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Keine Rettung, nirgends

Louis-Ferdinand Célines Parforceritt »Reise ans Ende der Nacht« (Voyage au bout de la nuit) nun auch als Hörspiel. Lesen oder Hören, das ist die Frage.

Der amerikanische Schrifsteller Philip Roth sagte über Céline: »Mein Proust in Frankreich, das
ist Céline! Er ist wirklich ein sehr großer Schriftsteller. Auch wenn sein Antisemitismus ihn zu einer widerwärtigen, unerträglichen Gestalt macht. Um ihn zu lesen, muß ich mein jüdisches Bewußtsein abschalten, aber das tue ich, denn der Antisemitismus ist nicht der Kern seiner Romane (...) Céline ist ein großer Befreier.«

Hätte Louis-Ferdinand Céline, der mit bürgerlichem Namen Destouches hieß, sich durch seine rassistischen Haßtiraden, antisemitischen Pamphlete wie z. B. »Judenverschwörung in Frankreich« und seine Kollabroation mit den deutschen Besatzern, nicht selbst desavouiert,
man könnte ihn als einen der ganz großen Solitäre der Literaturgeschichte des letzten Jahrhunderts feiern. Als den Begründer des Existentialismus par excellence, lange vor Camus, Sartre und Genet.
Auf jeden Fall aber sollte aber man seine »Reise ans Ende der Nacht« in der neuen Übersetzung von Hinrich Schmidt-Henkel lesen - und nur die. Denn die bislang kursierende deutsche Ausgabe des Romans war eine bereits 1933 in Mährisch-Ostrau(!), von den damaligen Herausgebern politisch wie sprachlich kastrierte Fassung, der gut 50 Seiten Text fehlen.
Ferdinand Bardamu ist Célines literarisches alter ego. Ein Icherzähler, der uns auf einen Höllentrip durch das mit nimmt, was blutleer gerne die Zivilisation genannt wird. Céline verglich seine Schreibweise mit der Musikalität des Jazz: »Ich will nicht erzählen, ich will fühlen machen«. Und das gelingt ihm mit der Reisebeschreibung seines existentialistischen Taugenichts derart grandios, daß man beim Lesen glatt das Buch in den Händen vergißt, und sich in einen Alptraum versetzt fühlt.
Aus den Schützengräben des Großen Krieges geht es über eine psychiatrische Anstalt in die Gluthitze der französischen Kolonien nach Afrika. Vom Arsch der Welt mit einem Sklavenschiff nach Amerika, wo Bardamu sich zuerst als Spezialist für die Flohstatistiken der Einwanderungsbehörde verdingt, bevor es ihn in die Eingeweide des Kapitalismus, nach Detroit, direkt in die Fabrik Henry Fords verschlägt. »Alles zitterte in dem rießigen Gebäude, man selber wurde ebenfalls von den Füßen bis zu den Ohren von dem Zittern befallen, es brandete von den Fenstern und dem Boden und all dem Metall auf uns ein, stoßweise, vibrierend von oben bis unten. Man wurde selber zur Maschine, so sehr erbebte das eigene Fleisch in diesem enormen wütenden Getöse, das einem durch und durch ging und sich um den Kopf legte und dann weiter nach unten schoß und in die Eingeweide fuhr und von da aus wieder nach oben in die Augen, in kurzen, rasend schnellen Stößen, ohne Ende, unermüdlich.« Zurück aus dem Herz der Finsternis und den Eingeweiden des Kapitals, bringt Bardamu sein Medizinstudium zu Ende und läßt sich in einer der trostlosen Banlieues von Paris als Arzt nieder. Als Arzt für die Armen, der weiß, daß es aus dieser Hölle kein Entkommen gibt und keine Hoffnung, nirgends.
Für das Buch übrigens auch nicht, die Hardcoverausgabe wurde bereits vor 2 Jahren bei Jokers verramscht. Der einzig erkennbare Mangel meines Exemplares ist der Stempel »Mängelexemplar«.

