema von Gesprächen waren; mit der Zeit nahmen sie hier und da Gestalt an, wurden gesehen, gehört; erst sehr viel später waren sie so wirksam, dass sie alle verängstigt, geschlagen, gebrochen, getötet haben, das wurde erst in den jüngsten Tagen für jeden plötzlich zur Wirklichkeit. Obwohl von Anfang an jeder die Regung der Angst in seinem Bauch fühlte, jeder..."
Die Hinterfragung wird provokant, wenn wissenschaftliche Erklärungsversuche zu Legitimierungen des Unrechts werden:
"Ärger, Angst, Unterdrückung fließen leicht ineinander über, nehmen die Gestalt des anderen an; was von Innen kommt, wirkt wie von Außen verursacht, das von Außen resultierende wirkt wie von Innen bewirkt. Alle drei sind Manifestationen des Ichs, des Gefühls der Niederlage des Ichs. Wurden die Arbeiter der Nacht immer nur aus Menschen rekrutiert, die aus dem Gefühl der Niederlage durchgedreht sind? Sind diese Arbeiter immer Menschen, die sich von ihren Kindheitstraumas nicht befreien können, die ihre Lieben nicht nach Lust und Laune in die Arme schließen können, deren Fleisch mit ihrem Fleisch nicht vereinigen können?
Es gibt Leute, die derartiges, die ähnliches sagen, diskutieren, die die innere Struktur der nahenden Wellen der Nacht analysieren."
Karasu wendet sich an den Leser, der sich seiner Verantwortung bewusst werden soll:
"Der Leser (man müsste sagen der Lesende; wie sich doch der Autor daran gewöhnt, sein Gegenüber als "Leser" zu sehen ... Obwohl diesmal, "die Leser" nicht "der Leser" sein werden; es wird vielleicht ein einziger dieses Heft lesen), der Lesende, warum soll er eine derartige Unterscheidung machen? Oder, wozu soll der Autor seine subjektiven Gedanken von den anderen Teilen trennen, anstelle, dass er die verschiedenen Ebenen des Werkes sucht und plant, soweit es ihm möglich und differenzierbar erscheint? Ich habe nicht selten über solche Typen gelacht, die nach den Spuren des Autors in seinem Werk gesucht haben."
Werk und Wirklichkeit - der Anteil des Denkens und die Neigung, die Welt als eine bestimmte Ordnung zu sehen, bzw. alles nach bestimmten Denkmustern zu ordnen, kann zu trügerischen Folgerungen führen, unseren Weg ins Desaster ebnen:
"Wir müssen wohl auf die Erzeugung eines trügerischen Gefühls verzichten, das Schreiben als ein Mittel (oder Mittler) zu betrachten, das Ordnung in eine ordnungslose (besser gesagt, nach menschlichem Ermessen außerhalb einer Ordnung befindliche) Welt bringen könnte, oder dass es bereits eine Ordnung gebracht hätte. Schreiben, sprechen, handeln wird uns nicht an diese (von uns letztlich nur kritisierten) Abwesenheit einer Ordnung gewöhnen."
Schreiben als Irreführung - wie bei Derrida. Wie aber steht es mit der Sprache? "Jeder Gedanke trägt die Dimensionen der Schemas in die sie gepresst wurde, die der Begriffe." Sollten sie aufgebrochen werden? Was würde das bedeuten?
"Wir akzeptieren theoretisch, dass die Struktur unseres Sehens, unseres Verstandes, unseres Denkens uns zu einer Reihe Irrtümern, zu falschen Schlüssen führen können, aber genauso wenig wie wir diese Irrtümer und falschen Schlüsse, aus welchen Gründen auch immer, zu erkennen bereit sind, genauso halten wir es für eine besondere Klugheit, nicht auf die Worte jener hereinzufallen, die sie uns zeigen und schildern. Wir verstehen nicht einmal, dass unserem Gegenüber, einem uns nicht ähnlichen Menschen, jene Dinge, die wir Grundwahrheiten nennen, nicht Grundwahrheiten sein müssen. Allerdings gelangen wir zu diesem theoretischen Schluss erst, wenn wir die Irrtümer, die die verschiedenen Denkstrukturen verursacht haben, betrachten."
