|
Anzeige![]() Die menschliche Komödie als work in progress Ein großformatiger Broschurband in limitierter Auflage von 1.000 Exemplaren mit 176 Seiten, die es in sich haben. |
||||
Home Termine Literatur Blutige Ernte Sachbuch Quellen Politik Geschichte Philosophie Zeitkritik Bilderbuch Comics Filme Preisrätsel Das Beste | |||||
![]() Bücher-Charts l Verlage A-Z Medien- & Literatur l Museen im Internet Glanz & Elend empfiehlt: 50 Longseller mit Qualitätsgarantie Jazz aus der Tube u.a. Sounds Bücher, CDs, DVDs & Links Andere Seiten Quality Report Magazin für Produktkultur Elfriede Jelinek Elfriede Jelinek Joe Bauers Flaneursalon Gregor Keuschnig Begleitschreiben Armin Abmeiers Tolle Hefte Curt Linzers Zeitgenössische Malerei Goedart Palms Virtuelle Texbaustelle Reiner Stachs Franz Kafka counterpunch »We've got all the right enemies.» ![]() |
Eine zu anspruchvolle Etikettierung?
Zwei hymnische Texte über
die Witwe des Widerstandskämpfers Helmuth James von Moltke. Hundert Jahre Leben
machen noch keine Jahrhundertgestalt.
Was also war an diesem Leben so bemerkenswert, dass jetzt anlässlich ihres hundertsten Geburttages gleich zwei Biografien über Freya von Moltke erscheinen? Geradezu hymnisch spricht die Publizistin Sylke Tempel im Vorwort ihrer beim Rowohlt-Verlag erschienenen Biographie von einem Vorbild, das sie in ihrer ganzen Kraft und Menschlichkeit aufleuchten lassen möchte. Klarer könnte man es kaum zum Ausdruck bringen, dass nicht eine Biographie, sondern eine Art Erbauungsbuch beabsichtigt war.
Wenigstens setzt Geyken dem kitschigen Pathos ihrer Protagonistin das klare Urteil der Journalistin Christiansen-Leber entgegen, die eine ungewöhnlich kritische Haltung zum so genannten Heldentod ihres Vaters, Julius Leber, eingenommen hat. »Ich fand heraus, dass Vater am allerwenigsten für meinen Bruder und mich, sondern für die anderen Deutschen, die den Krieg überlebt hatten, gestorben war. Hat er doch die Ehre der Nation dem Glück seiner Familie vorgezogen.» Gleiches ließe sich gewiss auch über Helmuth James v. Moltke und die Angehörigen des Kreisauer Kreises sagen. Brachten sie denn nicht tatsächlich sich und auch ihre Familien in höchste Gefahr, nur um einige politische Visionen niederzuschreiben, die jenes Volk, das die Kreisauer doch so beherzt retten wollten, gewiss mehrheitlich abgelehnt hätte. Bei Freya von Moltke hat sich unzweifelhaft das hohe Pathos ihres Mannes bis zuletzt erhalten, wenn sie später im Alter erklärte: Sie sei ja nicht unbescheiden und fände, dass »die Kreisauer mit dem gesamten Widerstand in Deutschland von und durch die Historiker gut und solide erhalten bleiben müssen – »um der deutschen Seele willen, die es ja gäbe«. Die Erfahrung, »auf der richtigen Seite gestanden, für die richtige Sache gekämpft zu haben, erfüllte sie mit Hochgefühl. »Wir haben die ganzen Jahre der Arbeit gegen die Nazis und die Endmonate und, ja, auch noch die Nachzeit als eine große Zeit gelebt.«
Spätestens zu diesen
offenen Versuchen einer Selbstmythologisierung hätte man sich schon einige
kritische Anmerkungen der zitierenden Autorin Frauke Geyken gewünscht. Der von
ihrem Verlag hervorgehobene exklusive Zugang zum persönlichen Nachlass der
Protagonistin hat ihr – fast schon erwartungsgemäß - nicht zu einer angemessen
distanzierten Perspektive verholfen. Auch Sylke Tempel zeichnet ein durchweg
heroisches Bild der Widerstandszeit in Kreisau und lässt ihre Protagonistin
sogar von einem Glaubensakt sprechen. Immerhin ist es Frauke Geyken mit ihrer biographischen Skizze – mehr als Sylke Tempel – gelungen, Freya von Moltke als eigenständige Persönlichkeit aus dem Schatten ihres Ehemannes zu lösen. Während Tempel ihre Schilderung mit dem 20. Juli 1944 beginnt und erst später den biographischen Faden aufnimmt, wählte Geyken den konventionellen Ansatz, wobei sie die Kreisauer Zeit – anders als Tempel - recht kurz abhandelt und dafür dem späteren Leben ihrer Protagonistin viel Raum gewährt.
Doch war es tatsächlich
ein »Jahrhundertleben«, das diese doppelten biographischen Mühen rechtfertigen
könnte? Eine wirkliche Lebensleistung ist bei Freya von Moltke in beiden Texten
nicht zu erkennen. Wenn überhaupt ein roter Faden aufscheint, so wäre es eine
gewisse Ziellosigkeit, die beinahe ihr ganzes Leben geprägt hat. »Freya hatte
keine konkreten Pläne« heißt es immer wieder bei Geyken, die es sogar noch
schönredet, dass sich die junge Frau von Ehemann und Schwiegervater als Faktotum
auf deren herunter gewirtschafteten schlesischen Gut einspannen ließ. Nach dem
Krieg reiste sie auf der Suche nach überlebenden Widerstandskämpfern im
verwüsteten Deutschland umher, ihre beiden Söhne, der jüngste gerade einmal vier
Jahre alt, blieben allein in der Schweiz zurück. Als ihr aber Eugen
Gerstenmeier, der Widerstandskämpfer und spätere Bundestagspräsident eine feste
Stelle in seinem Hilfswerk anbot, fielen ihr plötzlich wieder ihre Söhne ein.
Dann entschloss sie sich doch, den wiederholten Einladungen des Burenpremiers
Jan Smuths zu folgen und nach Kapstadt zu gehen, wo sie ihre Kinder auf die
Schule schickte und »abwartete«. Ihren erlernten Beruf – sie war promovierte
Juristin, allerdings ohne Staatsexamen - hat sie nie wieder aufgenommen, sondern
sich bis ins hohe Alter mit Gelegenheitspositionen im sozialen Bereich beholfen.
»Ich bin ja für die Menschen gemacht, weil ich so gut lieben kann«, urteilte sie
über sich selbst. Man mag diese Äußerung zwar, wie beide Verfasserinnen
goutieren, doch es klingt eher wie eine pathetische Selbstlegitimierung ihres
Hausfrauendaseins. Der kaum verhohlenen Ablehnung, die ihr und anderen Witwen
von Widerstandskämpfern im Adenauerstaat entgegenschlug, entzog sich Freya von
Moltke schließlich durch ihre Auswanderung in die Vereinigten Staaten. Das alles
ist nicht ehrenrührig und es ließe sich auch gewiss biographisch als Leben auf
drei Kontinenten verarbeiten. Ein Jahrhundertleben aber war es nicht, auch wenn
das euphemistische Rosa, das sich kontinuierlich durch beide Texte zieht, einen
anderen Eindruck zu vermitteln versucht. Auf die jetzt vorliegenden
Hagiographien von Frauke Geyken und Sylke Tempel hätte man auch verzichten
können. |
Frauke Geyken
|
|||
|
|||||