Kein Stubenhocker und Privatgelehrter
Bevor er auf Reisen geht, wird recherchiert und gelesen."Ein Erlebnis, eine Spur kann mir zuerst als saufad erscheinen – aber wenn sich dann Verbindungslinien ergeben, wird es plötzlich hochspannend!" sagt Karl-Markus Gauß. Drei bis vier Monate im Jahr ist er unterwegs und Kurt Kaindl berichtet darüber sehr anschaulich, immerhin war er bei zahlreichen Reisen mit Karl-Markus Gauß nicht nur der begleitende Fotograf, sondern auch der Chauffeur, da KMG keinen Führerschein besitzt. In seinem Beitrag erfährt man einiges über den Menschen KMG.
Auf mehr als 30 Seiten kommt Karl-Markus Gauß selbst zu Wort. „Ich baue meine Reisegeschichten immer auf einem breiten Fundament von Fakten auf. (…) Zugleich aber thematisiere ich meine eigene Rolle als Reisender…meine Reportagen verleugnen auch nicht ihre subjektive Dimension. (…) Was nun die Fakten und die Fiktion betrifft, bin ich nach und nach freier im Umgang mit fiktiven Elementen geworden. Entscheidend ist, dass ich die Fiktion einsetze, um die Fakten klarer und besser für sich sprechen zu lassen.“
Um eine Schreibblockade zu verhindern, wechselt KMG das Genre, schreibt ein paar Literaturkritiken oder gestaltet zwei Hefte von Literatur und Kritik im voraus, eine traditionsreiche Literaturzeitschrift, die er seit Jahren betreut.
Germanisten wissen viel zu KMG zu sagen, sie analysieren und strukturieren, dass man sich fast ersparen könnte, die Bücher selbst zu lesen, in die sie sich vertieft haben. Manche stellen einen zwingenden Bezug her zu sich selbst und ihrer eigenen literarischen Arbeit. Über sämtliche Bereiche von KMGs umfangreicher Tätigkeit als Literaturkritiker und Chefredakteur wird berichtet, am spannendsten davon über den Beginn seiner Herausgeberschaft von Literatur und Kritik. Wobei es mitunter zu Überschneidungen in den Beiträgen kommt. Besonders interessant der Essay von Evelyne Polt-Heinzl über die Editorials.
Die Freunde äußern sich dagegen persönlich, über einen gemeinsamen Urlaub auf Korcula (Klemens Renoldner), oder sachlich subjektiv (Max Blaeulich).
Warum sich der Verlag für das Umschlagfoto entschieden hat, das KMG aussehen lässt, als wäre er Tapezierer, Kupferdrucker oder Installateur, bleibt ein gehütetes Redaktionsgeheimnis. Ein weiterer Grenzgang? Karl-Markus Gauß ist nach dem slowenischen Schriftsteller Drago Jančar "einer der wenigen europäischen Schriftsteller und Essayisten, dessen Bücher und Artikel ohne besondere Schwierigkeiten die unsichtbare Grenze zwischen Ost und West überschreiten".Und andere Grenzen auch.
Fazit: Wer mehr über Karl-Markus Gauß erfahren möchte, wird um dieses Buch nicht herumkommen.
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