Die Welt aber, die Dinge, existieren auch ohne menschliches Zutun. Sie zu Wörtern zu machen, zu Begriffen, die wir nach unserem Willen nutzen, ja ausnutzen, ist an sich schon eine Anmaßung. Wer wohl der erste war, der Worte gemacht hat? "Sehr wenige Menschen nur wissen, was das bedeutet. Die meisten Menschen glauben, dass diesseits der Kulisse die einzige Welt sei. Aber hinter der Kulisse halten diejenigen die Fäden allein in den Händen, die die Welt der Fädenhalter kennen."
"Den Gerüchten nach soll angeblich das Brot in seiner Hand nicht viereckig gewesen sein; oder er war wohl nicht schwarzhaarig; oder gehinkt soll er haben ... Gerede all das, natürlich. Niemand kennt die Wahrheit. Außerdem, gibt es denn eine Wahrheit, die man kennen müsste? Nicht einmal das weiß man. Was dagegen bekannt ist, was zu sehen ist, dass die Arbeiter unvermittelt an Wänden, an Ecken, aus Toren auftauchten, jenen jungen Mann aus der Menge heraustrennten, in ihre Mitte nahmen, und als sie wieder auseinander gegangen und verschwunden waren, blieb ein blutiges, undefinierbares Haufen Fleisch zurück. Nach Berichten von Augenzeugen, die ihn vor seinem Ende inmitten der Arbeiter der Nacht gesehen hatten, kann dieses Stück Fleisch nicht einmal die Hälfte jenes wohlgestalteten jungen Mannes gewesen sein. Über dieses blutige Fleisch wurden Holzspäne gestreut, trockene Blätter gelegt.
Am nächsten Morgen haben die Vorbeigehenden an der Stelle, wo der junge Mann zerstückelt wurde, im eisigen Licht des nicht hell werden wollenden Tages, auf dem Asphalt nichts als einen ins Dunkle neigende Fleck sehen können.
Inzwischen suchen die Menschen in den Gesichtern der Menschen nach geleckten Mündern, an den Händen nach Krallen. Aber die Arbeiter sind, weil sie Arbeiter der Nacht sind, tagsüber nicht auf den Straßen zu sehen. Waren die Arbeiter der Nacht früher einmal wie jedermann? Es gibt Leute, die daran glauben möchten.
Würden sie sich, wenn es dem so wäre, weniger fürchten?"
Die Angst um das eigene Leben macht aus den Menschen Marionetten - die wichtigste Voraussetzung für die Erhaltung jeder Machthierarchie:
"Manche finden es merkwürdig; manche dagegen finden darin nichts Erstaunliches: Die Arbeiter der Nacht waren am Anfang lediglich eine Menge Leute, über die man erzählte, von denen man gehört hatte, die Thema von Gesprächen waren; mit der Zeit nahmen sie hier und da Gestalt an, wurden gesehen, gehört; erst sehr viel später waren sie so wirksam, dass sie alle verängstigt, geschlagen, gebrochen, getötet haben, das wurde erst in den jüngsten Tagen für jeden plötzlich zur Wirklichkeit. Obwohl von Anfang an jeder die Regung der Angst in seinem Bauch fühlte, jeder..."