Unterhaltsame Kurzweil statt Konzentration
Doch funktioniert diese Reise auch als Hörspiel? Ulrich Lampen hat den Versuch gewagt, und setzte
das Meisterwerk für den Bayerischen Rundfunk mit 17 Schauspielern in Szene. »Es ist ein Buch, das man in seiner elementaren Sprachlust laut lesen möchte – uns so kommt es in der Hörspielform zu sich selbst,« meinte die FAZ. »Unterlegt und durchbrochen von Akkordeonklängen, Stöhnen, Maschinenlärm und musikalischen Bruchstücken wird diese Produktion des Bayerischen Rundfunks sicher zu den Höhepunkten bei den Hörspiel-Neuerscheinungen 2008 zählen«, mutmaßte das Magazin hörBücher.
Doch obwohl Ulrich Lampen bei
seiner sehr ambitionierten Regiearbeit darauf geachtet hat, Célines Stil, Form und Sprache zu folgen, und »nichts leichtfertig in Szenen zu überführen, um eine triviale Verhörspielung zu ermöglichen« geht beim Hören der Zauber des Textes verloren. Die Stimmen haben Bardamu nicht verinnerlicht, sie sagen seinen Text in der guten alten Schulfunkmanier, ohne ihn zu meinen, man hört ihnen die Bemütheit an, ich konnte ihnen jedenfalls nicht glauben.
Der magische Sog, der sich beim Lesen des Buches automatisch einstellt, hatte keine Chance, sich zu entwickeln, weil die Collagetechnik (Text, Musik, Geräusche, etc.) keine wirkliche Konzetration auf das Gehörte zulassen. Es bleibt bei einer zwar durchaus unterhaltsamen Beschallung des Hörers, die jedoch den tatsächlichen Schrecken, die abgrundtiefe Verlorenheit in keiner Sekunde erfahrbar machen. Das Wesentliche dieses Buches verliert sich in einem diffusen Klangraum, weil es nur im Raum des Lesens existieren kann, nur in der Einsamkeit des Lesers mit dem Text.
Das Medium Hörspiel hat ohne Zweifel seine eigenen Qualitäten, aber es hat auch seine Grenzen. An sie ist man mit dieser Produktion der
»Reise ans Ende der Nacht« gestoßen. Herbert Debes

Bücherliste:
Louis-Ferdinand Céline Reise ans Ende der Nacht
Aus dem Französischen von Hinrich Schmidt-Henkel
670 Seiten, Rowohlt, 29,90 Euro, ISBN 3-498-00926-5

Louis-Ferdinand Céline Tod auf Kredit
Roman deutsch von Werner Bökenkamp
448 S., Tb, rororo, € 8,50 / sFr 15,20
ISBN 3-499-15597-4

Wie immer zeigt sich Celine auch in seinem Roman "Tod auf Kredit" vom Tod besessen, nichts zählt neben der Tatsache, daß eines Tages alle verrecken müssen. Das erklärt seinen Ekel und seine Verzweiflung, seinen Haß. In einer faszinierenden Sprache - bald trockene, bissige, harte mit Argot versetzte Sprachprosa bald nahe am Gedicht hinströmend als dunkle Moll-Melodie - wird in diesem Roman über einen armen Arzt der Klinik einer Pariser Vorstadt soviel ins Bewußtsein gehoben, artikuliert, beleuchtet, erhellt, daß er keiner Rechtfertigung bedarf.

Louis-Ferdinand Céline Norden
Roman
deutsch von Bökenkamp, Werner
384 S., Tb, rororo, € 6,50
ISBN 3-499-15499-4

Im Vordergrund dieses Romans steht die Not des Menschen auf der Flucht, des Menschen in der Falle, des Menschen, der, verzweifelt und voller Greuel über die Ungerechtigkeit der Welt, kein Vertrauen in die Zukunft hat, der nicht weiß, wovon er sich am nächsten Tag ernähren und ob er diesen Tag überhaupt erleben wird. Die Sprache dieser letzten Eruption des Vulkans Celine ist jener gehetzte und hetzende Argot, jenes "Französisch des 21. Jahrhunderts", dem dieser Autor seinen Platz in der Weltliteratur verdankt.

Louis-Ferdinand Céline Guignol's Band
Roman
deutsch von Werner Bökenkamp
320 S., HC, Rowohlt, € 24,00 / sFr 40,50
ISBN 3-498-00867-6

Dies ist die erste Übertragung von "Guignol´s Band" ins Deutsche. Auflösung und Panik bestimmen das Romangeschehen: der Ausnahmezustand des Krieges im London des Jahres 1915, der verwundete Erzähler Ferdinand im halbkriminellen Milieu, inmitten einer Bande von Zuhältern, Prostituierten, Hehlern und Bombenwerfern. Wie Gliederpuppen (Guignol spielt auf das gleichnamige Theater für Horrorstücke an) zappeln die Personen an Fäden, die der Krieg zieht.

