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Essay
Die Verfertigung der Welt im Kinderauge. Eine Vorlesung in drei Kapitellen
Neben einigen ernsten Themen und Anregungen waren es immer wieder die heiteren, zur Phantasieanregung etwas verqueren Themen, die die Schüler beflügelten; so kam der „Tiger ohne Streifen“ gut an, die „Nacht- und Nebelgeschichten“ und die Aufgabe, einen Krimi zu schreiben: „Inspektor Lufthupe ermittelt“, ohne Blut und Tote, wenn es sich einrichten ließ. – Naja, es gab auch brenzlige Situationen und Tage, an denen die Luft raus war. Einer dieser Tage war, als ich die Star-Wars- und deutlich von der DVD, vom Fernsehen abgeschriebenen Geschichten verbot. Ein schwarzer Tag für Kevin, den Kullerer, dem auch in der Folge eine Weile nur wenig einfiel.
Aber die Geschichten von Darth Vader oder Shrek oder sonst wem aus dem visionellen Ensemble waren es nicht, die mich interessierten … „Ich will Deine Geschichte hören“, war der Slogan, das konnte – frei nach Spongebob – zwar mit „einer Menge Fantasie“ geschehen, aber es sollte, auch wenn ich eine gewisse eigene Schwäche für den gelben Quadratkopf hege, möglichst ohne den schwammigen Chaoten stattfinden, das musste ich deutlich sagen. Ich spürte in der Sache eine Weile so etwas wie Hilflosigkeit, weil ich um das mediale Faszinosum wusste, und es mir nicht ganz leicht fiel, zu erklären, dass es uns in der Schulschreiberei nicht darum geht.
Ich will Ihnen dahingehend von Kevin, dem Kullerer, erzählen, der ein Phänomen ist und ein gutes Beispiel für die Fruchtbarkeit oder auch gelegentliche Nicht-Fruchtbarkeit dieser Arbeit. Kevin hatte den Drang, sich einmal in der Stunde auf dem Fußboden zu kullern, danach fiel ihm wieder mehr ein.
Bis zu einer gewissen Grenze ließ ich ihm das und hakte im Verbund mit der Lehrerin, die den Kurs begleitete, immer erst im Ernstfall ein. Der Ernstfall war, wenn der Tag anstrengend gewesen war, Kevin das Thema nicht gefiel oder die gegenseitige Bemühung im Übertreffen an Coolness, die in den Herzen und Köpfen von Viertklässlern ja vorkommt, sich aufgeschaukelt hatte. Andererseits stammen einige der schönsten Geschichten von Kevin, und gerade im Angesicht der Abschlussveranstaltung im Dezember war ihm eine deutliche Begeisterung zueigen, die sich im zusätzlichen Lernen eines Gedichts sowie im guten Vortrag seines im Naumburger Dom spielenden Krimis äußerte. Vielleicht, so fiel es mir ein, sollte man den Kindern einmal in der Stunde erlauben, sich über den Boden zu kullern: ein Effekt, der sich mit dem Eintreten der wirklichen Coolness im Sekundaralter sicher verwächst. Bei Kevin, so scheint es mir, hat es in den Stunden von Zeit zu Zeit gewirkt.
c. Geschichten aus der Schulschreiberei
Insgesamt sind etwa 200 Geschichten entstanden: Puzzletexte, Siebensätzegeschichten, in denen man sich kurz zu fassen hatte; immer wieder flankiert von kreativen Übungen, zur Anregung von Kopf und Solarplexus gedacht: Gedichte als Lückentexte, die anhand der Ideen der Schüler durchaus ein Eigenleben entwickeln konnten, die Arbeit mit Akro- und Mesostichen, ein etwas missglücktes freies Thema wie auch ein verhaltener Versuch, einen Tag König von Laucha zu sein.
Es wurde eine kleine Kapiteldramaturgie für das gemeinsame Buch entwickelt sowie ein Konzept für die Schulschreiberlesung erarbeitet. Einmal wurde sogar über den Weltuntergang philosophiert. Natürlich wurde er vom Basiscamp Laucha aus verhindert und ging halbwegs glimpflich ab, möglicherweise auch dank des Blut- und Blutwurst-Verbots, das ich aufrechterhielt. Apropos: Ich hatte im Angesicht dieses Gebots viel über das Problem der zunehmenden Zerstreutheit und der wachsenden Befangenheit durch die Macht der Medien nachzudenken – die Dinge, die uns gerade noch wie eine Zauberei anmuteten, wie sie ganz selbstverständlich in den Köpfen der Nachfolgenden Einzug halten, der Normalfall sind. Einerseits, denke ich, soll man froh darüber sein, dass es solche Möglichkeit der Lebenserleichterung gibt, aber man kann und darf nicht übersehen, dass darin ein Verrohungs- und Verblödungskeim liegt. Bei aller Liebe für die anarchische Dingelhopperei eines Spongebob gab mir das zu denken und forderte mich im Verbund mit den Lehrerinnen, die mich unterstützten, nicht wenig heraus. Ich war mir dieses Phänomens zuvor so nicht bewusst.
Die Schulschreiberprojekte gibt es in Sachsen-Anhalt seit vier Jahren, und in der Wahrnehmung einer möglichen kreativen Arbeit mit Schülern haben sie inzwischen wenigstens mitteldeutschlandweit Aufsehen erregt. „Plötzlich fiel meine Nachbarin vom Stuhl“, das Magdeburger Schulschreiberbuch, das unter der sachdienlichen Anleitung von Ludwig Schumann entstand, durfte im Dezember letzten Jahres sogar eine der Auszeichnungen beim landeseigenen Jugendkulturpreis entgegennehmen. Stellen Sie die leuchtenden Augen der Kids vor, wenn sie erfahren, dass sie nicht nur an einem Buch mitarbeiten können, sondern für ihre Texte mit einem Preis ausgezeichnet werden! Inzwischen regt sich in Thüringen und Sachsen Interesse für ähnliche Projekte, und man möchte darauf gespannt sein dürfen.
