„daß man wie Rauch ins Nichts verfließt”
„Über Selma Meerbaum-Eisinger zu schreiben, zumal sie zu rezensieren – kaum möglich.“ Das schrieb ich einmal über sie, das ist auch so geblieben. Das früh Vollendete, das freilich zu Ungewissem hätte reifen können und müssen, ist als Fragment die Anklage jener, die aus ihrer Heimat, aus Europa und aus der Welt schaffen wollen, was ihnen nicht paßt…
Das kann ich auch zu der Ausgabe Helmut Brauns sagen, die gewissenhaft sich bemüht, das viel zu Wenige, das doch schon unendlich reich ist, in jener Weise zu erhalten, die Selma Meerbaum-Eisinger gewünscht haben mag: mit Kalligraphien, in akkurakter Typographie, ein präzise benannter Schmerz: „daß man wie Rauch ins Nichts verfließt.“
Die Edition ist verdienstvoll, auch wegen des Nachworts des Herausgebers, der ins Soziotop der Dichterin einzuführen weiß. Der Leben und Tod nachzeichnet, zurückhaltend, und sich der Interpretation enthält, um stattdessen zu bitten:
„Ihre Leserinnen und Leser werden ihre Gedichte niemals an literaturwissenschaftlichen Kriterien messen. Auch die Wissenschaft sollte dies nicht tun.“
Sie könnte es; denn ohne Frage bewährte sich, was von jenem zu kurzen Leben blieb… Und doch, sie sollte es in der Tat nicht, sie sollte stattdessen diese so beglückende wie durch den Kontext so schreckliche Lyrik den Lesern immer wieder ans Herz legen.
Fixpoetry 2016
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Kommentare
ich kenn jetzt den essay von
ich kenn jetzt den essay von helmut braun nicht - aber warum sollte die literaturwissenschaft sich nicht wissenschaftlich mit meerbaum-eisingers oeuvre auseinandersetzen? und wie sollte sie es sonst tun? wie kann sie es überhaupt, wenn nicht wissenschaftlich (was ja doch einen gewaltigen spielraum der beschäftigungsmöglichkeiten öffnet)?
AW
Gemeint ist von seiten Helmut Brauns (mutmaßlich), dass das Anlegen von Standards an das Werk, die nicht der besonderen Situation Rechnung tragen, heikel wäre -- natürlich würde die Literaturwissenschaft dies (hoffentlich) so nicht tun; insofern ist es sowohl nachvollziehbar (als Befürchtung) als auch nicht ganz richtig, was er sagt.
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