Die Hinterfragung wird provokant, wenn wissenschaftliche Erklärungsversuche zu Legitimierungen des Unrechts werden:
"Ärger, Angst, Unterdrückung fließen leicht ineinander über, nehmen die Gestalt des anderen an; was von Innen kommt, wirkt wie von Außen verursacht, das von Außen resultierende wirkt wie von Innen bewirkt. Alle drei sind Manifestationen des Ichs, des Gefühls der Niederlage des Ichs. Wurden die Arbeiter der Nacht immer nur aus Menschen rekrutiert, die aus dem Gefühl der Niederlage durchgedreht sind? Sind diese Arbeiter immer Menschen, die sich von ihren Kindheitstraumas nicht befreien können, die ihre Lieben nicht nach Lust und Laune in die Arme schließen können, deren Fleisch mit ihrem Fleisch nicht vereinigen können?
Es gibt Leute, die derartiges, die ähnliches sagen, diskutieren, die die innere Struktur der nahenden Wellen der Nacht analysieren."
Karasu wendet sich an den Leser, der sich seiner Verantwortung bewusst werden soll:
"Der Leser (man müsste sagen der Lesende; wie sich doch der Autor daran gewöhnt, sein Gegenüber als "Leser" zu sehen ... Obwohl diesmal, "die Leser" nicht "der Leser" sein werden; es wird vielleicht ein einziger dieses Heft lesen), der Lesende, warum soll er eine derartige Unterscheidung machen? Oder, wozu soll der Autor seine subjektiven Gedanken von den anderen Teilen trennen, anstelle, dass er die verschiedenen Ebenen des Werkes sucht und plant, soweit es ihm möglich und differenzierbar erscheint? Ich habe nicht selten über solche Typen gelacht, die nach den Spuren des Autors in seinem Werk gesucht haben."
Werk und Wirklichkeit - der Anteil des Denkens und die Neigung, die Welt als eine bestimmte Ordnung zu sehen, bzw. alles nach bestimmten Denkmustern zu ordnen, kann zu trügerischen Folgerungen führen, unseren Weg ins Desaster ebnen:
"Wir müssen wohl auf die Erzeugung eines trügerischen Gefühls verzichten, das Schreiben als ein Mittel (oder Mittler) zu betrachten, das Ordnung in eine ordnungslose (besser gesagt, nach menschlichem Ermessen außerhalb einer Ordnung befindliche) Welt bringen könnte, oder dass es bereits eine Ordnung gebracht hätte. Schreiben, sprechen, handeln wird uns nicht an diese (von uns letztlich nur kritisierten) Abwesenheit einer Ordnung gewöhnen."
Schreiben als Irreführung - wie bei Derrida. Wie aber steht es mit der Sprache? "Jeder Gedanke trägt die Dimensionen der Schemas in die sie gepresst wurde, die der Begriffe." Sollten sie aufgebrochen werden? Was würde das bedeuten?
"Wir akzeptieren theoretisch, dass die Struktur unseres Sehens, unseres Verstandes, unseres Denkens uns zu einer Reihe Irrtümern, zu falschen Schlüssen führen können, aber genauso wenig wie wir diese Irrtümer und falschen Schlüsse, aus welchen Gründen auch immer, zu erkennen bereit sind, genauso halten wir es für eine besondere Klugheit, nicht auf die Worte jener hereinzufallen, die sie uns zeigen und schildern. Wir verstehen nicht einmal, dass unserem Gegenüber, einem uns nicht ähnlichen Menschen, jene Dinge, die wir Grundwahrheiten nennen, nicht Grundwahrheiten sein müssen. Allerdings gelangen wir zu diesem theoretischen Schluss erst, wenn wir die Irrtümer, die die verschiedenen Denkstrukturen verursacht haben, betrachten."
Die Welt aber, die Dinge, existieren auch ohne menschliches Zutun. Sie zu Wörtern zu machen, zu Begriffen, die wir nach unserem Willen nutzen, ja ausnutzen, ist an sich schon eine Anmaßung. Wer wohl der erste war, der Worte gemacht hat? "Sehr wenige Menschen nur wissen, was das bedeutet. Die meisten Menschen glauben, dass diesseits der Kulisse die einzige Welt sei. Aber hinter der Kulisse halten diejenigen die Fäden allein in den Händen, die die Welt der Fädenhalter kennen."