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Montpellier 2009, Foto by Dinkley
Von Wolfram
Schütte Jorge Semprún hat von sich gesagt, dass er in seinem Leben immer wieder unverschämtes Glück hatte: - vor allem das Glück, weder als Mitglied der französischen Résistance (1941) und dann als Buchenwaldhäftling (1944/45), noch als Geheimagent der Spanischen KP in Francos Reich (1953/62) ermordet worden zu sein.
Jorge Semprún 1970 in Argentinien
Als »filmisch« wurde sie empfunden, weil sie auch ein Charakteristikum mancher seiner zahlreichen Drehbücher war, wie das seines von Alain Resnais 1966 verfilmten Debüts »La guerre est finie«. Darin wird der Selbstzweifel an der politischen Untergrundarbeit im franquistischen Spanien thematisiert, verkörpert im mondänen Porträt eines hoffnungsmüden Exilrevolutionärs, gespielt von Yves Montand - einem von Semprúns besten Freunden, dem er später eine eher peinliche Biografie schrieb.
Nach dem Ende
seiner »Zeit der Aktion« folgte die wesentlich längere »Zeit der Reflexion«, in
der Jorge Semprún, dem eigenen Wunsch & dem seiner früh gestorbenen Mutter
folgend, fortan zum erfolgreichen Schriftsteller wurde. Der kommunistische Dissident Semprún, der mittlerweile im französischen, recte: tonangebenden linksliberalen Pariser Intellektuellen-Milieu heimisch war, verdiente sich seinen Lebensunterhalt mit Drehbüchern, die sowohl (wie »Z«) gegen die griechische Militärdiktatur, als auch (wie »Das Geständnis«) gegen den tschechischen Stalinismus Stellung bezogen. Zwar versuchte sich Semprún auch als politisch-erotischer Unterhaltungsschriftsteller; aber mit literarisch niederschmetternd miserablen Ergebnissen. Aber seine literarische Domäne blieb seine fortlaufend ausgefütterte erinnerte & imaginierte, aus Wahrheit & Dichtung amalgierte Autobiografie, die er im Lauf der Jahrzehnte von der »Großen Reise« bis zu »Der Tote mit meinem Namen»(2002) zu einer siebenteiligen Galerie von literarisch brillant gezeichneten Erinnerungslegenden ausbaute.
Im Gegensatz zur Holocaust-Literatur & zur imaginierten Erfahrung jüdischer Autoren wie Jean Améry, Primo Levi, Istvan Kertész oder Aleksandar Tisma kennt die KZ-Literatur von Jorge Semprún nicht deren trost- & hoffnungslose Zerstörung alles Weltvertrauens. Fast, könnte man sagen, formuliert Semprún , der sich in der »Gesellschaft der Genossen« in Buchwald »zuhause« fühlte, die intensivste Erfahrung von Brüderlichkeit und die unbezweifelte Sinnhaftigkeit des gemeinsamen Kampfs gegen den inhumanen Feind: im Namen von Menschlichkeit & Kultur. Der junge Jorge Semprún hat sein idealistisches »Weltvertrauen» im KZ Buchenwald so wenig verloren wie der eschatologische Philosoph Ernst Bloch, der in der amerikanischen Emigration sein »Prinzip Hoffnung» schrieb, je vom Holocaust irritiert wurde. Es ist bei ihm wie bei dem jungen Spanier in Buchenwald der lange durchgehaltene Glaube an die Notwendigkeit und welthistorische Mission des Kommunismus, den Semprún in seinem abenteuerlichen Leben am Rande des Todes auch noch nach der Befreiung als konkrete Brüderlichkeit und lebensrettende Solidarität in der Gemeinschaft der Genossen erleben sollte. »Die alltäglichen, menschlichen Aspekte des Parteilebens«, seine Arbeit als »authentischer« Aktivist, sein »echtes Leben als Kommunist« waren es, »die mir Freude machten«, bekannte er: in der ersten Prüfung seines Wagemuts während der Résistance, dann unter der Folter und im KZ, wo der avisierte spanische Genosse sofort unter die Fittiche der Parteiorganisation in Buchenwald genommen wurde und »das Lager mein Bildungsroman im Guten wie im Schlechten wurde« und er, »mit einem Wort der Ästhetik gesprochen, dort ›das Schöne‹ an der kommunistischen Brüderlichkeit kennenlernte«, obwohl er in der »Arbeitsstatistik« potentiell über Leben und Tod seiner Mitgefangenen entscheiden musste. Zuletzt aber erfuhr er solche Brüderlichkeit im Untergrund von Francos Spanien, wo er »die gelungensten Jahre meines Lebens« verbrachte: »Die politische Untergrundarbeit (...) ist das, was mich am meisten erregt und mir das größte Vergnügen bereitet hat, was mich vor allem interessiert, am besten unterhalten und am meisten bewegt hat«.
Eben deshalb wird man, des besonders in Deutschland viel verehrten & bewunderten
Jorge Semprún gedenkend, jetzt von seinem trotz allem glücklichen & geglückten
Leben sprechen können. Keinen Augenblick war es absurd, immer aber tätig &
erfüllt von einer hoffnungsvollen Sinnhaftigkeit - im Bewusstsein, das seine
getan zu haben zur »Erziehung des Menschengeschlechts« (Lessing). |
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