Louis-Ferdinand Céline Guignol's Band II
Roman
deutsch von Hinrich Schmidt-Henkel
Rowohlt 672 S., HC, € 34,00
ISBN 3-498-00887-0

«Guignol's Band II» spielt in dem kriminellen Milieu Londons im Ersten Weltkrieg und setzt den Roman «Guignol's Band» fort, der deutsch 1985 vorgelegt wurde. «Guignol's Band II» ist eine wilde Orgie und ein frenetisches Bacchanalienfest, auf dem eine vierzehnjährige Jungfrau in einem Pub vergewaltigt wird, ein mythomanischer Derwisch und Dämonenbeschwörer auf dem Picadilly Circus deliriert und vom Gas wahnsinnig gewordene Erfinder sich wechselseitig die Haut abziehen –

Louis-Ferdinand Céline Von einem Schloß zum andern
Roman, Rororo, deutsch von Werner Bökenkamp
352 S., Tb, € 7,50 / sFr 13,50
ISBN 3-499-14964-8

Dieser autobiographische Roman beginnt in Sigmaringen, wo Celine unter fürchterlichen Bedingungen als Lagerarzt arbeitet, zum Kriegsende aber nach Dänemark weiterflüchten muß. Dort macht man ihm den Prozeß. Man schiebt ihn Jahre später nach Frankreich ab. Celin starb 1961 verarmt in seiner Heimat. Die absolute Respektlosigkeit in Celines poltischer Abrechnung und seine ausdrucksstarke, exzessive Sprache, die wie eine Bombe in die Welt der Literatur einschlug, machten ihn zu einem der wichtigsten und aufregendsten Autoren des 20. Jahrhunderts.

Louis-Ferdinand CÉLINE
FORTSCHRITT und andere Texte für Bühne und Film
aus dem Französischen von Katarina Hock,
Merlin Verlag, 260 S. kart., € 16,40
ISBN 3-926112-57-3

Célines literarisches Werk beginnt mit zwei Theaterstücken,
eines davon ist FORTSCHRITT. Boulevard-Komödie, Féerie und surrealistisches Ballett verschmelzend, verleugnet das 1927 entstandene Stück nicht nur die klassischen Regeln des Theaters, sondern nimmt zugleich das absurde Theater der frühen 60er Jahre vorweg. Nie realisierte, vielfältige, von witzigen und zugleich tiefsinnigen Einfällen überschäumende Ballettentwürfe ergänzen den Band, der phantastische Entdeckungen bereithält.

Louis-Ferdinand CÉLINE
BRIEFE UND ERSTE SCHRIFTEN AUS AFRIKA 1916 - 1917
zahlr. Fotos, ca. 200 S. broschiert,
Merlin Verlag
€ 16,40
ISBN 3-926112-80-8

Mit diesem Band wird die Serie der Céline-Publikationen im Merlin Verlag fortgesetzt. Es handelt sich um Briefe, die Céline (damals noch mit seinem bürgerlichen Namen Destouches bzw. Des Touches unterzeichnend) während des ersten Weltkrieges aus Afrika an Freunde und Familienangehörige adressierte, nachdem er eine Stellung als Repräsentant einer Handelsfirma im damals bereits französisch besetzten Kamerun angenommen hatte. Sie liefern ein farbiges und sehr persönliches Bild von den Bedingungen, unter denen ein Europäer dort zu arbeiten hatte, gleichzeitig öffnen sie bereits den Blick auf die Persönlichkeit und Sichtweise des späteren Schriftstellers von Rang.     

Louis-Ferdinand CÉLINE, DIE KIRCHE
Komödie in fünf Akten
Merlin Theater aus dem Französischen von Gerhard Heller
184 S. kart., € 12,-, ISBN 3-87536-009-5

Ein junger Mediziner wird als wissenschaftlicher Gutachter des Völkerbundes nach Afrika entsandt, um Mißstände der kolonialen Gesundheitsversorgung aufzuklären. Er scheitert am intriganten Widerstand von Interessengruppen. Sein Bericht wird unterdrückt, er selbst endet als lizenzloser Armenarzt im Gefängnis.

Lucette Destouches; Véronique Robert Mein Leben mit Céline
Aus dem Französischen von Carina von Enzenberg.
Mit einem Nachwort von Franziska Meier.
Piper Verlag, 128 S., € 14,90

 

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