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Das Meer und der Norden     Streifzüge von Küste zu Küste     von Charlotte Ueckert
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Das Meer und der Norden     Streifzüge von Küste zu Küste     von Charlotte Ueckert
Kritik

Apokalypse für Anfänger...

Hamburg

lautet der Untertitel von Markus Orths' siebtem Roman „Alpha & Omega“, soeben bei Schöffling & Co. erschienen. Und noch nie war die Apokalypse schöner, irrer, dramatischer, witziger, berührender, geistreicher oder sonst irgendwas. Ein Buch, an dem Hollywood (oder der als Romanfigur auftretende James Cameron, der sich anbietet, den Weltuntergang fürs Fernsehpublikum ins rechte Bild zu rücken) seine schiere Freude hätte, vor allem ein Buch, das man so von einem deutschen Autor nicht erwarten würde, aber das gilt ja ohnehin für alles, was Markus Orths schreibt.

„Eigentlich bin ich Gott. Dazu später mehr“, eröffnet Elias Zimmermann im Jahr 525 nach Omega (dem Jahr 2525 nach christlicher Zeitrechnung) seine Geschichte, die erste seit Jahrhunderten, denn Bücher werden längst nicht mehr geschrieben, auch nicht gelesen, und die letzte könnte es auch sein, denn es rast ein gigantischer Meteorit auf die Erde zu, und wenn der einschlägt, dann ist Ende Gelände. Doch einen Hoffnungsschimmer gibt es: Elias wird in der Zeit zurückgeschickt, zu Omega, die damals, so sagt die Geschichtsschreibung, im Jahr 2021, die Welt rettete und ein neues Zeitalter einläutete. Nur wie sie das gemacht hat – das weiß niemand so genau. Elias Zimmermann soll es herausfinden, zurückkehren und seinerseits helfen, erneut das Ende in letzter Sekunde abzuwenden.

Also landet er als für alle anderen unsichtbares Phantom im Jahr 2000 in einem Freiburger Krankenhaus, wo Omega und ihr Husky Escher wie aus dem Nichts auf der Geburtsstation auftauchen und dort von Kolja Zacharias und seiner Frau Birte alias Bitch, deren Sohn Alpha gerade zur Welt gekommen ist, adoptiert werden. Klingt irre? Es wird noch viel besser.  Nicht nur die Story selbst, sondern vor allem ihr skurril-liebenswürdiges Personal verleiht diesem Buch einen Charme, dem man sich nicht entziehen kann. Wer je ein Buch gesucht hat, dessen Figuren man nicht mehr aus dem Kopf bekommt: hier ist es!

Wer hätte gedacht, dass Omega, die als erster Mensch über drei Gehirndrittel verfügt (Elias hat schon vier, ein Quadruppelhirn) und daher über telekinetische Fähigkeiten, erst bei Germany's Next Top Model gewinnen muss, bevor sie die Welt retten kann, und dass hierbei ihr Opa Gusto, der Große Gustoni, später weltberühmter Philosoph der Exkremenz, eine wesentliche Rolle spielt? Ganz zu schweigen von dem schwulen Buddha Tashi, der verzweifelt nach einem Nachfolger für den Dalai Lama sucht oder dem Performancekünstler Matthias Schamp, der Buhrufe in Plastiktüten verkauft und der eine weltbewegende Entdeckung macht, als er das Sexualverhalten weißer Haie untersucht? Oder Buzz Monster, dem reichsten Mann der Welt, der sich wie Dostojewskijs „Jüngling“ als Penner auf die Straße setzt, bevor er sich entschließt, die Menschheit zu vernichten, wobei ihm die nymphomanische Teilchenphysikerin Sabrina Stewart helfen soll, der es, mehr oder weniger durch Zufall, tatsächlich gelingt, in der Wüste von Nevada ein Schwarzes Loch zu erzeugen, das sich aber so ganz anders verhält, als Stephen Hawking es vorhergesagt hat, wodurch sich dieser reichlich zerknirscht aus der Physik verabschiedet... Dass Omegas Auftauchen den Papst vor ziemliche Probleme stellt, sollte auch klar sein...

„Alpha & Omega“ strotzt nur so vor typisch Orthsschem Galgenhumor und vor mal poetischen mal herrlich kalauernden Sprachspielen; der Roman ist eine wundervoll respektlose Satire auf die Idiotien unserer Zeit, ein Feuerwerk an durchgeknallten Ideen, erzählt in einem beiläufigen Plauderton, dem man als Leser nichts entgegenzusetzen hat. In Zeiten, in denen über die vermeintlich dröge deutsche Gegenwartsprosa gejammert wird, empfiehlt es sich, Orths zu lesen, der große Literatur abliefert und dabei keine Angst hat, seine Leser zu unterhalten – im Gegenteil. So kurzweilig sollte Literatur öfter sein. Und auch so mutig.

Markus Orths
Alpha & Omega
Apokalypse für Anfänger
Schöffling & Co
2014 · 528 Seiten · 24,95 Euro
ISBN:
978-3-89561-473-6

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