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Über
Adam Soboczynskis gesammelte zeitkritische Statements Wo die Zeiten glänzen und funkeln, kann das Elend nicht weit sein – der Titel von Adam Soboczynskis neuem Prosawerk ist darum nicht allzu ernst zu nehmen. Im Gegenteil, »Glänzende Zeiten« ist kein Loblied auf die Gegenwart, sondern eine Abrechnung mit den Werten, die unsere Gesellschaft jüngst hervorgebracht hat. Ein wenig manieriert nörgelt er sich durch 224 Seiten und prangert an, was man unter dem Stichwort »Neokonservatismus« locker zusammenfassen könnte. Die Neigungen unserer Gesellschaft zur Sauberkeit, zur Pünktlichkeit, zur Disziplin. Die Nichtraucher, die Antialkoholiker, die Verklemmten und die Spießer. Alles so steril, so glattrasiert und schaumgebremst! Dieses Manifest ist gut und notwendig, noch dazu von wunderbar geschliffenem Stil. Oft weiß man beim Lesen nicht, ob lachen oder greinen – zum Glück, und das ist wohl seine bestechendste Eigenschaft, steckt »Glänzenden Zeiten« voll lustiger Wendungen und einem scharfsinnigen Humor. So klingen selbst die Episoden, deren Gegenstand ansonsten absehbar wäre, noch überraschend. Und das will etwas heißen, denn besonders originell ist es leider nicht, sich über lichtdurchflutete, vor Kindergeschrei bebende Nichtraucherbars und Ähnliches zu echauffieren. Und dann kommen wieder diese nüchternen, wunderbaren Feststellungen (»Der Asket ist ein Feind des Lebens, aus dem er den Zufall zu verbannen sucht«, und so weiter, und so fort), die in ihrer bestrickenden Klarheit etwas von einer Offenbarung haben. Besonders aufschlussreich, weil nicht ganz gewöhnlich, sind die Paratexte. Also jenes, was nach Genette »Beiwerk« ist zum eigentlichen, zum literarischen Text. »Glänzende Zeiten« sei »fast ein Roman«, heißt es auf dem Umschlag, dort, wo sonst eine recht nüchterne und dafür eindeutige Gattungsbezeichnung stehen würde. Und in der Tat fällt es schwer, den Text als Roman zu bezeichnen. Aber was ist es sonst? Ein bisschen Glosse, ein moserndes Manifest, ein bisschen Erzählung, unterstellterweise ein gutes Stück Autobiografie, ein wenig Anekdote, aber schon, durchaus, auch ein wenig Roman. Aber es als »ganzen« oder »richtigen« oder »echten« Roman anzupreisen, würde wohl doch falsche Erwartungen wecken. Ob dieses unentschlossene Statement, es handele sich »fast« um einen Roman, der Verlegenheit um eine besser passende Kategorie geschuldet ist oder den potentiellen Lesenden beim Stöbern im Kulturkaufhaus einfach neugierig machen soll, sei dahingestellt, tut eigentlich auch nichts zur Sache. Fest steht, der Text tut sich schwer mit üblichen Kategorien. »Kaum ein Roman« – auch das hätte gepasst. Auch das Motto reiht sich ein in die Serie vielsagender Paratexte. »Ich leide doch erstaunlich« - ein Zitat des »unbekannten« bayrischen Autoren Hannes Maria Wetzler. Diesen Namen hören Sie zum ersten Mal? Das ist völlig in Ordnung, denn man kann getrost anzweifeln, ob er außerhalb der Romanwelt überhaupt existiert. Das Motto ruft spontan das Bild eines Archetyps wach, des ewigleidenden Sensiblen, den Handrücken vor der erhitzten Stirn, die Augen peinvoll gen Himmel verdreht. So kann man ihn auch visualisieren, den Erzähler – um dann im letzten Moment zu sehen, wie er hinter der erhobenen Hand heimlich zwinkert und ein kleines bisschen schmunzeln muss. Das Zielpublikum des Beinahe-Romans scheint leider erschreckend schnell ausgemacht: Männer in Soboczynskis Alter und darüber, möglichst intellektuell, und bodenständig genug, um keine wirklich existenziellen Probleme zu haben. Sympathische Bildungsbürger, die nicht vergessen haben, wie man Spaß hat und dass ein bisschen deviantes Austoben durchaus okay ist. Also im Grunde der »Freund, der etwas mit Kultur macht« oder der »Architekt«, zwei der Antagonisten, über die die namenlose Erzählerfigur berichtet, nicht jedoch der grantelnde Hausmeister, mit dem der Erzähler in der ersten Episode so sehr sympathisiert. Frauen spielen indes keine besondere Rolle in »Glänzende Zeiten«; sie kommen fast nur in ihrer Funktion als Gegenpart zu den männlichen Figuren zum Tragen, sind nicht selten hysterisch, karrieristisch, unsicher.
Kurzum: Gerade, wenn man
beim Lesen anfängt, sich zu langweilen und dieses rückwärtsgewandte Gemecker
destruktiv zu finden, erwischt man sich dabei, doch wieder zu grinsen. Kein
Buch, das man dringend gelesen haben muss, kein wichtiges, politisch
aufgeheiztes Manifest wie Stéphane Hessels Essay »Empört Euch!«
oder das von Hilal Sezgin herausgebrachte »Manifest der Vielen«
– aber doch eine feine Lektüre
für
Zwischendurch, von der viel mehr hängenbleibt, als man anfangs vermuten könnte. |
Adam
Soboczynski |
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