Aber die Geschichten von Darth Vader oder Shrek oder sonst wem aus dem visionellen Ensemble waren es nicht, die mich interessierten … „Ich will Deine Geschichte hören“, war der Slogan, das konnte – frei nach Spongebob – zwar mit „einer Menge Fantasie“ geschehen, aber es sollte, auch wenn ich eine gewisse eigene Schwäche für den gelben Quadratkopf hege, möglichst ohne den schwammigen Chaoten stattfinden, das musste ich deutlich sagen. Ich spürte in der Sache eine Weile so etwas wie Hilflosigkeit, weil ich um das mediale Faszinosum wusste, und es mir nicht ganz leicht fiel, zu erklären, dass es uns in der Schulschreiberei nicht darum geht.
Ich will Ihnen dahingehend von Kevin, dem Kullerer, erzählen, der ein Phänomen ist und ein gutes Beispiel für die Fruchtbarkeit oder auch gelegentliche Nicht-Fruchtbarkeit dieser Arbeit. Kevin hatte den Drang, sich einmal in der Stunde auf dem Fußboden zu kullern, danach fiel ihm wieder mehr ein.
Bis zu einer gewissen Grenze ließ ich ihm das und hakte im Verbund mit der Lehrerin, die den Kurs begleitete, immer erst im Ernstfall ein. Der Ernstfall war, wenn der Tag anstrengend gewesen war, Kevin das Thema nicht gefiel oder die gegenseitige Bemühung im Übertreffen an Coolness, die in den Herzen und Köpfen von Viertklässlern ja vorkommt, sich aufgeschaukelt hatte. Andererseits stammen einige der schönsten Geschichten von Kevin, und gerade im Angesicht der Abschlussveranstaltung im Dezember war ihm eine deutliche Begeisterung zueigen, die sich im zusätzlichen Lernen eines Gedichts sowie im guten Vortrag seines im Naumburger Dom spielenden Krimis äußerte. Vielleicht, so fiel es mir ein, sollte man den Kindern einmal in der Stunde erlauben, sich über den Boden zu kullern: ein Effekt, der sich mit dem Eintreten der wirklichen Coolness im Sekundaralter sicher verwächst. Bei Kevin, so scheint es mir, hat es in den Stunden von Zeit zu Zeit gewirkt.
c. Geschichten aus der Schulschreiberei
Insgesamt sind etwa 200 Geschichten entstanden: Puzzletexte, Siebensätzegeschichten, in denen man sich kurz zu fassen hatte; immer wieder flankiert von kreativen Übungen, zur Anregung von Kopf und Solarplexus gedacht: Gedichte als Lückentexte, die anhand der Ideen der Schüler durchaus ein Eigenleben entwickeln konnten, die Arbeit mit Akro- und Mesostichen, ein etwas missglücktes freies Thema wie auch ein verhaltener Versuch, einen Tag König von Laucha zu sein.
Es wurde eine kleine Kapiteldramaturgie für das gemeinsame Buch entwickelt sowie ein Konzept für die Schulschreiberlesung erarbeitet. Einmal wurde sogar über den Weltuntergang philosophiert. Natürlich wurde er vom Basiscamp Laucha aus verhindert und ging halbwegs glimpflich ab, möglicherweise auch dank des Blut- und Blutwurst-Verbots, das ich aufrechterhielt. Apropos: Ich hatte im Angesicht dieses Gebots viel über das Problem der zunehmenden Zerstreutheit und der wachsenden Befangenheit durch die Macht der Medien nachzudenken – die Dinge, die uns gerade noch wie eine Zauberei anmuteten, wie sie ganz selbstverständlich in den Köpfen der Nachfolgenden Einzug halten, der Normalfall sind. Einerseits, denke ich, soll man froh darüber sein, dass es solche Möglichkeit der Lebenserleichterung gibt, aber man kann und darf nicht übersehen, dass darin ein Verrohungs- und Verblödungskeim liegt. Bei aller Liebe für die anarchische Dingelhopperei eines Spongebob gab mir das zu denken und forderte mich im Verbund mit den Lehrerinnen, die mich unterstützten, nicht wenig heraus. Ich war mir dieses Phänomens zuvor so nicht bewusst.
Die Schulschreiberprojekte gibt es in Sachsen-Anhalt seit vier Jahren, und in der Wahrnehmung einer möglichen kreativen Arbeit mit Schülern haben sie inzwischen wenigstens mitteldeutschlandweit Aufsehen erregt. „Plötzlich fiel meine Nachbarin vom Stuhl“, das Magdeburger Schulschreiberbuch, das unter der sachdienlichen Anleitung von Ludwig Schumann entstand, durfte im Dezember letzten Jahres sogar eine der Auszeichnungen beim landeseigenen Jugendkulturpreis entgegennehmen. Stellen Sie die leuchtenden Augen der Kids vor, wenn sie erfahren, dass sie nicht nur an einem Buch mitarbeiten können, sondern für ihre Texte mit einem Preis ausgezeichnet werden! Inzwischen regt sich in Thüringen und Sachsen Interesse für ähnliche Projekte, und man möchte darauf gespannt sein dürfen.